Beitragvon gecko » 19.02.11 @ 8:55
Tagi: Sa. 19.2.11
--------------
«So geht es nicht weiter»
FCZ-Präsident Ancillo Canepa über den Ärger mit dem Letzigrund, Verluste von 6 bis 7 Millionen und seinen Wunsch an die Stadt.
Mit Ancillo Canepa sprachen Thomas Schifferle und Fredy Wettstein
Ancillo Canepa, wann zieht der FC Zürich aus dem Letzigrund aus?
Das ist im Moment nicht das Thema, das mich beschäftigt. Aber ich schliesse für die Zukunft nichts aus.
Haben Sie Verständnis für die Pläne von GC, ab der neuen Saison nicht mehr in Zürich spielen zu wollen?
Selbstverständlich. Wir sind finanziell so geschädigt wie GC. Es geht jetzt darum, die Diskussion auf einer anderen Ebene zu führen. Vielen Entscheidungsträgern in Stadt und Kanton Zürich ist nicht klar, in welcher Situation sich die beiden Vereine wegen des Letzigrunds und der jahrelangen Verzögerung beim Bau des neuen Stadions befinden.
Hat GC seine Schwierigkeiten zu wenig gut erklärt?
Das hat damit nichts zu tun.
Sondern?
Dass wir 2007 in ein Stadion zogen, das absolut Fussball-untauglich ist. Wir hatten damals einen teuren Mietvertrag unterschrieben – selbstverständlich in der Meinung, dass uns ein neues Stadion mehr Zuschauer bringt, wie es überall sonst auch der Fall ist. Leider haben wir erst nachher festgestellt, dass es massive Mängel aufweist und massive Mehrkosten verursacht – für beide Klubs.
Was heisst das genau?
Einerseits führt es zu Mehrkosten, anderseits zu Mindereinnahmen, weil die Zuschauer ausgeblieben sind. Wir gehen davon aus, dass wir pro Spiel 5000 Zuschauer mehr hätten, wenn wir in einem reinen Fussballstadion wären. Das ergibt fehlende Einnahmen jährlich von 1,5 bis 2 Millionen Franken.
Das ist einfach Ihre Behauptung.
Das ist eine Annahme, die auf Rückmeldungen von Leuten basiert, die sagen, sie hätten auf ein Fussballspiel im Letzigrund keine Lust. Fakt ist, dass wir 328 Business-Sitze haben, die einen Umsatz von 1,5 bis 2 Millionen Franken generieren. Wir könnten problemlos doppelt so viele verkaufen, aber wir haben in der Lounge nicht den Platz, um die Leute zu verpflegen. Allein deshalb haben wir einen Schaden von 1,5 bis 2 Millionen, den uns keiner vergütet. Wir schätzen den Verlust pro Jahr auf 5,5 bis 7 Millionen. So geht es nicht weiter.
Auf diese Zahl kommen wir aber noch nicht.
In der Champions League mussten wir ausserhalb des Stadions für mehrere hunderttausend Franken Zelte erstellen, um unsere Gäste verpflegen zu können. Und dann die ganze Sicherheitsproblematik. Das Stadion ist sicherheitstechnisch derart schlecht konzipiert, dass wir das mit dem Einsatz von viel mehr Personal kompensieren müssen. Ausserdem sind es nicht wir, die darüber entscheiden, wie viele Leute jeweils benötigt werden. Das macht das Stadionmanagement, und das Management läuft über die Stadt. Wir haben also keinen Einfluss.
Im alten Letzigrund zahlte der FCZ 150 000 Franken Miete . . .
. . . mit allem Drum und Dran, inklusive Sicherheit, waren es 300 000 bis 400 000 Franken. Seit dem Einzug ins neue Stadion im September 2007 lieferten wir der Stadt 9,3 Millionen ab.
An Miete?
Nicht nur, auch für die innere Sicherheit.
Das macht zehnmal mehr pro Jahr.
Ja, aber wir haben nicht zehnmal mehr Zuschauer, wir haben nicht einfach ein zehnmal grösseres Einkommenspotenzial. Wenn wir die Turnhalle für unsere Gäste benutzen und entsprechend gestalten, kostet uns das immer Geld. Wir zahlen für jede Veränderung. In Basel, Bern, St. Gallen ist das nicht der Fall. Da sind alle nötigen Einrichtungen vorhanden. Nochmals, wir werden doppelt bestraft für Planungsprobleme bei einem Stadion, für die wir in Gottes Namen nichts können.
Wem geben Sie denn die Schuld?
Als ich 2005/2006 beim FCZ anfing, hiess es: Spätestens 2010 gebe es ein neues Stadion. Danach wurde der Hardturm abgebrochen. Es hiess: 2013 steht das Stadion. Wir sagten: «Okay, bis dahin können wir nochmals durchseuchen.» Dann hiess es auf einmal 2016.
Und wer trägt die Schuld?
Darum geht es mir nicht. Ich kann nur sagen: Wir haben darauf vertraut, dass die Versprechungen der Stadt eingehalten werden.
Letzten Sommer haben Sie den Mietvertrag bis 2013 verlängert. Warum, wenn alles so teuer und schlecht ist?
Es gab ja keinen Verhandlungsspielraum. Was hätten wir denn machen sollen? Auch zu dem Zeitpunkt wurde uns noch gesagt, das neue Stadion werde kommen. In der Zwischenzeit wissen wir, dass es weitere Verzögerungen geben wird. In der Politik realisieren viele einfach nicht, worum es geht. Es wird immer mit Vorurteilen gegen den Fussball argumentiert. Fussball sei nur Kommerz und was weiss ich . . . Aber wir brauchen eine Mindestform von Kommerz, um die Fortführung des gesamten Betriebes sicherzustellen.
Warum . . .
(unterbricht) Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, kann in der Stadt Zürich Profifussball nicht mehr betrieben werden.
Zumindest nicht ohne Geldgeber.
Aber man darf doch nicht erwarten, dass Private dauernd zahlen, nur damit die Infrastruktur und die Planungsprobleme beim Stadionbau finanziert werden können. Irgendwann sagen auch sie sich: Das kann es nicht sein.
Warum ist der FCZ nicht gemeinsam mit GC vorgegangen, um diese Probleme zu lösen? GC ist mit seinen Forderungen am Stadtrat gescheitert, Sie beziehen erst jetzt Stellung.
Ich habe mich nur öffentlich nicht geäussert. Unsere Position und unsere Probleme habe ich dem Stadtrat schriftlich mitgeteilt. Ich habe vertrauliche Vorschläge gemacht, was die Lösungen sein könnten.
Und welche Antwort haben Sie erhalten?
Bis jetzt habe ich keine offizielle Reaktion gehabt.
Aber nochmals, hätten der FCZ und GC zusammen nicht mehr Druck machen können?
Nein. Weil ich Vertrauen in die Politik hatte, sah ich keinen Grund, in die Öffentlichkeit zu gehen und zu polemisieren. Ich sage nicht, dass die Politik uns bewusst in die Irre geführt hat. Aber gewisse Personen haben nicht immer mit offenen Karten gespielt.
Können Sie konkreter werden?
Das will ich nicht. Nur so viel: Zu Beginn meiner Präsidentschaft sagte ich einmal öffentlich: Ein kleines, feines Stadion mit 20 000 Plätzen würde mehr Sinn machen als ein grosser Bau mit unsicherer Mantelnutzung. Daraufhin stellte mich der damalige Stadtpräsident (Elmar Ledergerber) in den Senkel: «Was fällt Ihnen ein, sich so zu äussern!» Ich antwortete ihm, ich sei ein Schweizer Bürger, der Meinungsfreiheit habe. Er sagte: «Es interessiert keine Sau, was der Herr Canepa privat denkt. Halten Sie sich zurück.» Oder eine andere Episode. Heinz Spross (Verwaltungsrat von GC) und ich fragten in einer der unzähligen Sitzungen mit Stadt und CS, ob es nicht mehr Sinn machen würde, den alten Hardturm für 30 Millionen zu sanieren. Darauf wurde nicht eingegangen. Ein paar Wochen später fuhren die Bagger auf und legten den Hardturm flach.
Auch die Grasshoppers verlängerten den Vertrag im letzten Sommer und mussten dann erkennen, dass sie sich ihn gar nicht mehr leisten können. Das macht nicht den Eindruck von weitsichtiger Planung.
Das ist doch nicht das Thema. Wir wissen schon lange, dass beide Klubs grosse Schwierigkeiten haben. Beim FCZ hatten wir einfach das Glück, die Champions League erreicht zu haben. Nur dank dem konnten wir das Betriebsjahr 2010 finanzieren und einen Verlust in bedeutender einstelliger Millionenhöhe decken.
25 Millionen hatten die Bruttoeinnahmen aus der Champions League betragen, 10 Millionen konnten Sie als Reserve anlegen . . .
. . . ja . . .
. . . und dieses Geld hilft Ihnen jetzt, eine Rechnung auszugleichen, die letztes Jahr ohne Geld aus dem Europacup defizitär war?
Unsere Reserven sind per Ende 2010 praktisch aufgebraucht. Wirtschaftlich ist dieses Stadion ein Fass ohne Boden. Von den Problemen mit den Stützen im vergangenen Frühjahr, vom Imageschaden, der damit verbunden war, von den Kosten, die uns daraus entstanden, will ich gar nicht erst reden.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass wir mit der Stadt eine einvernehmliche Lösung bei der Schadenregulierung finden.
Jetzt reden Sie wie ein Politiker. Aber was machen Sie, damit es nicht nur beim Wunsch bleibt?
Ich hoffe, dass wir nächstens mit dem Stadtrat sprechen können. Damit wir die Fakten auf den Tisch legen und aus unserer Sicht die Problematik darlegen können.
Mit welchem Ziel?
Man müsste den Mietvertrag auflösen und neu verhandeln.
Wie soll sich das Entgegenkommen der Stadt in Zahlen ausdrücken?
Solange wir nicht in einem neuen Stadion spielen können, wäre es fair, wenn man uns finanziell wirklich wesentlich entgegenkommen würde.
Wesentlich heisst: um die Hälfte der aktuellen 3 Millionen pro Jahr?
Konkrete Zahlen nenne ich nicht. Ich kann dafür über die Polizeikosten reden. Es heisst immer, uns sei eine Obergrenze von 500 000 Franken angeboten worden. Das stimmt, aber nur im Meisterschaftsbetrieb. Wenn wir nur schon drei Europacupspiele haben, steigen die Kosten auf 1,1 Millionen. Und für jedes weitere Spiel um 200 000 Franken.
Was ist, wenn die Stadt nicht hilft? Welche Konsequenzen kämen infrage?
Alle.
Also auch ein Auszug aus dem Letzigrund?
Ich hoffe nicht. Aber wir müssten uns sämtliche Möglichkeiten überlegen.
Ein Klub, der seine Stadt verlässt, verliert aber seine Wurzeln und geht kaputt.
Das sehe ich auch so, selbstverständlich. Darum ist es umso bedenklicher, dass wir in der Weltstadt Zürich in einer solchen Situation sind. Es geht schliesslich auch um die Grundsatzfrage: Will man in Zürich Profifussball? Ja oder nein?