Beitragvon Kobayashi » 09.08.05 @ 9:03
Hier übrigens noch ein Artikel aus dem Tagi von gestern (Quelle: fcz.ch):
Das ehrfürchtige Lachen des Lucien Favre
Lachen sieht man Lucien Favre nicht oft. Tut er es sogar nach einem Spiel seines FC Zürich, muss schon Aussergewöhnliches geschehen sein. Dabei war soeben die für ihn frustrierende Partie gegen Thun zu Ende gegangen, in der der FCZ in vorletzter Minute das Ausgleichstor zum 2: 2 hatte hinnehmen müssen. « Ja, ich bin enttäuscht, das ist klar » , sagte Favre.
Die Zürcher hätten Tabellenführer werden können, nun sind sie nach vier Runden Dritter. Warum der Trainer dennoch lachte? Er war auf Legia Warschau angesprochen worden, den Gegner der Zürcher in der Uefa- Cup- Qualifikation am kommenden Donnerstag. Und das Lachen war Ausdruck für seine Ehrfurcht vor dem polnischen Gegner. Favre war am Freitag nach Belchatow gereist, um die Warschauer bei deren 3: 0- Auswärtssieg zu beobachten.
Was er sah, hat ihn beeindruckt. Der Westschweizer sagte: « Es ist eine sehr gute Mannschaft, läuferisch sehr stark, mit viel Power in der Offensive. Oh, lá lá! » Auch wenn Favre gerne davon abgelenkt hätte, Legia Warschau war rasch nach dem Schlusspfiff am Samstag das Thema. Das Heimspiel gegen Thun war die Hauptprobe für den Uefa- Cup gewesen, an dem der FCZ erstmals seit der Saison 2000/ 01 teilnimmt ( out in der 1. Runde gegen Genk). Und diese Hauptprobe hätte Lucien Favre gerne gewonnen. Chancen dazu hatte seine Mannschaft auch zur Genüge gehabt. Nach der langweiligen ersten Halbzeit gelang kurz nach dem Wiederanpfiff Franco Di Jorio das 1: 0.
Er wurde von Alhassane Keita sehenswert angespielt und sah sich freistehend Thun- Hüter Eldin Jakupovic gegenüber. Hatte Di Jorio vor Wochenfrist bei der 1: 2- Niederlage in Basel eine noch bessere Gelegenheit kläglich vergeben, so machte er nun gegen Thun alles richtig und erzielte die Führung, die auf Grund der Spielanteile hochverdient war. Der FC Zürich gefällt. Er spielt je länger, je schöneren Fussball, kombiniert schnell, erarbeitet sich jeweils eine Vielzahl von Torchancen – auch gegen die Thuner. Nur nutzt er sie nicht – auch gegen die Thuner nicht. Und so kamen die Berner Oberländer ins Spiel zurück, das sie während langer Zeit aus dem eigenen Strafraum heraus beobachtet hatten.
Zürich half ihnen dabei. Denn – dies ist die Kehrchen FCZ- Spiels – wie zuvor gegen den FC Basel ermöglichte ein Eigenfehler dem Gegner die Chance: Nach einem hohen Ball auf Eren Sen stürmte Zürichs Goalie Davide Taini überhastet aus dem Tor und wurde vom Thuner prompt düpiert: Sen überlobte Taini, und in der Mitte köpfelte Nelson Ferreira ein. « Dieses Tor » , sagte Trainer Favre, « dürfen wir nie kassieren. » Wohl wusste er, dass es ein krasser Fehler seines Torhüters war. Weil Favre aber nie Einzelkritik übt, tat er es auch in diesem Fall nicht.
So ärgerlich das Gegentor gewesen war, so eindrücklich vermochte der FCZ zu reagieren: mit der neuerlichen Führung. Alain Nef erzielte mit einem spektakulären Flugkopfball das 2: 1 und schien den Zürchern den Sieg zu sichern. Doch wenige Sekunden vor der 90. Minute gelang dem eingewechselten Brasilianer Adriano das 2: 2 für Thun. Ein strammer Schuss aus 30 Metern ins rechte obere Toreck – bei dem jedoch wiederum Taini nicht von jeglicher Schuld freizusprechen ist: Er kam kaum von der Torlinie weg.
Weil aber jede vergebene Torchance faktisch ebenfalls ein Fehler ist, ist Taini gewiss nicht allein verantwortlich für die unnötigen Punktverluste. Keita etwa rannte und rannte und rannte, doch die Ineffizienz bleibt seine hartnäckigste Konstante. Der Trainer sagte dazu knapp: « Wir haben Chancen für das dritte Tor und müssen dieses dritte Tor machen.
Oder dann das 2: 2 nicht kassieren. » Spielerisch ist Favres Mannschaft stärker als vergangene Saison, und sie ist als Einheit gewachsen. Will der FC Zürich indes gegen Legia Warschau gewinnen und den aktuellen Tabellenvierten der polnischen Ekstraklasa aus dem Uefa- Cup eliminieren, so muss er die Chancen entscheidend besser verwerten, die sich ihm bieten. Und wenn das gelingt, könnte sich das seltene Bild wiederholen.
Denn vielleicht lacht Lucien Favre dann ja erneut.
Suchtrupp Bruno Manser
Sektion Üetliberg Hell