Das Vertrauen ist grundlegend zerrüttet
Der italienische Fußball ist am Ende. Der Feuerwerkskörper-Skandal im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand, der zum Abbruch der Champions-League-Begegnung zwischen den Stadtrivalen Inter und AC Mailand führte, ist nur ein weiterer trauriger Höhepunkt in der Geschichte des Niedergangs. Von Woche zu Woche gibt es neue Skandal-Meldungen aus der italienischen Serie A.
Da sind zunächst einmal die Schulden. Jahrelang finanzierten die Klubs ihre maßlos teuren Mannschaften auf Pump. Das brachte ihnen zwar europäische Titel ohne Ende, aber auch den Neid anderer Verbände ein, die in ihren Ligen strenge Lizenzierungsauflagen verfolgen, die diese Vereinspolitik niemals erlauben würden. So schaffte es Lazio Rom, die wahrscheinlich größte Skandalnudel im Fußball, in den Jahren 2002 bis 2004 Schulden von mehr als 150 Millionen Euro anzuhäufen. Insgesamt wurden die Verbindlichkeiten der Erstligisten auf über 600 Millionen Euro beziffert. Aber für solche Fälle hat Italien ja den geeigneten Ministerpräsidenten. Silvio Berlusconi, Besitzer und Präsident des AC Mailand, hat sämtliche Gerichtsbeschlüsse, die die skandalgeschüttelten Klubs an die Kandare gelegt hätten, außer Kraft setzen lassen. Der SSC Neapel, der seine Lizenz mit gefälschten Bankbürgschaften erwirkt hatte und deshalb gerichtlich in die 3. Liga relegiert worden war, profitierte von Berlusconis Notverordnung und blieb in der 2. Liga. Warum macht Berlusconi das? Hinter dem ehemaligen Klub von Maradona, Careca und Carnevale stehen weit über eine Million Fans und damit Wähler.
Fußball ist schon lange ein Politikum in Italien. Mit den Vereinen identifizieren sich Fans verschiedener politischer Couleur. SS Lazio Rom, der Klub aus dem Umland der italienischen Hauptstadt, ist der Klub der Nazis und Faschisten. Wenn, wie am vergangenen Wochenende, mit dem ASC Livorno ein Klub mit Fans aus dem linken Lager kommt, ist Ärger programmiert. Hakenkreuz-Flaggen im Stadion, "Duce, Duce“-Rufe während einer Schweigeminute für den Papst, Ausschreitungen in der Römer Innenstadt und 85 verletzte Polizisten – das war die Bilanz dieses Aufeinandertreffens zwischen Rechts und Links. Lächerliche 25.000 Euro Strafe muss Lazio für das Verhalten seiner 'Fans’ bezahlen.
Doch damit nicht genug. Selbst durch Dopingskandale, eigentlich klassische Domäne des Radsports, der Leicht- und Schwerathletik, gerät der italienische Fußball in die Schlagzeilen. Beim Rekordmeister Juventus Turin sollen zwischen 1994 und 1998 systematisch und im großen Stil EPO und andere unerlaubte Mittel verabreicht worden sein. Teamarzt Ricardo Agricola (im Bild oben) wurde mittlerweile zu 22 Monaten Haft verurteilt, obligatorische Doping-Kontrollen sollen eingeführt werden.
Den nächsten Skandal könnte es schon im CL-Viertelfinale am Mittwochabend im Spiel Juventus Turin gegen den FC Liverpool geben. Vor exakt 20 Jahren ereignete sich im Brüsseler Heysel-Stadion vor dem Finale im Pokal der Landesmeister eine Katastrophe, als Liverpool-Fans die Tifosi angriffen, diese gegen eine Mauer drängten, die einstürzte und 39 Fans unter sich begrub. Vor der Neuauflage dieser Begegnung riefen Fan-Gruppierungen mit Sprüchen wie "wir wollen euch in eurem Blut sehen" oder "den roten Tieren müssen alle Knochen gebrochen werden“ zu Rache auf. Beide Vereine sind zwar um Ausgleich und Versöhnung bemüht, doch die Liverpool-Fans sind vorsichtig. Nur 2.200 der 3.800 Gäste-Karten fanden Absatz in England.
Das Vertrauen in den italienischen Fußball und seine Funktionäre ist jedenfalls zerstört.
Quelle:
www.sport.de