Beitragvon Monteur » 08.07.22 @ 12:58
Entscheide des BundesgerichtsBeschwerden gegen Zürcher Stadion abgewiesen – gehts jetzt vorwärts?
Zwei Stimmrechtsbeschwerden gegen die Volksabstimmung vom September 2020 sind vom Tisch. Die heiklen Punkte des Vorhabens kommen aber erst.
Pascal Unternährer
Pascal Unternährer
Publiziert heute um 12:00 Uhr
Nach knapp zwei Jahren ist zumindest klar, dass die Stadionabstimmung rechtens war.
Nach knapp zwei Jahren ist zumindest klar, dass die Stadionabstimmung rechtens war.
Visualisierung: Nightnurse Images, Zürich
«Ein Baubeginn wäre schon 2022 möglich.» Das schrieben die Abstimmungsgewinner, nachdem 59,1 Prozent der Stadtzürcher Stimmenden am 27. September 2020 das «Go» gaben für das neue Fussballstadion, einen angrenzenden Genossenschaftsbau und zwei Hochhäuser auf dem Hardturmareal.
Die Clubs, der FC Zürich und die Grasshoppers, freuten sich, die meisten Fans auch. Es winkt eine reine Fussballarena mit 18’000 Plätzen und steilen Rampen für die beiden Zürcher Spitzenclubs, die das Stadion auch aus finanziellen Gründen unbedingt brauchen. Und es winken knapp 800, teils günstige Wohnungen für 1500 Menschen.
Die beiden Wohntürme neben dem Stadion sind mit 137 Metern die höchsten Gebäude der Stadt, wenn sie gebaut werden.
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Die beiden Wohntürme neben dem Stadion sind mit 137 Metern die höchsten Gebäude der Stadt, wenn sie gebaut werden.
Visualisierung: Nightnurse Images, Zürich
«Wäre» war in der erwähnten Mitteilung das entscheidende Wort, wie man längst weiss. Gebaut wird noch nicht.
Gegner scheitern auf der ganzen Linie
Ein Gegner hatte sich schon vor dem Abstimmungstermin aufs juristische Parkett begeben und eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht. Und drei weitere Personen taten dasselbe gut vier Monate nach der Abstimmung, allerdings mit einer anderen Begründung.
Alle sind nun vor Bundesgericht gescheitert. In den Urteilen vom 17. Juni hat ein Dreiergremium des Lausanner Gerichts beide Beschwerden abgewiesen. «Das Recht der Stimmberechtigten auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe wurde nicht verletzt», schreiben die Bundesrichter.
Sicherheit wird bemängelt
Der erste Beschwerdeführer ist der in der Stadt Zürich wegen seiner Umtriebigkeit bekannte Peter-Wolfgang von Matt. Er hatte bemängelt, dass Fragen der Sicherheit rund um Hochrisikospiele in der Abstimmungszeitung zu wenig Beachtung gefunden hatten. Dem hält das Gericht entgegen, dass das Sicherheitskonzept für Risikospiele bereits in der Abstimmungszeitung von 2018 thematisiert worden war. Die Stimmberechtigten hatten sich also bereits in der ersten Abstimmung zum Stadionprojekt «Ensemble» zwei Jahre zuvor kritisch mit diesem Aspekt auseinandersetzen können.
Auch diese Abstimmung im November 2018 hatten die Stadionpromotoren gewonnen, damals mit 53,8 Prozent Ja-Stimmenanteil. Damals ging es inhaltlich um die Baurechtsverträge für das Stadion. Die Stimmberechtigten hätten mit ihrem Ja der Nutzung und dem Betrieb des Stadions zugestimmt, schreibt das Gericht.
Gericht verweist auf klares Resultat
Die zweite Beschwerde von drei Privatpersonen thematisierte eine angebliche Täuschung der Stimmberechtigten. Im Februar 2021 schrieb diese Zeitung über Pläne der Stadt, in einem der beiden geplanten Hochhäuser eine Schule und zwei Turnhallen unterzubringen. Das war am Abstimmungstermin noch nicht bekannt. Dazu schreibt das Gericht, dass zur Schule noch kein Entscheid gefallen ist, noch immer handle es sich nur um eine Absicht der Stadt. Der Gemeinderat müsste einen entsprechenden Entscheid noch fällen, der wiederum referendumsfähig wäre, also dem Stimmvolk vorgelegt werden könnte.
18’000 Plätze soll das neue Stadion fassen.
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18’000 Plätze soll das neue Stadion fassen.
Visualisierung: Nightnurse Images, Zürich
«Im Übrigen» verweisen die Bundesrichter auf die Differenz von mehr als 18 Prozentpunkten Ja-Stimmen gegenüber den Nein-Stimmen in der Abstimmung von 2020. Deshalb sei «nicht davon auszugehen, dass die Abstimmung im Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn die mit den Beschwerden verlangten zusätzlichen Informationen in der Abstimmungszeitung aufgeführt worden wären».
Elf Monate für Entscheid
Das Bundesgericht bestätigte damit die Entscheide der Vorinstanzen. Bereits der Bezirksrat Zürich und das kantonale Verwaltungsgericht hatten die Beschwerden abgeschmettert. Ersterer notabene nach einer Zusatzschlaufe, weil beim ersten Entscheid ein Bezirksratsmitglied in den Ferien war, was das Bundesgericht in einem Zwischenentscheid prompt bemängelt hatte.
Das Bundesgericht hat sich Zeit genommen für seinen zweiten Entscheid. Zwischen dem Verwaltungsgerichtsurteil und diesem liegen elf Monate. Das honoriert Beschwerdeführer Peter-Wolfgang von Matt: «Das Bundesgericht hat sich gewissenhaft mit meiner Beschwerde auseinandergesetzt», schreibt er in einer Stellungnahme. Er respektiere nun seine Niederlage «ohne Wenn und Aber».
«Nach der deutlichen Zustimmung an der Urne war die rekursbedingte Verzögerung umso ärgerlicher.»
Stadtrat André Odermatt
Seine Sicherheitsbedenken seien allerdings nicht verschwunden, so von Matt. Er mache sich weiterhin Sorgen um die Bewegungsfreiheit der Anwohnenden während der Spiele und fragt sich, wie verhindert wird, dass verfeindete Fangruppen aufeinandertreffen.
Anders sieht dies Stadtrat André Odermatt (SP). «Zürich will das neue Stadion. Nach der deutlichen Zustimmung an der Urne war die rekursbedingte Verzögerung umso ärgerlicher» – so lässt sich der Hochbauvorsteher in einer Mitteilung zitieren.
«Ein Elend», «bodenlos verärgert»
Können die Stadionbauer nun loslegen? Nein. Man hatte mit einer raschen Erledigung der Stimmrechtsbeschwerden gerechnet, bevor die mutmasslich heikleren Punkte, also die planerischen und baulichen Fragen, allenfalls in die juristische Mühle kommen. Nun sind bereits fast zwei Jahre vergangen. Das sei «ein Elend», kommentierte GC-Vizepräsident Andras Gurovits einmal. FCZ-Präsident Ancillo Canepa zeigte sich «bodenlos verärgert».
Das Stadionareal soll auch ausserhalb der Spieltermine belebt sein.
Das Stadionareal soll auch ausserhalb der Spieltermine belebt sein.
Visualisierung: Nightnurse Images, Zürich
Der Gestaltungsplan, um den es bei der zweiten Stadionabstimmung ging, kann nun zwar zügig vom Regierungsrat genehmigt werden, was gemäss Einschätzung des Kantons noch vor den Herbstferien der Fall sein sollte. Gegen den darauf vom Stadtrat festgelegten Plan kann aber erneut rekurriert werden. Hier geht es um Themen wie die Höhe der Türme (137 Meter), Umweltverträglichkeit, Städtebau oder Schattenwurf. Rekursberechtigt sind Verbände wie der VCS oder der Heimatschutz sowie Anwohnende oder Betroffene, etwa im benachbarten Quartier Höngg. Werden wieder alle Instanzen angerufen, kann dies zwei Jahre oder noch länger dauern.
2025 – oder erst 2030?
Erst nach Rechtskraft des Gestaltungsplans kann der Stadtrat die Baubewilligung erteilen, die abermals durch drei Instanzen gezogen werden kann. Rekursberechtigt sind aber nur noch Direktbetroffene wie Anwohner. Auch sind die Rekursthemen eingeschränkt, da vieles im Gestaltungsplan geregelt ist. Es braucht neue Ansätze oder Argumente.
Doch selbst wenn Rekurrierende keinen Erfolg haben und die Investoren der Credit Suisse und der Bauunternehmung HRS weiterhin am Bau von Stadion und Wohnhäusern interessiert sind, kann es bis zum Baustart also Jahre dauern. Im besten Fall könnten die Bagger um 2024 auffahren, im schlechtesten wohl erst um 2028 oder 2029.
Die Hardturm-Stadionbrache bleibt wohl noch lange eine Brache.
Die Hardturm-Stadionbrache bleibt wohl noch lange eine Brache.
Archivfoto: Andrea Zahler
Die Stadionpromotoren rechnen für die Credit Suisse-Arena, wie das Stadion heissen soll und vom Ensemble als erstes gebaut würde, mit einer Bauzeit von einem guten Jahr. Erster Anpfiff auf dem Rasen wäre also im Jahr 2025 – oder eben erst 2030. Bis die Genossenschaftssiedlung fertig gestellt ist, würde es etwa zwei Jahre gehen. Für die beiden Türme rechnen die Investoren mit einer Bauzeit von drei Jahren.
Urteile: 1C_468/2021 und 1C_473/2021
Pascal Unternährer ist Redaktor im Ressort Zürich Politik & Wirtschaft. Seit 2012 berichtet er vor allem über politische Themen aus der Stadt und dem Kanton Zürich. Zuvor war er 12 Jahre lang ausschliesslich beim Winterthurer «Landboten» tätig.Mehr Infos
@pu20000
Publiziert heute um 12:00 Uhr