Beitragvon Tschik Cajkovski » 28.05.16 @ 9:43
heute aus der nzz, vom flurin clalüna:
(gleich zweimal, und wie oft eine der wenigen objektiven journalisten stimme in letzter zeit wenn es um den fcz und a. canepa geht):
Abrechnen mit den Canepas
Flurin Clalüna ⋅ Wer so viele Fehler begeht wie der FCZ-Präsident Ancillo Canepa in dieser Saison, muss mediale Kritik aushalten können, harte Kritik auch. Was er aber nicht ertragen muss, ist: verhöhnt, diffamiert oder lächerlich gemacht zu werden. Die Kritik gegenüber dem Ehepaar Canepa ist längst ins Persönliche gekippt, Kommentare werden zu Abrechnungen. An die Stelle von Analyse ist Empörungs-Journalismus getreten. «Experten» verbreiten, es sei «tödlich», dass Canepas Frau auch seine Beraterin sei. Das ist eine fast schon mittelalterliche Argumentation. Und es werden Zusammenhänge hergestellt, die nicht zulässig, sondern nur effekthascherisch sind: Im «Tages-Anzeiger» steht zum Beispiel: «FCZ-Präsident Ancillo Canepa investiert sein Geld am liebsten in die hohen Saläre seiner Fehleinkäufe. Für die Sicherheit im Stadion nimmt er seine Verantwortung nicht wahr.» In den letzten Tagen ist medial eine Atmosphäre erzeugt worden, die auch ins Stadion übergeschwappt ist. Canepa wurde am Freitag gefragt, ob er Angst gehabt habe. Die vermummten Fans, die in die Katakomben eindrangen, hatten offenbar auch bewusst nach ihm gesucht.
Und am Freitag ist nun auch noch die Werbung aufgesprungen – jetzt wo sie am Boden liegen, darf man mit den Canepas offenbar alles machen. Im «Blick» erschien das Inserat einer Firma, die Lagerräume anbietet. Im Inserat steht neben einem grossen Bild von Ancillo Canepa: «Liebe FCZ-Fans: Ihn könnt ihr leider nicht einlagern. Aber alles andere
Die gleichen Bilder finden sich auf der Firmen-Homepage – ohne dass der FCZ oder Canepa die Bilder freigegeben hätten. Dass sich Ancillo Canepa am Freitag über mangelndes Fairplay beklagt und über Respektlosigkeit beschwert hat: Man kann ihn verstehen.
CANEPA NACH DEM ABSTIEG DES FC ZÜRICH
Guter Wille allein genügt nicht
Es ist eine Art Canossagang für Ancillo Canepa, als er an diesem Freitag vor die Medien tritt. Viele erwarten, dass er nach dem Abstieg Asche auf sein Haupt streut, vielleicht sogar zurücktritt. Aber Canepa ist immer noch Canepa, er ist kämpferisch, und er denkt nicht daran aufzugeben. Dass er als Präsident des FC Zürich weitermachen wird, zeigt seinen Durchhaltewillen und verhindert, dass der Verein in ein Führungsvakuum fällt. Das ist sein Verständnis von Verantwortung. Den FCZ wird es weiterhin geben; Canepa gibt ihm eine Perspektive zum Wiederaufstieg und damit eine Zukunft. Er wird sie bezahlen, und er wird sie weiterhin gestalten wollen.
Aber Canepa ist auch betroffen, er fühlt sich zwar nicht allein schuldig, doch er zeigt ein gewisses Mass an Demut. Ob er bloss unter dem Eindruck des Abstiegs steht oder ob er aus tiefer Einsicht handelt, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Denn Canepa zeigt guten Willen, vermutlich sogar den Reformwillen, seine alleinige Macht zu brechen.
Noch sind es nicht viel mehr als Absichtserklärungen, Canepa räumt Fehler in der Vergangenheit ein, ohne sie zu benennen, er spricht von neuen Strukturen, ohne sie zu konkretisieren. Aber dass er es überhaupt tut, ist schon viel für jemanden wie ihn, dem es schwerfällt, über den eigenen Schatten zu springen. Jahrelang sagte man Canepa nach, er sei beratungsresistent. Nun zieht er Experten von aussen bei, um den Verein zu durchleuchten – Experten, die Distanz zum FCZ haben und zu Canepa selber. Das alles sind Anzeichen, dass er daraus Lehren gezogen hat und weitere ziehen wird. Viele seiner Pläne liegen noch im Vagen, aber zwei Tage nach dem Abstieg mehr zu erwarten, wäre vermessen. Jetzt schon Namen zu nennen oder neue Organigramme zu präsentieren – es wäre nur Aktionismus zur Beruhigung der Öffentlichkeit.
Canepa hat es zwar nicht offen ausgesprochen, aber immerhin mehr als nur angedeutet: Er wird die erste Forderung seiner Kritiker erfüllen und einen Sportchef anstellen. Man kann davon ausgehen, dass bald mehr sportliche Kompetenz in den Verein fliessen wird, aber gleichzeitig muss man sich auch nichts vormachen: Canepa wird ein operativer Präsident bleiben, er wird mitreden und mitentscheiden – überall, wo er sich kompetent fühlt, also in sehr vielen Bereichen.
Entscheidend wird sein, ob und wie er sich im Alltag zurücknehmen kann, und vor allem wie er das Verhältnis zu seinem neuen sportlichen Leiter gestaltet. Wenn es Canepa gelingt, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen so wie früher mit dem Sportchef Fredy Bickel, kann Gutes aus ihr entstehen. Denn Canepa war nicht immer ein Alleinherrscher. Sechs Jahre lang hatte er mit Bickel meist einvernehmlich zusammengearbeitet und ihm Raum zur Entfaltung gelassen. Es war eine erfolgreiche Zeit für den FCZ.
Nun aber müsste Canepa etwas von seiner Macht abgeben, und das ist nicht einfach, wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hat. Daran wird er in den nächsten Monaten gemessen werden: ob er nicht nur zupacken, sondern im richtigen Moment auch loslassen kann. Ob er Menschen wieder mehr vertrauen kann, ob er starke Figuren um sich herum duldet. Guter Wille allein genügt nicht.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk