Beitragvon Tschik Cajkovski » 18.04.15 @ 9:24
Interview mit Canepa (aus der NZZ):
«Auch wenn wir absteigen»
Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa spricht dem Trainer Urs Meier das Vertrauen aus
Trotz den vielen Problemen sei die Stimmung im Verein sehr gut, sagt Canepa. Die Wahl Yassine Chikhaouis zum Captain hält er nach wie vor für richtig.
Ancillo Canepa, wir behaupten, Sie erleben gerade die schwierigste Zeit als Präsident des FC Zürich.
Nein, das stimmt nicht.
Nicht? Der FCZ hat sportliche Probleme. Er hat den Torhüter David Da Costa degradiert. Er hat zwei Captains nach roten Karten verloren. Und er hat Fans, die vor einer Woche in Basel für Ausschreitungen verantwortlich waren
Die Situation im Jahr 2012 war schwieriger. Damals hatten wir strukturelle Probleme, auch mit dem damaligen Verwaltungsrat. Was wir heute erleben, ist eine sportlich unbefriedigende Situation.
Wir haben den Eindruck, das ganze System des FC Zürich sei in sehr kurzer Zeit in Schieflage geraten.
Auch das stimmt nicht. Was da alles von offensichtlich unwissenden Personen hineininterpretiert wird, ist schon erstaunlich. Die Stimmung im Verein wie auch im Team ist grundsätzlich sehr gut. Einzig die sportlichen Ergebnisse liegen uns auf dem Magen.
Wenn also alles gut ist . . .
Ich habe nicht gesagt, alles sei gut. Wie gesagt: Der sportliche Erfolg fehlt. Deshalb werden auch Dinge aufgebauscht, die wir intern ganz anders erleben.
Ist es also normal, dass sich Spieler anonym bei Zeitungen melden und sich über den Trainingsbetrieb beschweren?
Das ist eine Behauptung. Haben Sie Beweise dafür?
Es stimmt also nicht?
Unseres Wissens ist das nicht passiert.
Ein wiederkehrendes Problem sind die Fan-Ausschreitungen wie am letzten Sonntag in Basel.
Das beschäftigt mich momentan am meisten. Ich spüre eine grosse Frustration und eine gewisse Ratlosigkeit. Nun heisst es wieder, die Klubs unternähmen zu wenig. Das ärgert mich. Wir haben zum Beispiel knapp 200 Stadionverbote ausgesprochen, allein 30 vor zwei Monaten gemeinsam mit dem Fussballverband. Sobald wir die Personalien der Verantwortlichen haben, handeln wir. Aber in der Schweiz ist es unter den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht einfach, die Personalien zu bekommen. Und bis ein Täter verurteilt wird, dauert es unendlich lange.
Dem FCZ ist es nicht gelungen, die Zurückstufung Da Costas schlüssig zu erklären. Sie haben sportliche Gründe angeführt. Das erscheint unglaubwürdig.
Aus unserer Sicht haben wir kommuniziert, was es zu kommunizieren gab.
Sie finden also, alles sei gut gelaufen?
Fakt ist: Wir haben einen Wechsel auf der Goalie-Position vorgenommen. Wie man das kommuniziert, darüber kann jeder seine eigene Meinung haben.
Als Präsident können Sie doch nicht glücklich sein darüber, wie sich der FCZ an einer Pressekonferenz zum Fall Da Costa präsentiert hat.
Die Medien sind nie zufrieden. Es ist offenbar für einige auch schwierig zu akzeptieren, dass Interna intern bleiben.
Wäre es nicht glaubwürdiger gewesen zu sagen: Es gibt interne Gründe für Da Costas Zurückstufung. Über deren Inhalt äussern wir uns nicht. Warum hat man sportliche Gründe vorgeschoben?
Weil es primär sportliche Gründe sind. Yanick Brecher ist nach dem Weggang von Roman Bürki und Yann Sommer das grösste Goalie-Talent in der Schweiz. Es war immer klar, dass wir ihn vom FC Wil zurückholen würden.
Haben Sie daran gedacht, selber an der Medienorientierung teilzunehmen?
Wenn ich jede Änderung in der Mannschaftsaufstellung kommentieren müsste, dann wäre ich an jeder Pressekonferenz dabei. Es ging um eine interne Umstellung. Klar, die Torhüterposition ist speziell. Aber auch ein Goalie ist nur einer von elf.
Der Trainer Urs Meier kam uns alleingelassen vor an dieser Pressekonferenz.
Ich möchte Sie sehen, wie Sie sich verhalten, wenn Sie vor einer grossen Anzahl Journalisten stehen, die einem nicht gerade wohlwollend gesinnt sind und primär das Negative suchen. Als wir im November 2012 den Trainer Rolf Fringer entliessen, habe ich aus Rücksichtnahme auf Fredy Bickel alleine vor über dreissig Journalisten kommuniziert. Dann hiess es: Weshalb macht das nicht der Sportchef? Man kann es machen, wie man will: Journalisten finden immer einen Grund zur Kritik. Damit kann ich leben.
Wir behaupten, der FCZ hatte Angst vor juristischen Konsequenzen, wenn er Da Costas Zurückstufung anders als nur mit sportlichen Gründen gerechtfertigt hätte.
Das ist Ihre Interpretation. Ich sage nur: Brecher ist ein hervorragender Goalie mit einer grossen Zukunft beim FCZ.
Niemand sagt, Brecher sei kein guter Torhüter. Es geht um den Zeitpunkt.
Im Grundsatz war das kein Ad-hoc-Entscheid. Aber klar, über den Zeitpunkt kann man sich streiten.
Sie kümmern sich neben Sportfragen auch um politische und wirtschaftliche Themen. Überfordern Sie sich nicht?
Das bin doch nicht ich allein. Man will es einfach nicht begreifen: Wir haben Teams - für den Sport, für das Kaufmännische, für den Nachwuchs . . .
. . . und überall sind Sie der Chef.
Was heisst Chef? Dass ich überall involviert bin, ist ein legitimer Anspruch. Wir stellen die Weichen gemeinsam. Ich weiss nicht, was für Vorstellungen Sie haben, wie ein KMU funktioniert. Es ist einfach naiv, anzunehmen, dass einer allein alles bestimmt. Aber auch bei normalen Familienunternehmen ist der Patron bei allen wichtigen Entscheiden involviert. So ist es auch beim FCZ.
Wäre es nicht klüger, sich auf das Wirtschaftliche zu konzentrieren und den Sport Fachleuten zu überlassen?
Die Sportchef-Funktion, so wie ich sie interpretiere, ist komplex. Den Sportchef, der sich nicht nur im Fussball, sondern auch in geschäftlichen, rechtlichen, steuerlichen und verbandsrechtlichen Fragen wirklich auskennt, habe ich in der Schweiz noch nicht getroffen. Deshalb haben wir beschlossen, diese Aufgabe aufzuteilen. Das funktioniert gut.
Sie werden für Ihre Machtfülle kritisiert. Spüren Sie öffentlichen Widerstand?
In meinem täglichen Leben spüre ich das nicht. Im Gegenteil: Wir werden eher gelobt für kurze Entscheidungswege. Dass es immer wieder Leute gibt, die kritisch sind und über die verschiedenen Internet-Medien ihre Meinung kundtun, ist Teil des Geschäfts.
Der FC Zürich ist Mitte Februar mit einem 4:1 gegen St. Gallen in die Rückrunde gestartet. Was ist dann passiert?
Wir hatten sicherlich das trügerische Gefühl, wir seien gut gestartet. Danach haben sich die Schwierigkeiten kumuliert: Die Spieler, die vom Afrikacup zurückkamen, waren nicht in Form, Schlüsselspieler wie Kukeli und andere haben sich verletzt, andere sind in ein Formtief gefallen. Ein Hauptgrund für unsere Probleme ist aber auch, dass man im November Gilles Yapi schwer verletzt hat. Er war der strategische Chef des Teams. Wie er und Kukeli agierten, war internationale Klasse. Yapis schwere Verletzung hat uns alle psychologisch und auch menschlich sehr getroffen.
Das Team macht einen verunsicherten Eindruck. Am vergangenen Sonntag hat nach Chikhaoui auch Chiumiento als zweiter Captain innerhalb eines Monats die rote Karte bekommen.
Natürlich dachte ich in dem Moment, das dürfe nicht wahr sein. Ausgerechnet Chiumiento, der ein Schlüsselspieler hätte sein sollen in dieser Partie.
Haben Sie irgendwann gedacht, Sie hätten im Sommer einen anderen Captain als Chikhaoui ernennen sollen?
Es ist interessant: Zuerst werden wir kritisiert für den Entscheid, nach drei, vier Monaten sind wir Erster, und man lobt uns für die kluge Wahl. Und jetzt kommt wieder die Frage, ob es wirklich intelligent war. Wir ziehen das durch und hinterfragen das jetzt sicher nicht.
Also war es ein guter Entscheid? Ist er auch ein Captain für schwierige Zeiten?
Yassine hat einen sehr guten Einfluss auf die Mannschaft. Vielleicht merkt man das nicht, wenn man das nur von aussen zu beurteilen hat.
Wie oft ist Chikhaoui schon zu Ihnen gekommen und hat um Sonderbehandlungen wie zusätzliche Freitage gebeten?
Noch nie in all den sieben Jahren ist Yassine mit so einem Anliegen zu mir gekommen. Er geht zum Trainer, und der entscheidet selber oder gelegentlich in Absprache mit mir.
Waren die paar Tage, die Chikhaoui in Tunesien war, mit Ihnen abgesprochen?
Nur mit dem Trainer. Ich habe erst im Nachhinein davon erfahren. Und so muss es sein.
Wenn wir beim Trainer sind: Schafft er den Umschwung?
Wir sind ein Team, im sportlichen Erfolg wie im Misserfolg. Wir werden gemeinsam aus der Situation herauskommen.
Sie gehen mit ihm in die neue Saison?
Mit Sicherheit.
Unabhängig davon, was in dieser Saison noch passiert.
Auch wenn wir absteigen (lacht).
Interview: Flurin Clalüna, Christine Steffen
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