Beitragvon Z » 11.07.13 @ 7:28
Mit Tempo ins Zürcher Abenteuer
Von Peter M. Birrer,. Aktualisiert vor 54 Minuten
Der israelische Nationalspieler Avi Rikan ist einer von drei Neuen beim FCZ, der am Sonntag gegen Thun in die Saison startet. Der 24-jährige Mittelfeldspieler zeigt keine Berührungsängste, dafür Lust auf grosse Erfolge.
Das Haar ist modisch gestylt, an den beiden Ohrläppchen fällt der Schmuck auf, und die Laune ist prächtig. Avi Rikan sitzt in kurzen Hosen und mit wachem Blick vor einem Teller Pasta, gut gewürzt mag er die Teigwaren am liebsten, dann reiht er eilends ein deutsches Wort ans andere: «Links, rechts, Eingang, Ausgang, en Guete, weiter, raus, danke.» Es ist sein Repertoire nach ein paar Tagen in Zürich. Und auf Englisch fährt er fort: «Ich lerne sehr schnell.»
Das beschränkt sich nicht nur auf die Sprache. Rikan, der mit vollem Vornamen Avraham heisst, aber Avi gerufen werden will, hat sich gut informiert über die Super League. Er kennt nicht nur Basel, sondern auch Thun («ein sehr gut strukturiertes Team»), der Modus ist ihm ebenfalls geläufig. Auf einmal verlässt er den Fussball und redet von verschiedenen Kantonen, womit er zum Ausdruck bringt, dass er wissen will, wie die Schweiz organisiert ist. «Ich bin in erster Linie hier, um Fussball zu spielen», sagt er, «aber mich interessieren meine Umgebung, das System und die Leute, mit denen ich zu tun habe.»
Meier: «Er kann wehtun»
24 ist der Mann aus Israel, dem sich in der Liga die Möglichkeit bot, bei einem der Topclubs in Tel Aviv einen gut dotierten Vertrag zu unterschreiben. Aber ihn zog es fort, nicht nur aus Jerusalem und seinem Club Beitar, sondern auch aus seinem Heimatland. Er suchte eine Luftveränderung, «eine neue Herausforderung in einem neuen Land, am liebsten in Westeuropa». Sein Agent Meier Rifman bat William Wyler, einen Freund aus der jüdischen Gemeinde in Zürich, mit Rikans Bewerbungsdossier beim FCZ vorstellig zu werden.
Was die Verantwortlichen zu sehen bekamen, überzeugte sie schnell. «Das ist der Spieler, den wir brauchen: läuferisch stark, kreativ, aber auch aggressiv», sagte sich der technische Direktor Marco Bernet. Teammanager Massimo Rizzo dachte schnell: «Er kann ein Glücksfall für uns werden.» Und Trainer Urs Meier fügte an: «Er hat die Qualität, um uns weiterzubringen. Er ist zwar nicht der Grösste, kann dem Gegner aber ziemlich wehtun.» Rikan, nur 1,71 Meter gross, hört das zwar gerne, sagt aber auch: «Ich sollte nicht zu viel reden, bevor ich etwas geleistet habe.»
Rikan will keine Kopie sein
Seine Geschichte fängt in Ma’ale Adumim an, einer Stadt östlich von Jerusalem. Als Knirps entdeckte er den Fussball, und die Leidenschaft liess ihn nicht mehr los, obwohl er nicht aus einer fussballverrückten Familie stammt. Rikans Vater kickte in der Freizeit, sein jüngerer Bruder kann mit dem Sport nichts anfangen. Einen Jugendhelden gab es so wenig wie eine Lieblingsmannschaft, ihm reichte das Spiel mit Kollegen, um zufrieden zu sein.
Und Rikan hatte dauernd Lust zu spielen, obwohl ihn die Mutter wiederholt mahnte, die Schule nicht zu vernachlässigen. Sobald er auf dem Platz stand, gab es für ihn nur ein Ziel: den Sieg. Vor dem Wettkampf scheute er sich nie. Er wollte schneller sein als alle anderen, besser schiessen als sie oder länger rennen können. Er war getrieben von Entschlossenheit und Ehrgeiz, der sich heute selbst bei einem Brettspiel bemerkbar macht. «Der Wettkampf stachelte mich immer an», sagt Rikan. Mit elf Jahren wechselte er von seinem Stammclub ins nahe Jerusalem, er galt als hoffnungsvolles Talent, das beharrlich seinen Weg ging und den Sprung in die Profiabteilung schaffte. Aber als Beitar teure Namen einkaufte, war für den jungen Rikan plötzlich kein Platz mehr. Er wurde nach Herzliya geschickt und zu Petah Tikva, es war wie eine zweijährige Lehre bei der Konkurrenz. Gestärkt kehrte er nach Jerusalem zurück. Stieg zum Nationalspieler auf. Und bemühte sich stets um seinen eigenen Stil: «Es macht keinen Sinn zu versuchen, jemanden zu kopieren.»
Rikan, ein Linksfüsser und Rechtshänder, will auch in Zukunft authentisch bleiben, sein neues Umfeld soll das auch merken. Integrationsschwierigkeiten gab es bislang keine, weil er keine Berührungsängste kennt. «Ich suche den Kontakt mit den Leuten», sagt er. Das ist mit ein Grund, warum er sich nach einer Wohnung mitten in der Stadt umschaut: «Ich will ein Teil von Zürich werden.» Ein Bedürfnis ist es ihm, seine Sprachkenntnisse so auszubauen, dass er sich bald auf Deutsch unterhalten kann. Sobald seine Frau Maajan bei ihm ist, werden sie gemeinsam Unterricht nehmen.
750 Gäste an der Hochzeit
Rikan ist mit viel Tempo unterwegs, diesen Anschein erweckt er jedenfalls. Beflügelt hat ihn das private Glück, als er im Juni mit 750 Gästen in Jerusalem zuerst seine Hochzeit feierte und das Fest nach Tradition an den sechs folgenden Abenden mit Freunden und Bekannten fortführte. Nebenbei trainierte er nach Plan des FCZ, «schliesslich», sagt er, «ist mein Körper mein Kapital». Er fühlt sich gewappnet für die neue Aufgabe, er signalisiert dem Trainer Bereitschaft für den Saisonauftakt am Sonntag gegen Thun. Die Vielseitigkeit ist sein Vorteil: Rikan ist einer fürs Mittelfeldzentrum, kann aber auch auf der linken Seite verteidigen. Auf jeden Fall will er eine Verstärkung sein: «Mit meinen 24 Jahren bin ich in dieser Mannschaft kein Junger mehr.»
Das Abenteuer fernab der Heimat hat sich für ihn vorzüglich angelassen, und das beruhigt auch seine Familie in Ma’ale Adumim: «Sie sind glücklich, wenn es mir gut geht. Und mir geht es sehr gut.» Die Eltern und die zwei Geschwister sollen Rikan künftig bei der Arbeit regelmässig zuschauen können: Ein israelischer Bezahlsender plant, die Spiele mit FCZ-Beteiligung zu übertragen. Rikan sehnt sich nach dem Start, er freut sich auf die Bühne der Europa League, und wenn es um eine Prognose für die neue Saison geht, kommt ganz der Wettkämpfer in ihm zum Vorschein: «Ich bin hier, um Erfolg zu haben.» Und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Mein Favorit heisst FCZ.»
(Tages-Anzeiger)