Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

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Zürcher Südkurve
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Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Zürcher Südkurve » 29.01.12 @ 10:09

Im Rahmen einer Task Force beteiligte sich die Zürcher Südkurve an der Suche von Lösungsansätzen in der Pyrofrage. Die ernüchternde Bilanz eines lange Zeit konstruktiven Dialogs: Nulltoleranz!

Im September 2010 wurde in Zürich die Task Force "Sport ohne Gewalt" ins Leben gerufen. Das Teilnehmerfeld erstreckte sich von Polizisten und Staatsanwälten über Vertreter des Sportamts der Stadt Zürich bis zu Vereinsfunktionären, Fanarbeiter und Fanvertreter. Die Task Force wurde in die Arbeitsgruppen „Sicherheit“ und „Prävention“ untergliedert, wobei wir, die Zürcher Südkurve, in der Präventionsgruppe Einsitz nahmen. Das Ergebnis der Task Force fällt aus unserer Sicht zutiefst ernüchternd aus: Schien lange ein kontroverser aber lösungsorientierter Dialog auf Augenhöhe unter Einbezug auch unpopulärer und unkonventioneller Denkansätze stattzufinden, so setzte sich am Ende ein eindimensionales Sicherheitsdenken durch. Die alte Task Force wurde quasi aufgelöst und eine neue Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, deren einziger Zweck in der Ausarbeitung einer „Strategie zur Umsetzung der Nulltoleranz in Sachen Pyro“ besteht. Fanarbeiter und Fanvertreter sind in dieser Arbeitsgruppe nicht mehr erwünscht und die über Monate hinweg in mühsamer Kleinarbeit ausgearbeiteten Konzepte der Gruppe „Prävention“ wurden pauschal als untauglich verworfen. Stattdessen werden vermutlich altbekannte und mehrfach gescheiterte Massnahmen präsentiert, um dem "Pyroproblem" Herr zu werden:

- Identifizierung sämtlicher Matchbesucher
- Verbot von Schwenk- und Zaunfahnen
- Verbot von Doppelhaltern

- Ans Erscheinungsbild geknüpfte Zutrittsvoraussetzungen

- Spielunter- bzw. abbruch bei Verwendung von Pyrotechnik
- Kurvenstürme durch die Polizei
- Kurvenstürme durch private Sicherheitsdienste
- Hohe Ausgaben für neue Videoüberwachung

Wir sind entschieden der Auffassung, dass ein immer repressiverer Weg mit immer mehr Vorschriften, Verboten, Kontrollen und Kollektivstrafen in eine Sackgasse führen wird. Dies lehren uns Erfahrungen aus der Vergangenheit: Die immer wieder geforderten „verschärften Eingangskontrollen“ zum Beispiel, führten insbesondere vor den Sektoren der hochgelobten modernen Stadien zu unhaltbaren Zuständen, einer aggressiven und militarisierten Grundstimmung und echten Gefährdungssituationen, wie z.B. massenpanikartigen Tumulten. Einige repressive Lösungsansätze wie zum Beispiel die im Abstimmungskampf mit Krawallbilder aus Belgrad propagierte Datenbank GAMMA existieren heute nicht mehr. Und Ligapräsidenten, die mit Statements wie „ich will in einem Jahr keine einzige Pyro mehr in den Stadien sehen“ den Goodwill der Medien auf sich zogen, sind nach zwei Jahren Amtszeit von der Bildfläche verschwunden.
Es würden sich noch unzählige weitere Beispiele für das Fehlschlagen bestimmter Massnahmen oder das Scheitern bestimmter Exponenten, die ebensolche Massnahmen propagierten, aufführen lassen. Der Kurs der verschärften Repression und der Ankündigungspolitik wird nun schon seit Jahren, seit dem Zuschlag für die Euro 2008 gefahren, ohne dass er auch nur eine der beteiligten Interessengruppen zufrieden gestellt hätte – weder Vereine noch Fans, weder Verband noch Behörden. Dass sich dennoch immer wieder Vorreiter finden lassen, die den Weg in die Sackgasse beschreiten, dürfte nicht zuletzt auf die Mechanismen der heutigen Medienlandschaft zurückzuführen sein. Mehr oder weniger schwere, in jedem Fall aber aufsehenerregende Vorfälle werden an prominenter Stelle oft tage- ja wochenlang medial bearbeitet. Aus Einzelfällen entsteht eine Grundstimmung und das verzerrte Bild „kriegsähnlicher Zustände in den Stadien“ beherrscht die Öffentlichkeit. Ein solches Klima bildet einen idealen Nährboden für Kurzschlusshandlungen von Politikern, Funktionären und Sicherheitsverantwortlichen. Und in einem solchen Klima wird die Pyrofrage zum Glaubenskrieg.

Populismus und Eitelkeit statt Pragmatismus und Nachhaltigkeit

Die alltägliche Realität ist indes eine gänzlich andere: Eine überwiegende Mehrzahl der Spiele der höchsten Ligen verläuft ohne nennenswerte Zwischenfälle – und dies obwohl Woche für Woche hunderte, ja tausende Fussballfans durch die ganze Schweiz reisen. An der Basis herrscht in der Regel ein gutes und sachliches Einvernehmen zwischen Fans und Vereinen, die sich ihrer gegenseitiger Abhängigkeit bewusst sind. Und was die Pyrotechnik betrifft, so wird diese in schweizerischen Stadien schon seit Jahrzehnten regelmässig verwendet. Gravierende Zwischenfälle liessen sich dabei an einer Hand abzählen. In den Kurven wird immer wieder auf das Risikopotential aufmerksam gemacht und klar zwischen dem Gebrauch und dem Missbrauch von Pyrotechnik (Werfen etc.) sowie zwischen der Verwendung von Fackeln und unerwünschten Knallern differenziert. Die absolute Sicherheit und der Ausschluss jeglicher Missbräuche vermag aber auch eine solche Selbstregulierung nicht zu gewährleisten – genauso wenig wie dies repressive Massnahmen wie das seinerzeit als Patentlösung verkündete Hooligan-Konkordat vermögen.

Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die seltenen Zwischenfälle mit Pyrotechnik absurde behördliche Bevormundungen, wie Kleidervorschriften oder Intimkontrollen, die in einem freiheitlichen Rechtsstaat in anderen gesellschaftlichen Bereichen undenkbar wären, rechtfertigen. Noch absurder erscheint es, wenn man die physische Integrität der Spielbesucher, die durch das fachgerechte Abbrennen von Pyrotechnik nur in Ausnahmefällen tangiert wird, durch mit Blockstürmen unweigerlich verbundene Eingriffe in eben jene physische Integrität zu schützen versucht. Dass verfassungsrechtlich verankerte Prinzip der Verhältnismässigkeit scheint im Zusammenhang mit Sicherheits- und Fanfragen je länger je mehr aufgehoben.

In diesem Zusammenhang taucht von verschiedener Stelle immer wieder die Kritik an uns Fans auf, dass wir lediglich zu kritisieren wüssten, selbst aber nie Hand für Lösungen bieten würden. Abgesehen davon, dass eine solche Kritik meist in Unwissen über die von uns wöchentlich verrichtete Basisarbeit erfolgt, zeigt doch gerade unser Einsitz in der Eingangs erwähnten Task Force, dass wir dialogbereit und gewillt sind, uns bei der Lösungssuche einzubringen. Im Rahmen unserer Mitarbeit bei der Task Force erarbeiteten wir ein Arbeitspapier, welches unter der Berücksichtigung der Sicherheitsfrage mögliche Wege der Entkriminalisierung von Pyro aufzeigen sollte. Wir hatten die Hoffnung, dass in einer Stadt, in welcher verschiedene Herausforderungen in der Vergangenheit oft mit liberalen und pragmatischen Ansätzen (Drogenabgabestellen, Strassenstrichzonen, die erkämpften Freiräume verschiedener Jugendbewegungen) gelöst wurden, eine Umkehr aus der Sackgasse möglich wäre.
Einige Wochen nach der Präsentation unseres Konzepts wurden wir gemeinsam mit anderen Fanvertretern von den zwei zuständigen Stadträten zu einem Gespräch eingeladen. Dort wurde uns mitgeteilt, dass der Vorschlag zwar gut sei, man sich in der Pyrofrage aber für den Weg der Nulltoleranz entschieden habe. Dies auch in Bezug auf die Abstimmung zum neuen Stadion in Zürich West, vor allem aber aufgrund des politischen und medialen Drucks. Eine entlarvende Begründung, die den Sieg von Populismus und Eitelkeit über Pragmatismus, Nachhaltigkeit und echter Dialogbereitschaft nicht eindrücklicher vor Augen führen könnte.

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vogel
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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon vogel » 30.01.12 @ 12:51

da bleibt uns nur eines: zusammenhalten
vergessen wer für wen supportet, in solchen momenten sind wir nur eins, FANS

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Ensis
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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Ensis » 30.01.12 @ 15:18

Es ist meines Erachtens nicht ganz richtig, dass nur in diesem Bereich mit Repression geantwortet wird. Im Strassenverkehr ist das genau gleich: Wegen ein paar Idioten (und dem unstillbaren Geldhunger des Staates) wird im Strassenverkehr der normale Bürger am Steuer je länger je mehr schikaniert, insbesondere für lächerlichste Lappalien gebüsst (z.B. 126 statt 120 auf der Autobahn; auch hier wäre ein liberaler Ansatz denkbar: freie Fahr für freie Bürger). Warum soll diese Repression nicht auch auf andere Bereich, z.B. eben auf den Fussball, ausgeweitet werden, wenns doch in den anderen Bereichen so gut funktioniert. Pyro kann genauso wie falsches Autofahren die körperliche Unversehrtheit anderer beeinträchtigen, weshalb man auch in diesem Bereich Repression gut begründen kann (der neuste Hit in dieser Richtung: Alkoholverkaufsverbot ab 22 Uhr...). Wir erleben hier ganz klar einen gesellschaftlichen Wertewandel ("man" will solches nicht mehr tolerieren).

Ich frage mich daher, ob man von unserer Seite her den Pyro-Gegnern den Gefallen machen will, weiter unbedingt an Pyros festzuhalten, um diesen (v.a. Politikern) eine ideale (PR-)Bühne zu bieten. Wäre es allenfalls nicht an der Zeit, andere Formen der Fan-Kultur zu finden, ja zu kreiieren, anstatt mit eiserner, fast schon sturer Haltung an den Pyros festzuhalten? Ich glaube nicht, dass man hier irgendetwas gewinnen kann und frage mich noch mehr, ob Pyros (so schön diese anzusehen sind) es wirklich wert sind, dass wir für solche so viel Energie aufwenden. Dass immer wieder einmal etwas passiert ist (Verbrennungen Dritter), ist leider Fakt. Ich glaube, mit der Evolution der Fan-Kultur könnte man allen diesen Kreisen, die sich auf Kosten von uns profilieren wollen, ein Schnippchen schlagen (die Tennis-Ball-Aktion der Bisler in Luzern betreffend Anspielzeit fand ich z.B. Weltklasse). Ich möchte mich aber hier nicht als Besserwisser aufspielen, ich kann keine konkreten, neuen "Fan-Kultur-Konzepte" präsentieren, diese müssen ja sowieso aus der Szene herauswachsen. Das soll lediglich ein Denkanstoss sein. Mir machts jedenfalls keinen Spass, vor jedem Spiel eine aggressive Stimmung ertragen zu müssen, weil vorhandene Erwartungen nicht erfüllt werden oder man bewusst dagegen Stimmung macht. Und man sollte sich davon lösen, es als "Niederlage" für unsere Seite zu betrachten, wenn wir eben auf Pyros verzichten würden (ohne dies natürlich anzukündigen). Er ist uralt, aber immer noch zutreffend: "Dä Gschiider git na, dä Esel bliibt sta!"

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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Schwizermaischter FCZ » 30.01.12 @ 15:25

Eigentlich ein Ansatz von dir, über den man diskutieren kann.

Doch die Folgen eines solchen Vorgehens sind:
-Repression wird beibehalten, hat ja funktioniert
-Mit Pyros fängt es an, es folgen die Stehplätze, dann werden die Fahnen dran kommen, dann die Choreos
-Deinen Vergleich mit den Autofahrern finde ich nicht ganz passend, das Unfallrisiko ist unvergleichbar höher
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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Krönu » 30.01.12 @ 15:33

Man hat jetzt jahrelang versucht mit Repression gegen die "Gewalt" im Fussball vorzugehen. Datenbanken, Kameras, Pranger, Alkoholverbot usw. Alles ist ausnahmslos kläglich gescheitert. Da stelle ich mir die Frage, warum versucht man weiterhin die Repressionsschraube anzuziehen, wenn man doch aus der Vergangenheit lernen sollte, dass solche Massnahmen nicht zum gewünschten Ziel führen? Und warum führt man sogar allseits bekannte Massnahmen wieder ein, die vor ein paar Jahren schon keine Früchte zeigten? Was für Leute sind da am Werk? Warum wird bewusst an der Repression festgehalten und den Dialog ausgelassen, wenn doch zig Beispiele der Vergangenheit zeigen, dass Repression nichts bringt, sondern den ganzen Braten eher verschlimmert? Da werde ich als Steuerzahler irgendwie sauer...
Gemäss einer Studie der Fairleigh Dickinson Uni (2011) sind Fox News Zuschauer nicht nur schlechter informiert als die Zuschauer anderer News Sender, sondern sind im Schnitt sogar etwas schlechter informiert als Menschen, die gar keine Nachrichten sehen.

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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Ensis » 30.01.12 @ 15:45

Schwizermaischter FCZ hat geschrieben:Eigentlich ein Ansatz von dir, über den man diskutieren kann.

Doch die Folgen eines solchen Vorgehens sind:
-Repression wird beibehalten, hat ja funktioniert
-Mit Pyros fängt es an, es folgen die Stehplätze, dann werden die Fahnen dran kommen, dann die Choreos
-Deinen Vergleich mit den Autofahrern finde ich nicht ganz passend, das Unfallrisiko ist unvergleichbar höher


Genau das ist es und darum wird die Repressionsschraube überall immer mehr angezogen: Man fühlt sich durch die Repression nur gerade im einen Bereich gestört, wo man vielleicht davon betroffen ist, und im anderen findet mans ok, so findet man fast immer eine Mehrheit für Repression.
Wenn Du eine Pyro-Fackel in eine Menschenmenge wirfst ist das "Unfall"-Risiko wohl höher, als wenn Du auf einer leeren Autobahn mit 130 statt 120 fährst (ich will aber um Himmels willen nicht sagen, dass es im Strassenverkehr keine Regeln brauche und man diese nicht einhalten soll, habe dies bloss als Vergleich/Beispiel für die Repressions-Schraube gebracht).

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Re: Mit Gewalt gegen „Gewalt“ in die Sackgasse

Beitragvon Colo » 30.01.12 @ 16:08

Ensis hat geschrieben:
Schwizermaischter FCZ hat geschrieben:Eigentlich ein Ansatz von dir, über den man diskutieren kann.

Doch die Folgen eines solchen Vorgehens sind:
-Repression wird beibehalten, hat ja funktioniert
-Mit Pyros fängt es an, es folgen die Stehplätze, dann werden die Fahnen dran kommen, dann die Choreos
-Deinen Vergleich mit den Autofahrern finde ich nicht ganz passend, das Unfallrisiko ist unvergleichbar höher


Genau das ist es und darum wird die Repressionsschraube überall immer mehr angezogen: Man fühlt sich durch die Repression nur gerade im einen Bereich gestört, wo man vielleicht davon betroffen ist, und im anderen findet mans ok, so findet man fast immer eine Mehrheit für Repression.
Wenn Du eine Pyro-Fackel in eine Menschenmenge wirfst ist das "Unfall"-Risiko wohl höher, als wenn Du auf einer leeren Autobahn mit 130 statt 120 fährst (ich will aber um Himmels willen nicht sagen, dass es im Strassenverkehr keine Regeln brauche und man diese nicht einhalten soll, habe dies bloss als Vergleich/Beispiel für die Repressions-Schraube gebracht).


Die Gefahr ist um einiges höher wenn du mit 130 fährst als wenn du eine Fackel in eine Menschenmenge wirfst.... ich finde es absolut unnötig Fackeln zu werfen versteh mich nicht falsch aber es gibt echt schlimmeres...
Forever-Lucien hat geschrieben:
Kein Problem KRONIK. Du weist, ich habe grosses vor mit Dir. Oder besser gesagt mit Dir und EL HOMO, welcher beachtlichen Erfolg im Forum feiern konnte. Ihr 2 seid wirklich die Senkrechtstarter der letzten Jahren. Jung frisch, knackig und unverbraucht.


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