Europa jagt die Stars des FC Zürich
Nicht nur Hertha BSC bedient sich bei den Schweizern. Heute werden 40 Späher erwartet
Von Patrick Krull
Wenn die Uefa-Cup-Partie zwischen dem FC Zürich und Bayer Leverkusen heute um 20.45 Uhr (DSF live) angepfiffen wird, drängen sich auf der Tribüne des Letzigrund die europäischen Scouts. Für die Teams, beide sind bereits für die nächste Runde qualifiziert, geht es nur um die Frage, auf welchem Platz sie die Gruppenphase beenden. Das Interesse der Späher richtet sich auf Yassine Chikhaoui (21), einen offensiven Mittelfeldspieler. Der dribbelstarke und schnelle Tunesier gilt als derzeit bester Spieler in der Schweiz.
Die kleine Reisegruppe aus Berlin indessen wird seine Arbeit schon vor dem Anpfiff verrichtet haben. Manager Dieter Hoeneß will den Transfer von Zürichs Stürmer Raffael (22) zu Hertha BSC perfekt machen.
Der Bundesligist will erneut wildern, nachdem er bereits im Sommer Trainer Lucien Favre, dessen Cotrainer Harald Gämperle sowie Manndecker Steve von Bergen von Zürich nach Berlin gelotst hatte.
Zwar haben die Emissäre aus der Hauptstadt nur insgesamt 2,7 Millionen Euro zur Verfügung, was dem Wert des Brasilianers spottet. Daher strebt Hertha eine Drei-Wege-Finanzierung an. Sie zahlen etwa 1,5 Millionen Euro, stottern den Rest in Raten ab und packen bei Einzug ins internationale Geschäft noch eine Prämie drauf. Alles in allem bietet Hertha BSC dem Schweizer Meister fünf Millionen Euro. Das ist für den FCZ ein erhebliches Angebot - der Saison-Etat beträgt neun Millionen Euro.
Damit ist auch erklärt, warum die Schweiz, vor allem die Vorzeigeklubs FC Basel und FC Zürich, zur willkommenen Adresse für finanzkräftige Vereine aus England, Spanien, Italien und Deutschland geworden ist.
Die Schweizer Klubs holen hoffnungsvolle Spieler, bilden sie aus - können sie aber mangels finanzieller Möglichkeiten und bescheidener sportlicher Perspektive nicht lange halten. Die eidgenössischen Vereine erhalten nur geringe Fernseheinnahmen, die Zuschauer strömen nicht in Massen in die Stadien, die Marketing-Einnahmen bewegen sich auf niedrigem Niveau. Die Folge: Momentan verdingen sich 81 Spieler mit Schweizer Pass in einer ausländischen Liga. Fußball-Profis sind neben dem Taschenmesser einer der größten Exportschlager des Landes.
So musste der FC Zürich nach der zweiten Meisterschaft in Folge in diesem Sommer einen schweren Aderlass hinnehmen. Neben dem Trainer-Duo, das sich nach Berlin verabschiedete, gingen Schlüsselspieler Cesar (Vereinigte Arabische Emirate), Blerim Dzemaili (Bolton Wanderers), Gökhan Inler (Udinese Calcio), Xavier Margairaz (Pamplona Osasuna), Santos (FC Toulouse) und Steve von Bergen (Hertha BSC).
Nun steht Raffael auf dem Sprung nach Berlin, Chikhaoui will sich spätestens im Sommer verbessern. "Wir machen uns auch bei Chikhaoui keine Illusionen, was seine Zukunft angeht. Sie liegt im Ausland", sagt Zürichs Trainer Bernard Challandes. Heute werden rund 40 Scouts den Auftritt des quirligen Chikhaoui verfolgen. "Ganz Europa will ihn haben", sagt FCZ-Präsident Ancillo Canepa. Allein aus der Bundesliga interessiert sind: Bayern München, Werder Bremen, der FC Schalke, der Hamburger SV - und Bayer Leverkusen.
Aus der Berliner Morgenpost vom 19. Dezember 2007
Quelle:
http://www.morgenpost.de/content/2007/1 ... 37657.html