Beitragvon Philippescu » 29.11.07 @ 11:56
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DANIEL JEANDUPEUX, EINST FCZ-MEISTERTRAINER UND DANACH IN TOULOUSE, VERGLEICHT DIE TEAMS
Verspielte Magie gegen geballte Wucht
Von Daniel Jeandupeux*
Das Uefa-Cup-Spiel zwischen dem FC Zürich und dem Toulouse Football Club lässt in mir persönliche Erinnerungen aufleben. Mit zunehmendem Alter erlaubt man sich ja, in den Rückspiegel zu schauen und noch einmal seine Vergangenheit zu besuchen – und sich nicht mehr nur in die Zukunft zu orientieren, um hartnäckig und kontinuierlich vorwärtszukommen.
Ich habe während sieben Jahren die Farben des FC Zürich getragen. Zuerst war es ein schöner Abschnitt meiner Karriere als Spieler, später war ich der Trainer dieses für mich so besonderen Klubs. Geblieben sind mir ein Haufen guter Erinnerungen.
Am liebsten denke ich zurück an die aktive Laufbahn beim FCZ, denn nichts übertrifft das Vergnügen, mit dem Ball am Fuss über den Platz zu stürmen und dabei von einer überdurchschnittlichen Mannschaft unterstützt zu werden. Den Toulouse FC habe ich zwei Jahre lang trainiert. Aber vor allem habe ich meine Frau Carmen in Toulouse getroffen.
Und dort ist auch unsere älteste Tochter Alexandra geboren. Inzwischen ist sie 22-jährig und studiert in der Stadt ihrer Her- kunft. Wie schnell die Zeit vergangen ist! Im Verlauf des letzten Monats hatte ich die Gelegenheit, sowohl den FC Zürich als auch Toulouse zu beobachten. Der FCZ hat mir besser gefallen: verspielt, ungezwungen, natürlich, mit einem konstruktiven und kreativen Geist. Diesen Eigenschaften setzen die Franzosen ihre Kampfstärke entgegen. Die Mannschaft spielt diszipliniert, defensiv und mit viel Wucht, sie ist gebaut, um gegen den Gegner dank ihrer herkulischen Kraft zu kontern.
Mein Herz nimmt Partei für den vertrauten Freund Bernard Challandes und nicht für den Kollegen Elie Baup. Es macht keine Prognose für den Ausgang des Spiels, aber einen ästhetischen Freudensprung. Ich habe es genossen, die berückende Magie von Chikhaoui zu bewundern.
Die Mannschaft von Toulouse hat eine vernünftige Struktur, sie verhält sich auf dem Platz geschickt, für sechs Feldspieler hat die Defensive Priorität, vier bleiben für die Offensive, in der sie viele Freiheiten haben und in ihren Zonen rotieren. Das Team verzichtet weit gehend auf Pressing, sondern es verschiebt sich nach einem Ballverlust in die eigene Hälfte.
Dort macht es die Räume eng und wartet auf den Fehler des Gegners, um dann blitzartig und mit fussballerischer Überschallgeschwindigkeit den Konter zu lancieren: über die Dampfwalze Emana, den Pfeil Mansaré und den Torjäger Elmander. In der defensiven Phase lässt sich das taktische System in der Terminologie des Fussballs am besten als 4-4-1-1 bezeichnen. Die Defensive ist solid, in ihr stehen viele dunkelhäutige, überaus kräftige Spieler. Die Verteidiger wirken in der Zone, mit Wucht und Entschlossenheit.
Die beiden zentralen defensiven Aufbauer, Captain Dieuze und wohl Sissoko, spielen nahe bei der Abwehr und sehr aggressiv und körperbetont. Hinter den beiden bilden vermutlich der leicht angeschlagene Cetto und Arribagé ein schwer zu überwindendes Bollwerk. Meistens wird der Ball durch diese solide und stämmige zentrale Achse erobert. Das ist eigentlich nichts als logisch, weil sich die Equipe nach jedem eigenen Ballverlust jeweils sofort in die eigene Platzhälfte zurückzieht.
Die kreative Idee der Mannschaft ist elementar, simpel: Toulouse verteidigt mit elf Mann und kontert. Die Angriffsspieler sind schnell, geradlinig, frei von Hintergedanken auf ein artistisches Kabinettstück. Der Torhüter macht weite Abschläge, damit lanciert er den Luftkampf in der gegnerischen Hälfte; mit dieser Spielweise profitiert die Mannschaft von ihrer aussergewöhnlichen Athletik – allerdings nur, solange sie genügend Kraftstoff im Reservoir hat. Wenn der Tank leer ist, wirkt das Repertoire der Mannschaft schnell einmal armselig. Wie auch immer: Es ist schwierig, den Toulouse FC zu provozieren, denn er weigert sich mitzuspielen. Er fühlt sich in der Abwehr stark, also setzt er vorab auf seine defensiven Qualitäten.
Toulouse verfügt in Douchez über einen Goalie, der sich auf der Linie wohler fühlt als beim Herauslaufen auf hohe Bälle. Der rechte Verteidiger Ebondo kann beim Gegner mit seinen Sturmläufen Schaden anrichten. Die beiden Innenverteidiger, Cetto und Arribagé, sind äusserst kampfstark, am Boden wie in der Luft, Ilunga auf der linken Seite bolzt die Linie rauf und runter, verwirrt dabei aber mitunter die Mitspieler und auch sich selbst.
Vor ihm spielt auf der linken Flanke des Mittelfelds mit Mansaré ein sehr schneller Mann, dem es allerdings an Präzision beim letzten Pass mangelt. Im Zentrum ergänzen sich die Kampfmaschinen Dieuze und Sissoko, rechts wirkt mit Bergougnoux ein talentierter, aber wenig konstanter Spieler. Sein Ersatz wäre Fabinho. Emana, der zweite Stürmer neben dem gesetzten, aber immer wieder verletzten schwedischen Goalgetter Elmander, ist ein Bulldozer, halb Ben Johnson, halb Mike Tyson.
Emana ist ein Athlet, er beherrscht mit Elmander das Kontern, er ist auch wegen seiner Kopfballstärke Gift für jede Abwehr. Und sollte Baup den Kameruner ins Mittelfeld zurückziehen, käme im Sturm kaum der beim FCZ bestens bekannte Tunesier Santos, sondern Gignac zum Zug. Gignac ist der Klon von Elmander, beide sind sie gegen 1,90 m gross.
Dadurch würde die Mannschaft noch kräftiger und wuchtiger, aber deswegen nicht unbedingt spielstärker.
* Daniel Jeandupeux war von 1980 bis 1983 Trainer des FC Zürich und wechselte danach für zwei Jahre zu Toulouse. Heute wirkt der 58-jährige Jurassier bei Le Mans als Berater von Präsident Legarda.