St.Galler Vorort ein Wegbereiter des Weltfussballs

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Savage
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St.Galler Vorort ein Wegbereiter des Weltfussballs

Beitragvon Savage » 18.04.04 @ 2:50

Die Fifa ist in diesem Jahr 100-jährig


Der am 19. April 1879 gegründete FC St. Gallen ist nach Le Havre Athletic nicht nur der zweitälteste Fussballklub des europäischen Festlandes. Er war auch der «Vorort» des Schweizer Fussballs. Und schliesslich bereiteten die St. Galler den Beitritt der Schweizerischen Football-Association zur 1904 in Paris gegründeten Fifa vor. Zu deren Zentenarium bringt die Beiträge zu (Vor-)Geschichte, Entwicklungen und Wandlungen.



2000 klingt wie Musik in den Ohren von St. Galler Fussballenthusiasten. Fast ein Jahrhundert dauerte es, bis die 1904 gewonnene Meistertrophäe wieder ins Hochtal der Steinach wanderte - an den Ursprung hiesigen Fussballschaffens. Dass die Wellen der Emotionen hoch gingen in diesen warmen Maitagen, die Gallusstadt von begeisterten Menschenmassen geflutet und der Triumph in der nationalen Meisterschaft überschwänglich gefeiert wurden, wen wunderte es nach den vielen Jahren der Entbehrungen und der Existenzsorgen? Und wer nahm westwärts im Lande nicht auch ein bisschen Anteil am Sieg des Aussenseiters, sympathisch berührt und voller Respekt vor dieser wundersamen Auferstehung?

In der Pionierrolle

Der Ausbruch der Gefühle war mehr als Ausdruck momentanen Glücks. Er gründete auch in der bewegten Geschichte eines Klubs, der eine Pionierrolle im Fussball unseres Landes spielte. Von der äussersten Ostecke Helvetiens waren Ende vorletzten Jahrhunderts wichtige Impulse für die weitere Entwicklung des populären Ballspiels ausgesandt worden. So war der FC St. Gallen der Zeit weit voraus, als er erstmals zusammentrat. Als erstes Dokument ist ein vom 19. April 1879 datiertes Statutenexemplar bekannt. Ein Gründungsprotokoll hingegen fehlt. Aber mit dem erwähnten Papier weist sich der Verein nicht nur als ältester der Schweiz aus, er ist auch der zweitälteste des europäischen Festlandes. Sieben Jahre zuvor war auf der französischen Seite des Kanals der Le Havre Athletic Club ins Leben gerufen worden, es folgten in raschen Abständen die Gründungen erster Fussballklubs in westeuropäischen Ländern (siehe Box). Und schon in der Saison 1903/04 reihte sich der FC St. Gallen unter die ersten fünf Schweizer Meister neben GC, dem Anglo American Club Zürich, den Young Boys und dem FC Zürich ein.

Ohne die St. Galler Verdienste schmälern zu wollen: Die Wiege des schweizerischen Fussballs stand in den Erziehungsinstituten der Westschweiz, dort, wo die englische Jugend unter englischen Lehrern mit dem schweizerischen Volkstum den ersten Kontakt gewann. Frühere Entstehungsdaten haben deshalb sogenannte Schulteams wie Château de Lancy Genf (1855) oder La Châtelaine Genf (1869), wo hierzulande erste spielerische Betätigungen aus einer Mischung von Rugby und Fussball stattfanden. Diese Entwicklungszellen aus der Romandie gehörten sehr viel später zu den elf Gründungsmitgliedern der Schweizerischen Football-Association. Erst allmählich fand Fussball in der Deutschschweiz Eingang, und auch da spielten englische Studenten eine bedeutende Rolle. Junge einheimische Kaufleute pflegten in der Blütezeit der Ostschweizer Stickereiindustrie nicht nur geschäftliche Kontakte mit Briten, sie machten im Institut Schönberg bei Rorschach auch Bekanntschaft mit den Arten des Rugby- und Fussballspiels - und ergriffen unternehmungslustig die Initiative zur Vereinsgründung weiter bergan vom Bodensee.

Um den dominierenden englischen Einfluss in dieser Frühzeit zu veranschaulichen, lohnt sich ein Rückblick auf die Entwicklung auf der Insel. Dort war schon im Oktober 1857 der Sheffield FC aus der Taufe gehoben worden - eine inoffiziell gebliebene Premiere. Unter dem sogenannten Sheffield-Code wurden vorerst 11 Spielregeln definiert (neben deren 20 für die Klubleitung) sowie der Corner und der Freistoss beschlossen. Diesem Fortschritt lagen Erkenntnisse aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zugrunde. In Rugby und in Cambridge waren wegen unterschiedlicher Spielauffassungen die zwei Mannschaftssportarten Rugby und Fussball entstanden. Weil dem Sheffield FC nur eine kurze Existenz beschieden blieb, gilt heute Notts County mit Gründungs- Jahrgang 1862 als ältester noch bestehender Liga- Klub der Welt. Zusammen mit dem Lokalrivalen Nottingham Forest, Chesterfield, Stoke City und Sheffield Wednesday sowie dem Kriegsministerium kam es 1863 in London zur Gründung des englischen Verbandes. 1871 fand der erste FA- Cup-Final statt, damit der älteste Fussballwettbewerb überhaupt. Kurz zuvor war das Handspiel definitiv verboten worden. Von 1872 datiert das erste Länderspiel zwischen England und Schottland, und wenig später geisterte schon der Begriff des Professionalismus durch die Vereine. 1885 wurde der Berufsstatus des Fussballs in seinem Mutterland legalisiert, Ende achtziger Jahre der Meisterschaftsbetrieb lanciert.

In der Schweiz verlief der Prozess mühsamer. Dem Fussball blieb bis tief in die dreissiger Jahre des letzten Jahrhunderts die Anerkennung politischer und kirchlicher Behörden, des Militärs, der Schule sowie der Eltern- und Ärzteschaft versagt. Viele Väter rieten ihrem Nachwuchs dringend ab von dieser Art des Zeitvertreibs. Die St. Galler Initianten liessen sich durch diese spezielle soziale Atmosphäre und den schlechten Ruf des «Proletarier-Sports» Fussball nicht beirren. Durch Taten und seriöse Arbeit wurden Vorurteile beseitigt. Auf Stadtgebiet fand das Beispiel FC St. Gallen rasch Nachahmer, entstanden doch Klubs wie der FC Celerina, FC Aurora, FC Viktor und FC Phoenix, die sich schliesslich allesamt dem Pionier anschlossen. Am 1. Mai 1892 fand auf der Kreuzbleiche das erste Wettspiel statt. Der sechs Jahre zuvor erst gegründete Grasshopper-Club amüsierte sich köstlich beim Anblick der kleine Torgehäuse und gewann 1:0. Worauf sich die St. Galler rasch Torgehäuse nach Originalmassen zimmern liessen.


Der erste englische Trainer im Ausland

1895 gehörte der FC St. Gallen zu den Mitbegründern des Schweizerischen Fussballverbandes und stellte Anfang des vorigen Jahrhunderts auch dessen «Vorort». Dem «St. Galler Komitee» gehörten weitblickende Männer wie Dr. Fritz Curti und Henry Tschudy an, neben dem Zürcher Dr. Hans Enderli die bedeutendsten Verbandspolitiker der damaligen Fussballbewegung. Unter deren Leitung wurde in den Jahren 1903 und 1904 ein etwas rascheres Tempo angeschlagen. So trugen sich die St. Galler mit grosszügigen Projekten, die die Entwicklung von Jahren vorausnahmen. Sie postulierten die Schaffung einer Verbandszeitung und eines ständigen Sekretariats, auch wenn diese Wünsche erst viel später in Erfüllung gingen. Dafür durfte man den St. Gallern schon damals für eine ganze Reihe administrativer Neuerungen danken, die sich als vorteilhaft für die Erledigung der Verbandsgeschäfte erwiesen. Und schliesslich bereitete das «St. Galler Komitee» den Beitritt der Schweizerischen Football-Association zum 1904 in Paris gegründeten Weltfussballverband Fifa vor - noch bevor der Verein erstmals Schweizer Meister geworden war.

Während der ersten Meisterschaft (1897/98) hatte der FC St. Gallen noch nicht der ersten Klasse angehört. Das sollte sich Anfang des 20. Jahrhunderts ändern, nachdem der lokale Ortverwaltungsrat dem Verein die Bewilligung gegeben hatte, zweimal im Jahr auf der Kreuzbleiche ein Eintrittsgeld zu erheben. Prestige trug den St. Gallern zuerst der 26:0-Sieg im ersten internationalen Spiel im März 1902 gegen Allemania Karlsruhe ein. Zwei Jahre darauf bot sich dem Ostschweizer Meister die Chance, in den regionalen Entscheidungen den Titel zu gewinnen. Er schaffte es gegen Servette (1:1) und Old Boys Basel (1:0). Stolz bezog der FC Anfang 1910 das Espenmoos, wo mit damals erheblichem Aufwand eine Holztribüne mit 600 Plätzen errichtet worden war. Kurz darauf erfuhren das neue Stadion und sein Platzherr die Ehre, ein Länderspiel durchzuführen, in dem sich das deutsche Nationalteam gegen die Schweizer 2:1 durchsetzte.

Dann beschritt der FC St. Gallen, erneut «Vorort» des schweizerischen Fussballs geworden, unter Fritz Curti nochmals Neuland: John Reynolds war als neuer St. Galler Coach der erste englische Berufstrainer auf dem Festland überhaupt. Mit ihm wurden gleich auch Trainingsvorschriften für die Nationalmannschaft entwickelt. Die folgenden Jahre standen im Zeichen guter internationaler Beziehungen des renommierten Vereins, der mit Inter Mailand, Tottenham, Bayern München und anderer Prominenz einen regen Austausch an Freundschaftsspielen pflegte.

Der 1. Mai 1921 bildete eine Zäsur und den Anfang einer langen Durststrecke endlosen Auf und Abs. Anno 1931 erregte der Verein Aufsehen mit einer ersten wirklichen Profimannschaft und ausländischen Spielern. Ein zweites Länderspiel gegen Österreich verhalf dem Verband und dem Veranstalter zu einem derart guten Ergebnis, dass der Ruf nach weiteren nationalen Auswahlspielen nicht ausblieb. Es sollte aber mehr als ein halbes Jahrhundert dauern, ehe aus Anlass des 100-jährigen Bestehens wieder ein Länderspiel aufs Espenmoos vergeben wurde: der EM-Qualifikationsmatch Schweiz - DDR Anfang Mai 1979 (0:2). Der FC St. Gallen geriet zur Liftmannschaft. Nach dem Krieg gewöhnte sich der Klub während Jahren an die Nationalliga B, dann sah er sich nach einem jähen Sturz während acht Jahren gar in die Erstliga verbannt. Otto Peters führte ihn 1964/65 in die B-Liga, René Brodmann drei Jahre später ins Oberhaus zurück. 1969 feierten die Ostschweizer den Gewinn der Sandoz-Cup- Trophäe sowie die Einweihung des «neuen» Espenmoos mit moderner neuer Tribüne.


Initiative «Steuermänner»

Es fehlte all die - späteren - Jahre nicht an klangvollen Namen auf dem Espenmoos. Gorgon, Jurkemik oder Tardelli liessen hier beachtliche Karrieren ausklingen, der Weltstar Zamorano aus Chile begann sie an dieser Stelle. Wichtige Trainer wie Albert Sing, Helmut Johannsen oder Willy Sommer hinterliessen ihre Spuren, und Ehrenpräsidenten wie der Bauunternehmer Elio Cellere oder «Papa» Gretler (Präsident 1936 bis 70!) oder Klubvorsitzende wie Paul Schärli bestimmten während mehr als eines halben Jahrhunderts die Klubpolitik mit.

Der FC St. Gallen durchlebte eine bewegte Geschichte. Freud und Leid, Krisen, Erschütterungen und Rückschläge lagen eng beieinander. Oft war der Verein gar in scheinbar aussichtslose Situationen geraten, doch den Verantwortlichen gelang es auch in den heftigsten Stürmen, das Vereinsschiff auf Kurs zu halten. Der grandiose Meistertitel 2000 unterstreicht es: Der älteste Schweizer Fussballklub ist - wie Walter Lutz in einer Hommage an den «Hundertjährigen» schrieb - längst ein Gütezeichen und eine Art Symbol einer Stadt und ihres Hinterlandes, die sich oft genug ihrer peripheren Lage wegen vernachlässigt fühlen und sich mit dem sportlichen Aushängeschild in hohem Masse identifizieren. Mit Genugtuung darf den inzwischen in eine AG umgewandelten FC St. Gallen erfüllen, was er weit über den Sport hinaus in unserem Land geleistet hat - an seinem 125. Geburtstag, einen Monat vor der Hundertjahrfeier des grössten und wichtigsten Sportverbandes der Welt: der Fifa.

Felix Reidhaar



Die ältesten Fussballklubs:
1862 Notts County FC, Nottingham 1867 Queen's Park FC, Glasgow

Europäisches Festland:
1872 Frankreich: Le Havre Atletic Club 1879 Schweiz: FC St. Gallen 1879 Holland: Koninklyke Haarlemsche FC 1880 Belgien: Royal Antwerp 1880 Spanien: Real Club Recreativo de Huleva 1888 Ungarn: MTK Magyar Budapest 1888 Deutschland: Berliner FC Germania 1893 Italien: Genoa Football-Club, Genua 1894 Österreich: First Vienna, Wien



Der FCSG damit der älteste Fussballklub auf Europäischem Festland da Le Havre Atletic Club erst 10 Jahre später Fussball gespielt wurde.
--FCSG SUPPORTER SINCE 1994--


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Fiji
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Beitragvon Fiji » 21.04.04 @ 11:50

Und jetzt....


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