Lucien Favre prägte während seiner Karriere den Schweizer Fussball, insbesondere den Westschweizer Fussball. Als Trainer hinkt er diesem Ruf, den Fussball geprägt zu haben noch etwas nach, doch trotzdem ist er ein Mann mit grossen Fähigkeiten
Von Thomas Züger
Als Spieler war Lucien Favre ein bemerkenswerter Reisser auf dem Feld, der das Spiel steuern konnte. Bereits im Alter von 17 Jahren gab er bei Lausanne Sports sein Debut. Anschliessend spielte er für Neuchâtel Xamax und Servette. Auf internationalem Clubniveau gehörte er damals zu den raren Schweizern, die das Abenteuer ausserhalb der Landesgrenzen wagten. Mit einigem Erfolg spielte er für Toulouse, auch wenn es sein ehemaliger Klubkamerade bei Genf Servette, Umberto Barberis war, der in der französischen Meisterschaft überzeugender agierte. Lucien Favre war der König der Freistösse. Den Schweizer Fussball prägte er jedoch nicht nur aufgrund seiner Leistungen auf dem Feld, sondern auch wegen zwei Episoden, die unvergessen bleiben. Die eine Geschichte hängt mit Umberto Barberis zusammen, die andere mit Gabet Chapuisat.
Nummer 10a oder 10b?
Als Lucien Favre mit dem Status eines Stars zu Servette wechselte, wollte er mit der Nummer 10 spielen. Die selbe Nummer, die ein Pélé oder ein Michel Platini auf dem Trikot trugen. Doch bei Servette war diese Rückennummer bereits an ein anderes Talent, an Bertine Barberis vergeben. Wie die Geschichte erzählt wird, wollten weder Barberis noch Favre auf ihre Nummer 10 verzichten. In einer Humorsendung beim Westschweizer Fernsehen ging ein falscher Sportjournalist der Frage nach und befragte den belgischen Ex-Internationalen bei Genf Servette, Michel Renquin: "Michel Renquin, was halten Sie vom Streit zwischen Bertine Barberis und Lucien Favre über ihre Trikotnummer? Würden Sie nicht auch eher befürworten, dass der eine die Nummer 10a trägt und der andere die 10b?" fragte der "Journalist". Michel Renquin fand das überhaupt nicht lustig, antwortete trotzdem: "Warum nicht?". Worauf der "Journalist" nachhakte. "Ja, aber wer will denn schon mit der Nummer 10b spielen?"
Die Geschichte eines Tacklings
Weniger lustig war die Episode mit Gabet Chapuisat. Am Ende seiner Spielerkarriere, war der Vater von Stéphane in der NLA beim FC Vevey engagiert. Als er gegen Lucien Favre spielte, wagte es Gabet Chapuisat fair aber hart gegen den Leader einzusteigen. Gabet verpasste zwar den Ball, jedoch nicht den Mann... und die Folge war, dass sich Lucien Favre bei diesem Zwischenfall verletzte. Favre spielte zuvor in Höchstform, wurde aber durch einen Kreuzbandriss ausser Gefecht gesetzt. Zu jener Zeit war eine solche Verletzung gleichbedeutend mit dem Karrierenende. Einmalig in der Fussballgeschichte: Lucien Favre verklagte Gabet Chapuisat vor Gericht, dass dieser ihn absichtlich verletzt hätte und forderte von Chapuisat eine horrende Summe Schadenersatz (Red. Knapp eine Million Schweizer Franken!) Am Ende war klar, dass Gabet Chapuisat ein Foul begangen hatte, dass möglicherweise absichtlich war, jedoch war bei diesem Zwischenfall nie absichtlich die Idee dahinter, den Gegner zu verletzen.
Der Sohn von Favre mit dem Vater von Chapuisat
Viele Jahre später sind die Jungen der ehemaligen Stars ebenfalls Fussballspieler geworden: Sebastien Barberis, Stéphane Chapuisat und Loïc Favre, und bei Yverdon erinnert man sich, dass ein gewisser Gabet Chapuisat Trainer von Spieler Loïc Favre war. Eine Zusammenarbeit, die allerdings sehr gut funktionierte.
Der intelligente und überlegte Lucien Favre wusste sehr schnell, dass er nach dem abrupten Ende seiner Spielerkarriere eine Trainerlaufbahn einschlagen wollte. Er begann in der Nachwuchsabteilung von Neuchâtel Xamax, bevor er in der NLA und NLB bei Yverdon tätig war (von 1996 bis 2000).
Lucien Favre wurde im Trainermilieu sehr schnell anerkannt und erhielt im Jahr 2000 eine hervorragende Möglichkeit: er wurde von Genf Servette verpflichtet und obwohl er hoffnungsvolle Resultate erzielte mit der Mannschaft, wurde sein Vertrag nicht erneuert... Nun sucht er seit einigen Monaten mit dem FC Zürich eine neue Herausforderung in seiner Trainerlaufbahn. Die Frage bleibt, ob Lucien Favre die Zeit hat, seine fussballerischen Ideen umzusetzen, die Zeit drängt angesichts der unbequemen Tabellenlage der Zürcher nämlich sehr. Eine erste Hürde konnte er jedenfalls nehmen und er kann auch auf die Clubleitung des FCZ bauen, die ihm Vertrauen schenkten, obwohl der FCZ in der Winterpause noch am Tabellenende stand.
Aus der Zeitschrift "Top Fussball"