«Wer den Beruf des Fussballers wählt, ist nicht zu beneiden»
FCZ-Spieler Franco Di Jorio als kritischer Beobachter in einem sich verändernden Umfeld
Die Karriere von Franco Di Jorio hat viele überraschende Wendungen genommen, und nicht immer waren seine zahlreichen Klubwechsel von Erfolg begleitet. Nun trägt er wieder die Farben des FC Zürich, zu dem der schnelle und unberechenbare Spieler in regelmässigen Abständen zurückkehrt. Der 30-Jährige hat in seinen Wanderjahren im In- und Ausland manches gesehen und erlebt, vermag aufgrund seiner Erfahrungen zu vergleichen und zu werten. Über all das hat er sich mit Rolf Wesbonk unterhalten.
Franco Di Jorio, Sie waren bisher in zehn verschiedenen Fussballklubs - sind Sie der geborene Wandervogel?
Überhaupt nicht. Es waren eher die Umstände, die jeweils zu den Wechseln geführt hatten. Allerdings bestand stets der Wunsch, einmal im Ausland zu spielen, und als sich die Chance in Italien bot, ergriff ich die Gelegenheit. Die Wahl des Klubs war damals allerdings nicht die allerbeste.
Diese zweieinhalb Jahre im süditalienischen Verein Salernitana - was geht Ihnen da heute durch den Kopf?
Die erste Saison lief für mich hervorragend. Ich stand in 28 Partien auf dem Platz, erzielte sechs Tore, und die AS Roma zeigte ein lebhaftes Interesse an mir. Doch dann brach ich die Schulter, und von da an ging's bergab. Ich erinnere mich aber noch an andere Dinge: Dreimal wurde in meine Wohnung eingebrochen, das Auto geklaut, der Lohn kam mit sechs Monaten Verspätung, und in zwei Jahren arbeitete ich unter sechs Trainern - das alles nervte ziemlich. Insgesamt habe ich aber viel gelernt.
Im letzten Herbst wurden Sie vom FC Sion engagiert. Was kommt Ihnen zum Stichwort «Christian Constantin» in den Sinn?
Constantin ist - in einem gewissen Bereich - ein Präsident, wie man ihn sich für jeden Fussballklub nur wünschen kann. Er ist absolutes Vorbild. Denn er kommt in die Kabine und setzt die Spieler enorm unter Druck. Aber auch im Training ist er oft dabei und sieht sich die Sache sehr genau an. Das Kader spürt ihn stets hautnah, und das ist gut so. Denn Schweizer Spieler wissen kaum, was Druck wirklich heisst, und deshalb braucht es solche Präsidenten. Das habe ich übrigens auch in Italien erlebt. Wenn es im Team nicht lief, kam der Lohn noch später, oder der Präsident hat die Mannschaft drei Wochen ins Hotel geschickt. Drei Wochen ohne Familie und Freunde sind eine lange Zeit, und das hat den Spielern arg zugesetzt.
Gründer eines Arbeitslosenteams
Sie waren im Camp für arbeitslose Fussballer. Was muss man sich darunter vorstellen?
Das Camp war eine Idee von mir. Als ich kein Engagement mehr hatte, war mir klar, dass ich mich in Form halten musste. Ich gründete deshalb ein Arbeitslosenteam. Wir trainierten täglich ab 10 Uhr unter einem ehemaligen FCZ-Assistenztrainer, und einmal pro Woche trugen wir eine Partie aus. Das geschah alles auf dem Platz des FC Urdorf, der Hand zu diesem Projekt bot. Finanziert wurde das Ganze von der SEFP, einer Art Fussballer-Gewerkschaft. Wir waren damals rund 15 Spieler, die heute alle wieder irgendwo unter Vertrag stehen.
Jetzt tragen Sie zum vierten Mal in Ihrer Karriere wieder die Farben des FC Zürich - warum kommt der Klub seit Jahren nicht vom Fleck?
In einem Verein muss jeder nur seinen Job erledigen. Das gilt für den Präsidenten, den Sportchef oder den Trainer. Wenn das aber nicht der Fall ist und ich als Spieler unserem Masseur Hermann Burgermeister in seine Arbeit pfusche, gibt das Probleme. Und so lief das eben im FCZ - also meistens ziemlich chaotisch. Deshalb wollte ich eigentlich nicht auf den Letzigrund zurück. Doch der neue Sportchef Fredy Bickel hat mich davon überzeugt, dass diesbezüglich Besserung in Sicht sei. Auch seine Vorstellung von einem Team, das gefestigt und homogen auftritt, hat mir gefallen. Im ersten Match in Aarau konnten erste Auswirkungen gesehen werden. Doch bei einer Partie darf es nicht bleiben, jetzt muss endlich Konstanz her.
Sie gelten als cleverer Geschäftsmann, der oft etwas zu hoch pokert, wenn es um Vertragsverhandlungen geht.
Das mit dem Geschäftsmann trifft zu. Ich war sieben Jahre Inhaber einer gut gehenden Boutique, und seit zwei Jahren führe ich mit meinem Bruder das Aquarium, eine grosse Cafeteria am Zürcher Limmatquai. Der Vorwurf des Zu-hoch- Pokerns stimmt allerdings nicht. Dieses Gerücht hat der FC St. Gallen in die Welt gesetzt. Der Klub verschwieg jedoch die Tatsache, dass er mir einen Vertrag anbot, der 50 Prozent tiefer als der frühere war. Damit wollte Sportchef Stadelmann die Grossverdiener ausmisten, was ihm auch gelungen ist. Ich war keinesfalls bereit, die neuen Bedingungen zu akzeptieren. Denn ich gebe auf dem Platz alles und konnte bisher noch jedem Klub für die Lohnzahlungen einen entsprechenden Gegenwert an Leistung bringen.
Falsche Vorstellungen
Der FC St. Gallen war wohl aus monetären Gründen zu diesem Schritt gezwungen. Die Klubs gehen ja fast alle finanziell am Stock. Verdienen die Spieler immer noch zu viel Geld?
Nein, die Spieler verdienen zu wenig. Zudem haben die Klubs noch nicht begriffen, dass es besser wäre, einen starken, teuren Spieler zu verpflichten als zwei mässige, deren addierte Lohnsumme höher ist als jene des Top-Fussballers. Hinzu kommt, dass die Verträge derart leistungsbezogen sind, dass viele Kadermitglieder bei ausbleibendem Erfolg am Ende des Monats Mühe haben, die Rechnungen zu bezahlen. 90 Prozent der hiesigen Fussballer müssen zudem nach Abschluss der Karriere einen neuen Beruf ergreifen. Und das ist heutzutage nicht einfach. Wer in diesen Zeiten den Beruf eines Fussballers wählt, ist oft nicht zu beneiden. Auch wenn dies in den Medien meistens völlig anders dargestellt wird. Die Wirtschaftslage ist schlecht, das Leben wird aber stets teurer, und der Fussballer verdient immer weniger. So sieht die Realität aus.
Was läuft im Schweizer Klubfussball falsch?
Zuerst ist es einmal so, dass man den Schweizern die Euphorie aus der Nase ziehen muss. In den Stadien entsteht nur selten eine mitreissende Begeisterung. Was sich auf die gesamte Bewegung auswirkt. Das hat aber auch mit dem immer schlechter werdenden Niveau des Klubfussballs zu tun. Dies hängt wiederum mit dem zusammen, was ich an anderer Stelle gesagt habe: Es sind fast keine exzellenten Spieler mehr auf dem Rasen zu sehen. Meine Hoffnung gilt deshalb den Jungen. Deren Ausbildung ist besser geworden, und sie sind frecher und selbstbewusster. Insgesamt wünschte ich mir, dass ein Spiel schon im Vorfeld als spannendes Ereignis, das beste Unterhaltung verspricht, dargestellt wird.