hab es mal kurz abgetipt:
Zum Glück von Fredy Bickel fehlt nur noch der Erfolg beim FCZ
Die Wände liess er streichen, Jubelbilder aufhängen, er traf harte Entscheidungen wie die Trennung von Keller: Der neue FCZ- Sportchef hat seine Aufgabe mit Leidenschaft angepackt.
Von Peter M. Birrer, Zürich
Das Telefon klingelt. Vielleicht zum 15. Mal an diesem Morgen, vielleicht ist es schon der 25. Anruf. Ein Spielerberater meldet sich aufgeregt, weil einer seiner Klienten, ein Fussballer beim FC Zürich, nicht so recht weiss, woran er ist, und ob er Perspektiven hat. Es ist 10 Uhr am Morgen, und Fredy Bickel schaut über seine Brillenränder: « Wissen Sie, man kann nicht jeden Spieler mit Handschuhen anfassen. » Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und fragt in energischem Ton: « Okay? » Ende des Gesprächs.
Seit Dezember ist Bickel zurück im Klubgeschäft. In Zürich hat er den Job von Axel Thoma als Sportchef übernommen. Und bald hat er es wieder, dieses allwöchentliche Gefühl, Sieger oder Verlierer zu sein, « mal ganz oben, mal ganz unten » , wie er es formuliert und dazu die entsprechende Handbewegung macht. Er hat solche Momente im 2003 vermisst. Für die Uefa erledigte er zwar einige Aufträge. Aber das Leben in einem Verein, das Mitgestalten des Innenlebens, die Emotionen des Sports und das Mitprägen einer Mannschaft, darauf hat er zwölf Monate lang verzichten müssen. Jetzt ist Bickel in leitender Funktion beim FC Zürich. Vor sich hat er auf dem Pult einen Stapel Papier, hinter sich im Regal ein halbes Dutzend Videokassetten, auf denen er lauter Verstärkungen finden soll. Agenten haben die Bänder gleich selber vorbeigebracht, weil sie « rein zufällig in der Gegend waren » .
Bickel schmunzelt. Der Fussball funktioniert beim FC Zürich nicht nach anderen Gesetzmässigkeiten als damals in Bern bei den Young Boys. Es ist Donnerstag, und Bickel hat in seinem Büro im Letzigrund schon am Morgen drei Spieler empfangen. Jeder hat sich nach der Freistellung von Stephan Keller beim Sportchef erkundigt, ob seine Position auch gefährdet sei und sich die persönliche Situation beim FCZ demnächst ändern könnte. Bickel spürt, dass sich die Fussballer zumindest Gedanken zur aktuellen Situation machen, und er findet das « schon gut so » . Bickel will nicht reihenweise Spieler aus dem Kader werfen. « Das mit Keller » , sagt der 39- Jährige mit ein paar Tagen Abstand, « hat uns wirklich keinen Spass gemacht. Aber es war die einzige Lösung, die Sinn macht. »
Erinnerungsaustausch mit Favre
Am Mittag nimmt Bickel eine Auszeit im nahen Restaurant Libero bei Penne Arrabbiata. Lucien Favre ist auch da. Der Trainer, in aufgeräumter Stimmung, erinnert sich an die guten Zeiten im Letzigrund und zählt die grossen Namen glorreicher FCZ- Zeiten mit klingenden Namen auf: « Grob, Zappa, Jerkovic, Lüdi, Kuhn, Martinelli, Risi . . . » Gegenüber berichtet Bickel von seinen Ausflügen als junger GC- Fan. Und umgehend stellt er klar, dass er die Vergangenheit zu seinem ehemaligen Arbeitgeber auf dem Hardturm ruhen lässt. Noch mehr: Die Beziehung zu den Grasshoppers hat sich abgekühlt, « sie existiert nicht mehr » , präzisiert Bickel. Er sei jetzt beim FCZ, mit ganzem Herzen dabei, und er wiederholt, was er am Morgen schon gesagt hat: « Ich bin dem Klub dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe. » Die negativen Schlagzeilen, die seinen Abgang aus Bern begleitet haben, seien kein Thema gewesen, als Sven Hotz ihn angestellt hat. « Ich habe und spüre hundertprozentige Rückendeckung » , sagt Bickel, « und dafür will ich mit Leistung danken. » Bickel wurde in seiner YB- Zeit Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen. Die Untersuchungen sind eingestellt, die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, und Bickel ist rehabilitiert.
Der Sportchef hat seine neue Aufgabe mit Leidenschaft angepackt und sichtbare Signale gesetzt, die für einen Neustart stehen. Er hat den Kabinengang blau- weiss streichen lassen, an den Wänden hängen neuerdings Aktions- und Jubelbilder. Sogar die Uhr in der Garderobe ist ausgewechselt worden, « einfach als simples Zeichen » . Und über dem Ausgang prangt nun der farbige Schriftzug « Let’s go » .
Bickel ist auch für die Rahmengestaltung zuständig, ihm liegt einiges an einem guten Arbeitsklima – auch wenn er es in seinem Job für unvermeidlich hält, Entscheidungen zu treffen und sie zu vertreten wie jüngst im Fall Stephan Keller.
24 Stunden am Tag Ansprechstation
Im Stadionbauch läuft ihm Urs Fischer über den Weg, der immer gut gelaunte Teamcoach. Bickel: « Heute schon Zeitung gelesen, Urs? » Fischer: « Nein. » Bickel: « Ich habe gelesen, ich hätte dir den Job weggenommen. » Fischer lacht. Bickel lacht auch. Fischer: « Das isch aber nöd flott. » Er lacht weiter, schüttelt den Kopf und klopft Bickel auf die Schulter. Er hat offenbar keine Mühe damit, dass Bickel noch näher an die Mannschaft rückt. Oder er lässt sich zumindest nichts anmerken. Es ist irgendwie nicht die Stimmung, die zu einem Tabellenletzten der Super League passen will.
Am Nachmittag trifft sich Bickel mit Vorstandsmitglied René Strittmatter zum Informationsaustausch. Der Sportchef liefert seine News umgehend an die Vorgesetzten weiter, « jeden Tag stehe ich mit einem Vorstandsmitglied in Kontakt » , sagt er. Und macht sich danach wieder an Arbeiten, die verunmöglichen, dass er tun kann, was er tun möchte und müsste.
Er organisiert Testspiele und Trainingslager in Marbella, er korrigiert den Trainingsplan, kurz: « Eigentlich müsste sich ein Sportchef Gedanken darüber machen, wie die Zukunft aussieht. Das kann ich noch nicht. Wir sind im Rückstand. » Fredy Bickel markiert beim FCZ Präsenz. Er will vor der Mannschaft im Stadion zugegen sein, und er will den Letzigrund erst verlassen, wenn er am Abend den letzten Spieler nach dem Training verabschiedet hat. « 24 Stunden am Tag » , so sagt es Bickel, « bin ich die Ansprechstation für die Spieler. » Er sitzt wieder in seinem Büro, ausgerechnet an jenem Pult, das auch seinen Vorgängern gehörte. Als er zum FCZ kam, wurde ihm geraten, dieses Pult tunlichst zu meiden. Wer vorher dort sass, wurde ihm berichtet, habe sich nicht länger als ein Jahr auf dem Posten halten können. Bickel hat sich nicht beirren lassen. Er glaubt an eine positive Entwicklung, und er glaubt daran, mit Lucien Favre Erfolg zu haben. Apropos Trainer: Er mag Favre. Bickel sagt: « Die Öffentlichkeit soll sehen, dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen. » Seine Zukunft sieht Bickel in Zürich. Und zu seinem Glück fehlt ihm jetzt nur noch der Erfolg. Der Sportchef hat zwar nur einen Halbjahresvertrag unterschrieben.
Aber im Sommer will er seinen Arbeitsplatz nicht räumen. Schliesslich möchte er nicht schon wieder ein Leben ohne Emotionen im Berufsalltag führen.
BILD BEAT MARTI
Sichtbare Signale gesetzt: Fredy Bickel ist zurück im Klubgeschäft.
« Ich bin dem Klub dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe. »
FREDY BICKEL