«Zeit habt ihr bis Sonntag um 16 Uhr 15» (camino, resp. NZZ)

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billy
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«Zeit habt ihr bis Sonntag um 16 Uhr 15» (camino, resp. NZZ)

Beitragvon billy » 17.08.03 @ 7:09

Der FC Zürich steht vor dem Derby schlecht da. Wann nur erblüht Trainer Favres Spielkultur?

«Wir haben keine Krise», sagt der neue FCZ-Mittelfeldspieler Artur Petrosjan. Der Armenier stemmt sich damit gegen das wachsende Gewicht der schlechten Resultate. Der FC Zürich, vor Saisonbeginn in den Medien als «Transfersieger» gefeiert, hat in fünf Spielen viermal verloren; nur gegen den FC St. Gallen gelang ein Remis. Gelegentlich, etwa bei den Niederlagen in Basel und Bern, waren Spuren der technischen und taktischen Schulung erkennbar, für die der Coach Lucien Favre bekannt ist. Doch selbst in lichten Minuten gingen die Bälle so zuverlässig am gegnerischen Tor vorbei, dass Präsident Sven Hotz Stossseufzer fahren liess: «In solchen Momenten verstehe ich die Welt nicht mehr», sagt Hotz, der den Verein seit 1986 alimentiert. «Dann stehe ich still.»

Auch in der Anhängerschaft herrscht nach dem schlechtesten Saisonstart seit 1995 Ernüchterung. Zwar gehören Niederlagen seit mindestens zwei Jahrzehnten zum Selbstverständnis jedes FCZ-Fans - als Ausdruck einer alternativen Lebenskunst, mit der sich die Büezer und Intellektuellen aus Altstetten und Aussersihl gegenüber den Krawattenträgern im GC-Anhang profilieren. Doch dieser Gefühlspragmatismus erreicht seine Grenzen, wenn, wie es ein Fan ausdrückt, «gute Spieler plötzlich schwach spielen, weil sie beim FCZ unter Vertrag sind» - Bastida sei so ein Beispiel. Oder «wenn ein Trainer kommt, der als einer der besten der Schweiz gilt, und man sieht keine Verbesserung». Assistenztrainer Walter Grüter kann ein bisschen Trost spenden, indem er von einem Stilwechsel in der Vorbereitung erzählt: «Die Trainings sind länger als unter Georges Bregy, bis zu drei Stunden lang. Favre hat ein riesiges Fussballwissen, er ist Perfektionist und korrigiert jeden Fehler. Irgendwann muss dies zum Erfolg führen.»

Fragt sich nur wann. Auf den Fan- Homepages klingen die Kommentare bereits hämisch: «Ihr braucht Zeit?», fragt «Camino». «Die habt ihr bis Sonntag um 16 Uhr 15» (Anspielzeit des Derbys auf dem Hardturm). Der Coach mag sich auf keine Zeitpunkte festlegen. «Ich fahre fort, mit den Spielern zu arbeiten, wie ich es in den letzten zehn Jahren immer getan habe», sagt der Romand. Sein Deutsch wird immer besser, aber «die Balance», die er in seinem Team schaffen will, entzieht sich ein Stück weit seinen Bemühungen. Das Sezierlicht seiner Analyse wirkt blass vor dem Mysterium dieses Fehlstarts: «Wir sind zu schwach in der Rückeroberung des Balls», erklärt der Romand. Dies habe aber nicht mit mangelnder Aggressivität oder individuellen Mängeln zu tun, sondern mit dem Gleichgewicht zwischen den Mannschaftsteilen. Auch ein Pressing sei so nicht möglich - deshalb der Eindruck der Passivität nach Rückständen. Manchmal werden Favres Ausführungen auch zweideutig. «Im Pressing musst du Zweikämpfe aushalten», seufzt er, als sei dies «mit so vielen jungen Spielern» zu viel verlangt.

Die Jungen, das sind vor allem Dzemaili in der Verteidigung, Abdi im Mittelfeld und Stanic im Sturm. Zu ihnen würde der Part des Jokers gut passen, findet Sven Hotz. Nun aber seien sie in tragenden Rollen gefordert, weil es zu viele Verletzte gebe. «Warum nur musste sich Angreifer Yasar den Arm brechen gegen Servette?», fragt Hotz verzweifelt. Ausgerechnet Yasar, mit 1,88 m einer der Robusten im Team. Und warum ging Muff im Startspiel gegen Basel so zur Sache, dass er sich einen Leistenbruch holte, obwohl ihn diese Leiste schon Wochen zuvor gezwickt hatte? André Muff, 1,87 m gross, ein Turm im Sturm. «Er wird bald zurück sein», verspricht Favre. Keita und Guerrero, die real einsetzbaren Offensivkräfte, sind für hohe Bälle zu klein. Und Kresimir Stanic ist mit seinen 18 Jahren noch so unerfahren, «dass er seinen Körper zu wenig schützt», wie der Trainer sagt. Gegen GC fehlt er wegen eines Schlags gegen die Hüfte.

Obwohl die Mannschaft an allen Gliedern lahmt, sucht der FCZ in erster Linie Verstärkung durch einen Abwehrchef. Captain Keller kann diese Position, in die er nach dem Abgang Urs Fischers gerutscht ist, nicht ausfüllen: «Fischer führte jahrelang seine laute Röhre, die andern waren leise», erklärt Hotz. Im Moment testet Favre den Nachfolgekandidaten Bogdan Zajac aus Polen. Hotz verspricht, dem Trainer bei den Evaluationen Zeit zu lassen. Das sei ja der Vorteil des neuen Modus: dass der Existenzkampf nicht schon im Herbst mit dem «Strichkampf» beginne und er keine Forderungen nach Sofortmassnahmen zu hören bekomme. Diesmal habe man Zeit, die Wende zum Guten komme bald.

Trainer, Sportchef und Präsident müssen sich fragen, ob der «Transfersieg» nicht ein Pyrrhussieg war, obwohl er sich in wunderbarer Weise mit einer Budgetreduktion von 11,3 auf 8,5 Millionen Franken vereinbaren liess. Noch stehen alle drei hinter ihren Entscheiden und wollen nichts wissen vom angeblichen Gedränge im Aufbauzentrum. Simo bekam dort den defensiveren Part und bleibt damit blass neben dem offensiveren Petrosjan; Bastida wiederum spielt links aussen, obwohl ihm in der Mitte wohler ist. Petrosjan, der derzeit als Einziger im FCZ gute Noten erhält, sieht in Simo eine Komplementärfigur zu sich selber: Er, Petrosjan, sei schneller, der Kameruner dagegen stärker im Zweikampf. Simo mag sich dazu nicht äussern. Aus Sorge um die Harmonie in der Mannschaft? «Wenn wir weiter verlieren, könnte die Stimmung kippen», befürchtet der Kameruner.

Quelle: nzz
http://www.nzz.ch/2003/08/17/sp/page-article91CU6.html


Sascha
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Beitragvon Sascha » 17.08.03 @ 12:08

SUPER ARTIKEL.....selten so was über den FCZ gelesen...treffend!


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