Stadionverbote werden schon ausgesprochen, wenn dem Verein eine Nase nicht passt»: Wie
der FC Basel gegen unerwünschte Anhänger vorgeht. Ein Vorgeschmack auf die angekündigte nationale Hooligan-Datenbank.
HEINER BUSCH
Vergangenes Jahr wurde Ihr Name in Zusammenhang mit unangenehmen und unnötigen Randerscheinungen gebracht, welche nicht zum Fussball und zum Sport allgemein gehören.» So heisst es in einem Brief, den Gerold Dünki, ehemaliger Polizist und Sicherheitschef des FC Basel, Ende Januar an rund fünfzig Fans geschickt hat. «Da wir der Überzeugung sind, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelt», sollen die Angeschriebenen eine letzte Chance erhalten: Der FCB verlangt die Unterschrift unter eine «Absichtserklärung», in der sie sich «zum Sport, zum Fussball und zum FC Basel bekennen und sich von allen negativen Begleiterscheinungen distanzieren». Wer nicht unterschreibt, müsse mit «anderen Massnahmen» rechnen. Im Klartext: mit einem Stadionverbot.
Die Drohung hat bei den Fans ziemlichen Ärger ausgelöst. Im Internet-Fanforum des FCB reichen die Kommentare von «ungeheuer» bis «widerlich». Eine derart repressive Fan-Politik des Vorstandes will sich auch Peter Müller nicht mehr bieten lassen. Der 19-jährige Gymnasiast bestreitet nicht, dass es «viele Probleme» mit der Muttenzer Kurve gibt. «Über uns redet man nur bei negativen Vorfällen. Aber wir sind es auch, die im Stadion die Stimmung machen, ohne uns gibt es keinen guten Match.» Der Vorstand dürfe sich nicht nur um das Wirtschaftliche kümmern. Alle Beteiligten einschliesslich der Polizei sollten sich an einen Tisch setzen. Mit Repression und Vorverurteilungen komme man nicht weiter. «Ich stehe dafür ein, dass sich ein grosser Teil der Angeschriebenen im vergangenen Jahr nichts, aber auch gar nichts hat zuschulden kommen lassen.» Peter Müller und seine Freunde wollen vor allem wissen, woher Dünki die Namen und Adressen hat.
Der Sicherheitschef selbst schweigt zu den Briefen: «Wir haben abgemacht, dass ich dazu nichts mehr sage.» Trotz Schweigegebot für den Sicherheitschef: Der Vorstand steht voll hinter der Aktion. «lch gebe zu, die Sache mit den Briefen war unglücklich kommuniziert», liess Generalmanager Roger Hegi am vergangenen Donnerstag an einer Podiumsdiskussion (Thema: «Verliert der Fussball seine Seele?») verlauten. Dennoch: «Wir verlangen, dass sich die angeschriebenen Personen mit ihrer Unterschrift in jeglicher Form von Gewalt, Pyro und all den anderen Sachen distanzieren. Dann werden sie das ihren Leuten in der Kurve mitteilen, so dass sich am Ende alle daran halten.» FCB-Geschäftsführer Markus Laub hält die Briefaktion für erfolgreich. Dreissig der fünfzig angeschriebenen seien dem Aufruf gefolgt. Sie hätten auf den Versuch des «persönlichen Kontakts» durchwegs positiv reagiert. Von Vorverurteilung könne keine Rede sein.
Was die Herkunft der Adressen betrifft, reden sich die FCB-Verantwortlichen heraus. Anfang Februar hatte Dünki noch bestätigt, einen Teil der Angaben von der Bahnpolizei erhalten zu haben. Hegi nannte am Donnerstag eine neue Quelle: Die Adressen stammten aus Ermittlungsakten, die der Verein als Kläger bei der Polizei habe einsehen können. Laub schliesslich erklärte am Montag auf Anfrage der WoZ, die Angaben kämen aus verschiedensten internen Quellen. «Und dann haben wir uns weiter informiert. Wir lesen auch Zeitung und recherchieren zum Beispiel im Internet. Das tun Sie als Journalist ja auch.» Von der Polizei habe man keine Namen. «Seit ich Geschäftsführer bin, gab es keinen solchen Datenaustausch.»
DAS FAN-ABC DER POLIZEI
«Ich weiss nicht, wen Herr Dünki da angeschrieben hat», sagt Klaus Mannhart, Sprecher der basel-städtischen Kantonspolizei. «Von uns hat er die Adressen jedenfalls nicht.»
Allerdings gibt es sehr wohl Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen Polizei, Fussballklubs und den von ihnen beauftragten Sicherheitsdiensten. Stadionverbote würden üblicherweise von der Polizei bei den Vereinen beantragt, «wenn die Leute notorisch gewalttätig sind». Das seien die «C-Fans», die «eigentlichen Hooligans». Als «A-Fans» klassifiziert die Polizei jene, «die jubeln, wenn ihr Verein gewinnt, und leiden, wenn er verliert». ln der Kategorie B fänden sich die «Mitläufer». Um als «C-Fan» eingestuft zu werden, braucht es laut Mannhart keine Verurteilung: «Aber die sind eindeutig identifiziert durch Videoaufnahmen oder Zeugenaussagen» oder eben durch jene fünf bis zehn polizeilichen „Hooligan-Spezialisten“, die bei jedem Spiel anwesend seien und auch über das «entsprechende Gedächtnis» verfügen. Diese tauschen sich «natürlich» mit den von den Vereinen beauftragten privaten Sicherheitsdiensten aus. Da heisse es dann: «Passt auf den mal genauer auf! Wer ist das, kennt ihr den?»
Insgesamt sind bei der Nationalliga 240 Stadionverbote gemeldet, 120 betreffen alleine Basler Fans. Viele dieser Verbote seien völlig willkürlich, beklagt sich Peter Müller. «Die werden ausgesprochen, wenn denen die Nase eines Fans nicht passt. Da ist es egal, ob einer wirklich Sachschaden produziert, Fackeln oder Pyros zündet oder einfach nur am falschen Ort bei den falschen Leuten herumsteht.» Müller kennt den Fall eines 17 -jährigen Kollegen. Beim letzten Heimspiel gegen Luzern habe es draussen Auseinandersetzungen gegeben. Die Polizei habe das mit Videokameras aufgezeichnet. Beim nächsten Spiel sei der junge Fan identifiziert und dann wegen Landfriedensbruch verzeigt worden. «Der hat gar nichts getan, nur dabeigestanden. Aber Sie kennen das mit dem Landfriedensbruch sicher von Demos. Man muss gar keinen Stein geworfen haben. Es genügt, dass man da gewesen ist.»
Die Liste der Stadionverbote geht übrigens auch an Privatpersonen, die Busfahrten zu Auswärtsspielen des FC Basel organisieren. Stadionverbote gelten unbefristet bis auf Widerruf. Eine Richtlinie, so Astrid Wermuth, die die Verbotsliste bei der Nationalliga verwaltet, gibt es dafür nicht. «Theoretisch», so FCBGeschäftsführer Laub, «können wir ein Verbot ohne jegliche Begründung verhängen. Das ist eine privatrechtliche Angelegenheit.»
RUTH METZLER SPIELT MIT
Aus der privatrechtlichen Willkür soll jetzt eine Staatsschutzaffäre werden. Vergangene Woche stellte Bundesrätin Ruth Metzler das Projekt einer nationalen Hooligan-Datenbank vor, die beim Dienst für Analyse und Prävention (DAP), der im Bundesamt für Polizei angesiedelten eidgenössischen Staatsschutzzentrale, geführt werden soll. Die Datenbank sei vor allem im Hinblick auf die Europameisterschaften 2008 notwendig, die die Schweiz und Österreich gemeinsam ausrichten werden. Ihre Errichtung, so heisst es im entsprechenden Bericht, koste rund 2,4 Millionen Franken. Hinzu kämen jährliche Betriebskosten von 360000 Franken.
Mit seiner nationalen Datenbank entlastet der DAP vor allem den Sicherheitsdienst der Stadtpolizei Zürich, der im Auftrag der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten eine «Zentralstelle Hooliganismus» betreibt. Dort behauptet man, keine Daten zu sammeln. «Wir sind eine Koordinationsstelle für die ganze Schweiz und betreiben einen Erfahrungsaustausch.» Das ist alles, was Roland Schibli, dem Chef der Fachgruppe, zu entlocken ist. Alle weiteren Fragen bügelt er mit dem Hinweis ab, das sei Polizeitaktik. Vom Basler Polizeisprecher Mannhart ist immerhin zu erfahren, dass die Zentralstelle «bestimmt die meisten Listen» hat und bei internationalen Spielen auch Namen ausländischer Hooligans erhält. Schibli nimmt auch an den Beratungen der Sicherheitskommission der Nationalliga teil, die mit einem Schreiben im letzten Herbst die Forderung nach einer nationalen Hooligan-Datenbank unterstützt hat.
Das Projekt folgt dem Modell der beim deutschen Bundeskriminalamt geführten Datei «Gewalttäter Sport». «Für die Erfassung in dieser Datei reicht in der Praxis eine banale Ausweiskontrolle und die Einschätzung des kontrollierenden Polizisten, dass der Fan gefährlich sei», beklagt Michael Gabriel von der Koordinationsstelle der Fan-Projekte bei der Deutschen Sportjugend. Trotzdem sei die Datei Grundlage für die Weitergabe von lnformationen ans Ausland anlässlich internationaler Turniere. Ein nationales Stadionverbot ist zwar auch in Deutschland eine privatrechtliche Angelegenheit, führe aber fast zwangsläufig dazu, dass der betroffene Fan auch von der Polizei erfasst werde.
Auf das Doppelpass-Spiel von Staatsschützern und Vereinen müssen sich nun auch die Schweizer Fans gefasst machen. Die rechtliche Grundlage für die nationale Hooligan-Datenbank soll schliesslich im Staatsschutzgesetz geschaffen werden. Garantiert ist damit, dass es für die Betroffenen keine Einsicht in ihre Daten und folglich auch keine Möglichkeit gibt, falsche Daten zu korrigieren. «So willkürlich, wie die Vereine Stadionverbote aussprechen, wird die Datenbank bestimmnt bald voll sein», befürchtet der FCB-Fan Peter Müller.