Beitragvon Sandman » 29.09.11 @ 8:55
Die NZZ
Gegen sich selbst
Der FC Zürich trifft in der Europa League auf Vaslui
fcl. Piatra Neamt
Der FC Zürich wird über die rumänischen Landstrassen gelotst wie ein grosses Team des Weltfussballs: Eine Polizeieskorte mit Blaulicht und Sirene fährt dem Mannschaftsbus voraus; es ist der vielleicht unnötigste Begleitservice der Verkehrsgeschichte, weil die Strassen gar nicht verstopft sind. Aber dem FCZ-Präsidenten Ancillo Canepa gefällt es. Es tut dem FCZ gut, ernst genommen und zuvorkommend behandelt zu werden, vor allem nach den letzten Demütigungen und sechs Niederlagen in der Meisterschaft.
Es ist eine über einstündige Autofahrt, die der FCZ auf sich nimmt, weil er in der Nähe kein Hotel gefunden hat, das den Ansprüchen genügt. Das Spiel findet im Stadion von Piatra Neamt statt, 140 Kilometer von Vaslui entfernt, weil dessen Arena von der Uefa nicht zugelassen ist. Also fahren die Zürcher Bus – und machen sich Gedanken, was seit geraumer Zeit nicht stimmt mit ihnen.
Anzeige:Heute Donnerstag spielen die Zürcher in der Europa League gegen den FC Vaslui, der in der ersten Partie gegen Lazio Rom ein vielbeachtetes 2:2 erreicht hat. Aber eigentlich ist es ziemlich unerheblich, wer der Gegner des FCZ ist und wo die Bühne steht. Der FC Zürich ist so mit sich selber beschäftigt, dass er gegen sich selber spielen wird. Gegen seine Angst, gegen seine Krise. Und für ein Erlebnis, das ihm hilft, wieder zu sich zu finden. Der Captain Silvan Aegerter sagt: «Die Meisterschaft hat für uns Priorität. Aber für das Selbstvertrauen brauchen wir jedes Spiel.» Das Gegenteil gilt aber auch: Jede weitere Negativerfahrung vertieft die Verunsicherung. Deshalb ist das Spiel gegen Vaslui wichtig, obwohl das Derby am Sonntag gegen GC viel bedeutender ist. Für den Trainer Urs Fischer ist das die anspruchsvollste Aufgabe: herauszufinden, wie er gewichten muss, wie viele Spieler er schonen soll.
Der Sportchef Fredy Bickel hat die Begabung, in den Gesichtern seiner Spieler lesen zu können wie in einem Buch. Nur versteht er nicht immer, was er dort sieht. Zum Beispiel wenn Ricardo Rodriguez lachend auf ihn zukommt, oder wenn Admir Mehmedi ihm beschwichtigend zuraunt, es werde alles gut, ganz sicher. Er sagt: «Einige Junge wissen immer noch nicht, in welcher Situation wir uns befinden.»
Dann denkt Bickel manchmal daran, wie er selber nicht schlafen kann, weil ihn die Krise wachhält. Er beobachtet am Mittwoch junge FCZ-Spieler, die vor dem Hotel gedankenlos am Bus vorbeischlendern, die Materialkisten links liegenlassen und erst später merken, dass sie das Schleppen vielleicht nicht nur den Routiniers Aegerter und Ludovic Magnin überlassen sollten. Bickel hat sich schon verschiedene Gegenmassnahmen überlegt. Er denkt zum Beispiel darüber nach «zu drohen». Aber das ist so eine Sache mit dem FCZ: Darauf sprechen die Spieler nicht an. Und Bickel ist vieles, bloss kein «bad guy», dem man diese Rolle abnimmt.
"Das grösste Geheimnis der Engländer ist, warum sie nicht auswandern." (E. Kishon)