Zwischen Hoffnung und Sorgen
Der FCZ startet heute gegen Sporting in die Europa League und setzt sich den 2. Gruppenplatz zum Ziel.
Von Thomas Schifferle
Vor zwei Jahren bekamen sie es beim FCZ noch mit den Mamama zu tun: Marseille, Mailand und Madrid, vor allem Real Madrid. Sie seien die kleinen Buben gewesen, die im Fussball die grosse Welt entdeckt hätten, erinnert sich Präsident Ancillo Canepa.
Jetzt ist nicht mehr Champions League, es ist Europa League, nur Europa League. Für den FCZ ist der kleine Europacup zumindest finanziell ein Segen. Die zusätzlichen Einnahmen garantieren ihm diese Saison eine ausgeglichene Rechnung.Sporting, Vaslui und Lazio heissen die Gruppengegner. Sporting aus Lissabon ist die Nummer 3 in Portugals Hierarchie, hinter Benfica und Porto, Vaslui die grosse Unbekannte aus der rumänischen Provinz und Lazio der Verein aus Rom mit sportlich respektablem Ruf. Canepa erwartet, dass der FCZ ein «ebenbürtiger Gegner» sei, und erklärt den 2. Gruppenplatz zum Ziel, um auch im neuen Jahr europäisch dabei zu sein.
Die grosse Zuschauerfrage
Die Champions-League-Spiele damals waren innert Stunden ausverkauft. Die spektakuläre Anziehungskraft der Gegner in der Europa League hingegen fehlt. Canepa wagt nicht, einschätzen, wie viele Zuschauer heute gegen Sporting in den Letzigrund kommen. Er muss wohl froh sein, wenn es in den drei Heimspielen insgesamt 40 000 Zuschauer gibt.
Sporting, mit den Nationalspielern Rui Patrizio und João Pereira, ist in der Meisterschaft nur schwer in Tritt gekommen. Fünf Punkte aus vier Spielen sind so bescheiden wie die neun Punkte aus acht Runden für den FCZ. Die Bilanz Sportings lässt Canepa hoffen, dass für seine Mannschaft heute ein Erfolg drin liegt, die Bilanz des FCZ ist gleichzeitig das, was ihn umtreibt und sorgt.
Die Saison der Zürcher ist eine Achterbahnfahrt, sportlich wie emotional. Auf die Niederlagen in Sitten und gegen Servette folgte das Remis in Lüttich in der Champions-League-Qualifikation, das durch die Niederlage in Lausanne getrübt wurde. Danach wurden Lüttich daheim besiegt, GC deklassiert und Basel auswärts bezwungen. Die Ernüchterung stellte sich mit den Niederlagen gegen Bayern und Xamax ein. Die Reaktion erfolgte mit dem 3:2 in Bern und der nächste Rückschlag mit dem 1:3 in Luzern letzten Samstag.
Canepas Worte mit Bedacht
Canepa sitzt in seinem Büro, die Pfeife zur Hand, den Hund zu Füssen. Er ist nicht mehr aufgebracht wie nach dem blamablen Auftritt gegen Servette, als er über die Spieler sagte, sie seien dem wahren Leben entrückt. Er schwebt auch nicht mehr wie in den ersten August-Tagen, als die Saison mit dem Erfolg gegen Lüttich wirtschaftlich gerettet und die Euphorie durch das Los Bayern verstärkt wurde. Um den aktuellen Gefühlszustand zu beschreiben, überlegt er lange, «wie soll ich sagen?», fragt er, bis er erklärt: «Ich bin weniger am Boden zerstört, als man erwarten würde.»
Die Worte sind mit Bedacht gewählt. Ein Ausbruch wie zu Saisonbeginn, das weiss er, bewirkt vielleicht einmal etwas, höchstens zweimal, mehr ganz sicher nicht. Dabei bringen lethargische Auftritte wie in Luzern den impulsiven Italiener in ihm hervor. Er lief nach dem zweiten Gegentor aus dem Stadion davon.
Der FCZ sei eine gute, aber keine Übermannschaft, hat Sportchef Fredy Bickel schon erklärt. Um an der Spitze mitzuhalten, müsse sie immer an ihre Grenzen gehen. Sie kann in Basel gewinnen und in Bern, beide Male dank zweier sehr später Tore. Genauso ist sie unfähig, gegen die Schwächeren der Liga die Pflicht zu erfüllen. Als Erkenntnis daraus bleibt, fürs Erste: Es fehlt an Charakterköpfen, um auch an weniger guten Tagen zu bestehen.
Es fehlt der Chef
Die Abwehr ist für nationale Verhältnisse respektabel besetzt, sofern denn alle in Form sind und sie sich nicht Aussetzer leisten wie so oft schon in dieser Saison. Die Offensive hat Talent dank Admir Mehmedi und Klasse dank Amine Chermiti, aber der eine ist noch jung und der andere verletzungsanfällig.
Das Problem ist das Mittelfeld: dass Junge wie Adrian Nikci und Marco Schönbächler stagnieren, Djuric kein begnadeter Kämpfer ist und dass vor allem hier der Chef fehlt. Weder Silvan Aegerter noch Xavier Margairaz taugt für diese Rolle. Ludovic Magnin würde das, aber er ist nicht nur Linksverteidiger, sondern vor allem weit über seinen Zenit hinaus. Die Chance zur Korrektur bietet sich dem FCZ in der zentralen Reihe nächstes Jahr. Dann laufen die Verträge von Aegerter, Margairaz und auch von Djuric aus.
Im Sommer entschied der FCZ, auf eine aus der Vorsaison eingespielte Mannschaft zu bauen. Er hoffte, dass sich die Jungen entwickeln. Und verzichtete deshalb und nicht zuletzt aus Sparzwängen bewusst auf die Zufuhr von «frischem Blut», so Canepa. Er war auch überzeugt, ein gutes Kader zu haben. 22 der 25 Spieler seien aktuelle oder ehemalige Nationalspieler, in A- oder Nachwuchsteams, rechnet Canepa vor. Und schliesst daraus: «Das ist Qualität.»
Das 3:0 von Kuhn und Künzli
2009/10, in der Saison der Champions League, stürzte der FCZ in der Meisterschaft auf Rang 7 ab. Bernard Challandes zahlte dafür mit der Entlassung. Nun steht der Zweite der vergangenen Meisterschaft nach acht Runden so schlecht da wie seit 2004 nicht mehr. Canepa registriert das, sagt, die Verletzten würden wieder zurückkommen, auf einer Achterbahn gehe es auch wieder aufwärts, und überhaupt: Er habe volles Vertrauen in Urs Fischer und dessen Stab.
Canepa schiesst aus seinem Stuhl hoch und findet im dicken FCZ-Buch die Bestätigung für das, was ihm auf einmal in den Sinn kommt. 1968 gewann der FCZ im Uefa-Cup gegen Sporting 3:0, dank Toren von Winiger, Meyer und Neumann. Es war die Mannschaft der Grob, Martinelli, Kuhn und Künzli. «Schon klar», sagt Canepa.
Voraussichtliche Aufstellung: Leoni; P. Koch, Béda, Teixeira, Rodriguez; Nikci, Buff, Margairaz, Alphonse; Mehmedi, Chermiti. - Ersatz: u. a. Chikhaoui.
Q: Tagesanzeiger