LiGhmasteR hat geschrieben:oh ja jetzt wechselt er koch einen verteidiger ein, super urs! trotz rot sollte bei einem 0:2 rückstand nur eine richtung gesucht werden. versucht der typ doch tatsächlich das 0:2 zu halten. LÄCHERLICH!!!
Es ist nichts mehr als eine Stammtischparole (zugegebenermassen eine,die auch bei TV-Kommentatoren weitverbreitet ist), wenn man denkt, ein Trainer müsse nur einen Stürmer einwechseln, damit man offensiv gefährlicher werde. Das ist vielleicht bei Grümpelturnierfussball so, aber im Profibereich funktioniert dies im 21.Jahrhundert nicht so einfach. Angriff beginnt hinten und Verteidigung beginnt vorne. Man kann nicht den dritten Schritt vor dem zweiten oder gar dem ersten machen.
Also, um ein Tor zu erzielen, muss man:
1. Ball erobern
2. Sofortige Ballzurückeroberung des Gegners ausschalten
3. Lücke finden
4. Ball zu einem eigenen Mann in Angriffszone bringen
5. Einen eigenen Mann in Abschlussposition (freie Schussbahn) mit einem präzisen Pass oder Flanke anspielen
6. Mann in Abschlussposition nimmt Ball gut an und schiesst ein Tor
Es bringt rein gar nichts, wenn sich vorne mehrere Stürmer auf die Füsse treten, wenn die eigene Mannschaft dadurch im Mittelfeld und hinten hoffnungslos in Unterzahl ist und den Ball erst gar nicht erobern kann. Oder wenn der Ball mal erobert ist, man keine vernünftige Anspielstation findet, weil alle ganz vorne stehen.
Kann mich noch gut an ein wichtiges WM 2006-Qualifikationsspiel der Schweiz im Hardturm gegen Zypern erinnern, als die Schweiz kaum zu Torchancen kam, und Zypern das 0:0 über die Zeit zu bringen schien, als sich alle sogenannten Experten an den Kopf langten, als Köbi Kuhn den Linksverteidiger Ludo Magnin einwechselte. Minuten später macht Magnin einen Rush über die linke Seite und flankt zentimetergenau auf den Kopf von Alex Frei: 1:0 mit einer der ersten Torchancen der Schweiz in jenem Spiel. Zuvor hatte die Schweiz die Zyprioten einfach nicht knacken können und mit der Einwechslung eines Stürmers hätte dies ebenfalls nicht geklappt - man hätte stattdessen eventuell sogar noch verloren und die WM-Qualifikation verpasst.
Wenn du ein Tor erzielen willst, musst du zuerst den Ball erobern, dann in eigenem Ballbesitz durchs Mittelfeld bringen und dann auch noch eine gute Vorlage liefern. In der TV-Zusammenfassung ist meist nur der erfolgreiche Abschluss zu sehen, aber ohne all das zuvor geleistete, wäre dieser gar nicht erst möglich gewesen.
Wenn man unbedingt noch ein Tor erzielen muss und will, muss man bei den Einwechslungen schauen, welcher der obengenanten sechs Schritte in dieser Partie nicht funktioniert hat und warum. Vielleicht versiebt ja der Stürmer massenweise Chancen, weil er einen schlechten Tag hat - dann muss man ihn vielleicht durch einen anderen Stürmer ersetzen, bei dem man hofft, dass er treffsicherer sein wird. Man könnte theoretisch natürlich auch einen Verteidiger rausnehmen, aber dann kommt man zu weniger Torchancen, weil die Herausnahme eines Verteidigers die Balleroberung und das Aufbauspiel negativ beeinflussen würde.
Vielleicht ist aber auch zu wenig Ballbesitz das Problem. Dann sollte man einen guten Balleroberer im Mittelfeld einwechseln.
Oder man kommt nicht in Abschlussposition - da muss man sich fragen, wie das gegen den heutigen Gegner mit den Einwechselspielern am besten zu bewerkstelligen ist: einen Chiumiento-Typ einwechseln, der Pässe in die Tiefe schlagen soll - oder einen offensivstarken Aussenverteidiger, der Flanken in den Strafraum schlagen soll?
Oder soll man Standardsituationen provozieren? Dies ist aber nur dann eine gute Strategie, wenn Standardsituationen eine Stärke des Teams sind.
Und generell zu den Einwechslungen: natürlich kann ich nachvollziehen, dass viele Fans wollen, dass der Trainer "etwas macht - egal was....". Es ist ja auch wirklich schwierig mitzufiebern, wenn man selbst nicht eingreifen kann. Das erfahren die Spieler selbst auch in Momenten, wenn sie verletzt auf der Tribüne sitzen und mitfiebern müssen. Der Trainer darf um des Erfolges willen aber nicht so denken. Der Trainer sieht die Spieler die ganze Woche im Training, kennt sie sehr gut, und weiss genau wie sie drauf sind. Manchmal drängt sich einfach keiner auf und die beste Option für den Trainer ist, der Anfangsformation zu vertrauen, dass sie noch zu einer Reaktion fähig ist. In Bern beispielsweise war die 1.Halbzeit und der Beginn der 2.Halbzeit des FCZ wirklich schlecht. Erst das Gegentor durch Costanzo hat die Blockade gelöst, und man sah von einer Minute auf die andere einen ganz anderen FCZ... - mit den gleichen Spielern....