Tränen beim Pokerspiel
Vor dem Duell gegen den FC Bayern wirbt Hertha BSC heftig um Stürmer Raffael aus Zürich
Michael Jahn
BERLIN. Am Sonnabend wird Lucien Favre die Vergangenheit einholen. Ancillo Canepa und René Strittmatter, der Präsident und der Chef des Verwaltungsrates vom Schweizer Meister FC Zürich, haben sich angemeldet. Sie werden beim Spiel zwischen Hertha BSC und dem FC Bayern München (15.30 Uhr) auf der Ehrentribüne des Olympiastadions sitzen und ihren früheren Cheftrainer, dem sie zwei Meistertitel verdanken, bei der Arbeit beobachten. Doch das ist nicht ihr primäres Ziel.
Hertha BSC will sich noch einmal um den Zürcher Mittelstürmer, den 22-Jährigen Brasilianer Raffael de Araujo, bemühen und Verhandlungen aufnehmen. Lucien Favre pflegte ein besonderes Verhältnis zu diesem "spielenden Mittelstürmer", wie er sagte. Favre ist so etwas wie der Mentor dieses torgefährlichen Profis und forciert seit seiner Ankunft in Berlin im Juni den Transfer seines Lieblingsstürmers immer wieder.
Nun aber versuchen beide Seiten, das Treffen in Berlin herunterzuspielen, was wohl zum Pokerspiel um Raffael gehört. Hoeneß sagt: "Wir werden uns kurz treffen." Und Canepa behauptet, er habe den Besuch des Hertha-Spiels gegen Bayern schon lange geplant, "schließlich besitze ich seit drei Jahren eine Wohnung am Potsdamer Platz und zwei Dauerkarten bei Hertha." Er wolle sich mit Hoeneß "zum Kaffee treffen".
Der Zeitplan ist eng. Die Zürcher kommen am Vormittag mit Swissair und fliegen schon nach dem Spiel zurück. Raffael selbst war es, der in dieser Woche den schier endlosen Poker um seine Person neu angefacht hatte. "Ich will nach Berlin", sagte er, "ich hoffe sehr, dass sich beide Seiten im Winter einigen werden."
Für Favre ist klar: Er und seine Mannschaft, die nicht seinen hohen Qualitätsansprüchen entspricht, müssen das Duell gegen den FC Bayern München einigermaßen gut überstehen - danach will der Trainer das Team weiter umkrempeln. Mit neuen Spielern, am liebsten mit Raffael. Die desaströse Bilanz der zurückliegenden Wochen mit sieben Niederlagen, einem Remis und nur zwei Siegen, die dürftige Auswärtsausbeute (nur ein Sieg in Duisburg bei sieben Niederlagen) und die auch kämpferisch enttäuschenden Auftritte wird Favre zu einer harten Analyse nach dem Bayern-Spiel veranlassen. Eine Forderung daraus sind notwendige Transfers.
Zwölf Tore seit Saisonbeginn
Hertha BSC bot schon im Sommer fast sechs Millionen Euro für Raffael, Zürich aber lehnte ab, verwies auf den Vertrag des Brasilianers bis 2011. Außerdem hofften die Chefs des FCZ, dass sich Raffaels Marktwert in den Spielen der Champions-League-Qualifikation noch einmal steigern würde. Doch international enttäuschte der seit drei Jahren beste Torschütze des Renommierklubs. Trotzdem boten in der vorigen Woche die schwerreichen Besitzer des russischen Klubs FK Moskau (früher Torpedo) rund acht Millionen Euro. Raffael aber will nicht ins kalte Moskau, er ist ein Typ, der viel Zuwendung benötigt. Die hofft er erneut bei Favre zu finden. Als sein Transfer im August nach Berlin platzte, brach er auf der Geschäftsstelle in Tränen aus. Damals versicherte ihm Sportchef Fredy Bickel, im Winter neu zu verhandeln. Kurios ist nur: Im Herbst zog Hertha BSC sein Angebot per Fax zurück.
Nun aber sagt Manager Hoeneß: "Natürlich ist der Spieler sportlich interessant für uns. Ob es im Winter oder im Sommer zu realisieren ist, dazu möchte ich mich nicht äußern."
Knackpunkt ist die Ablösesumme. Zürich fordert nach wie vor sechs Millionen Euro, Hertha BSC hat im Winter jedoch nur rund drei Millionen für Neuverpflichtungen zur Verfügung. Vielleicht sind andere Transferkonstrukte möglich, etwa Ratenzahlungen. Raffael hat in dieser Saison schon zwölf Tore geschossen, 26 waren es zusammen in den beiden Meisterjahren. Sein größter Fürsprecher Lucien Favre hält sich öffentlich bedeckt, er sagte nur: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Raffael nach Moskau geht."
Berliner Zeitung, 14.12.2007
Quelle:
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 09496.html