David Sesa
Velo fahren in Ferrara
David Sesa (33) ist nach einer bewegten Laufbahn in Italiens 4. Liga angekommen. Er ist zufrieden da.
Von Thomas Schifferle
Die Liga heisst Serie C2-B. Cisco Roma führt sie an, die Mannschaft des gealterten Paolo di Canio. Spal Ferrara folgt nur vier Punkte dahinter auf dem 4. Platz. Spal ist David Sesas Verein, Ferrara ist die kleine Universitätsstadt in der Emilia Romagna, eine der reichsten Gegenden Italiens. Die Altstadt ist aus der Renaissance. Nirgends gibt es im Land mehr Velofahrer als hier. Sesa ist beeinflusst von der lokalen Besonderheit. Er fährt mit dem Velo zum täglichen Training.
Die C2 ist weit entfernt von der verklärten Serie A. Sie ist nur Italiens vierte Liga, aber auch sie wird professionell betrieben. Vor jedem Spiel geht es für eine Nacht ins Hotel. 2 Millionen Euro beträgt das Budget von Spal, das 24 Spieler beschäftigt. Sesa geht es gut in diesem Umfeld.
Schicksalsort Neapel
Er ist Dielsdorfer, FCZler, Sohn italienischer Einwanderer. Er ist einer dieser Schweizer, die ihren Weg im Ausland gesucht haben. Er ging 1998 nach Lecce, spielte zwei überragende Saisons, bis er der sündhaften Verlockung Neapel erlag. Napoli, Klub der Sehnsüchte und ehemaliger Arbeitsplatz des «pibe d’oro», von Goldfüsschen Maradona. Die grossen Summen flossen bei Sesas Unterschrift: 13 Millionen Franken Ablöse für Lecce, 1,5 Millionen Lohn für ihn, jährlich und netto bis 2004.
Mit dem Aufstieg begann Sesas Abstieg. Denn in Neapel gab es nur Probleme: kein Stammplatz, sieben Trainerwechsel, Chaos. Sesa war bereit, die Bezüge zu halbieren, dafür im Gegenzug die Vertragsdauer bis 2007 zu verlängern. Er wollte seinen Teil dazu beitragen, den drohenden Konkurs zu vermeiden. Im August 2004 kam der grosse Knall, Napoli hatte 104 Millionen Schulden. Heute sagt Sesa: «Den Transfer zu Napoli hätte ich nicht machen sollen.» Er verlor das Geld für dreieinhalb Vertragsjahre. Noch heute kämpft er darum, zumindest elf ausstehende Monatslöhne zu erhalten. Er erzählt das alles ohne Bitterkeit in der Stimme. Es ist, wie es ist. Nach Napoli kam ein missglückter Abstecher nach Aarau mit 117 Spielminuten. Ein Frühling 2005 in Palazzolo, der mit dem Abstieg aus der Serie C2 endete. Ein halbes Jahr Pause, während der Sesa mit dem Nachwuchs von Lecce trainierte. Dann der Wechsel zu Spal, das seine besten Zeiten vor vierzig, fünfzig Jahren hatte, mit vielen Saisons in der Serie A. Fabio Capello war einmal Spieler hier.
Wenigstens kommt der Lohn
Vor zwei Jahren ging Spal in Konkurs. Ein Bauunternehmer aus dem nahen Comacchio übernahm den Klub. «Der Präsident ist pünktlich beim Zahlen der Löhne», sagt Sesa. Wer einmal in Neapel war, weiss das zu schätzen. Der Aufstieg ist das Ziel von Gianfranco Tomasi.
Sesa wird 34 im Juli. Dass er Captain ist, zeigt seine Bedeutung für den Klub. 3000 Zuschauer besuchen die Spiele im Schnitt. So viele waren es auch am Sonntag, als Spal gegen Poggibonsi 2:0 gewann. Sesa erhielt in der «Gazzetta dello Sport» eine 7, die zweitbeste Note aller Spieler. Am Montagabend befasste sich ein lokaler TV-Sender wie jede Woche während 90 Minuten mit Spal.
Noch ein, zwei Jahre gedenkt Sesa weiterzuspielen. Und danach: Trainer, Sportchef, Juniorentrainer? Er will sich die Zukunft gut überlegen. Schon viele Fussballer seien nach ihrem Rücktritt «in den Hammer» gelaufen, sagt er. Er hatte seinen Hammer schon. In Neapel.
Quelle: tagi, 27.02.07, Seite 41