Beitragvon Trevox » 07.10.06 @ 18:40
Schöner Bericht aus dem heutigen St.Galler Tagblatt über Stipe Matic:
Weltenbummler aus Split
Stipe Matic und seine Rolle als Abwehrchef des FC Wil
Mit seiner grossen Erfahrung gehört Stipe Matic zu den tragenden Säulen beim FC Wil. Der Kroate sei ein Vorzeigeprofi, sagt Trainer Uli Forte.
Kroatien, Ungarn, Bosnien, die Schweiz, Israel, Polen und jetzt wieder die Schweiz. Was sich ansieht wie die Stationen einer Diplomatenkarriere, sind die Arbeitsorte des Fussballprofis Stipe Matic. Dass es ihn in den vergangenen sechs Jahren immer wieder in ein anderes Land verschlagen hat, dürfte kein Zufall sein. Reisen öffnet den Blick, weitet den Horizont. Und Matic ist trotz seiner Verbundenheit mit seiner Heimat Kroatien einer, der sich gern auf etwas Neues einlässt. Beispielsweise während des Engagements bei Vasas Budapest, als er sich in den Kopf gesetzt hatte, Ungarisch zu lernen. Oder in Israel, als er vor zwei Jahren eine Saison lang in Beer Sheva am Rande der Wüste Negev spielte. Die Auswärtspartien in Tel Aviv oder in Jerusalem und die Berührungen mit der jüdischen und arabischen Kultur sind zu bleibenden Erinnerungen geworden.
Dank Sportchef Thoma
Seit drei Monaten steht der 27-jährige Kroate beim FC Wil unter Vertrag. Matic wollte nach einem einjährigen Engagement beim polnischen Verein Gornik Zabrze in die Schweiz zurück. Er schätzt hier Lebensqualität, Landschaft und Leute und nahm dafür in Kauf, zum ersten Mal in seiner Karriere nicht in einer obersten Liga zu spielen. Das Wiler Interesse kam nicht von ungefähr. Zum einen stand der ehemalige kroatische U21-Internationale zuoberst auf der Wunschliste von Sportchef Axel Thoma, der Matic schon vor drei Jahren beim FC Zürich begegnet war. Zudem verfügt der Innenverteidiger über Qualitäten, die für Challenge-League-Verhältnisse aussergewöhnlich sind: Er ist im Spiel kompromisslos, technisch und bei Kopfbällen stark. Und er weiss, wie viel Verantwortung er in seiner Rolle trägt. «Ein Abwehrchef muss wach sein und schon im Voraus wissen, was der Gegner macht. Wenn man eine Sekunde lang nicht aufpasst, kann das fatale Folgen haben.»
Zu schätzen weiss Matics grosse Erfahrung auch sein Trainer. «In den ersten Spielen war er fast zu ruhig. Doch jetzt coacht er seine Mitspieler immer besser», sagt Uli Forte, der dem Kroaten nicht nur wegen seiner fussballerischen Qualitäten, sondern auch bezüglich Einstellung und Berufsverständnis Höchstnoten erteilt.
Hochzeit
Matic, der auf dem Fussballplatz energisch in die Zweikämpfe geht, wirkt neben dem Feld eher bescheiden und zurückhaltend. Sein mediterranes Temperament schimmert aber durch, wenn das Gespräch auf seine Heimat schwenkt. «Manchmal zeige ich den Teamkollegen Fotos von Split und die können dann gar nicht glauben, dass es dort so schön ist. In vielen Köpfen geistern noch immer die Zerstörungen aus dem Jugoslawien-Krieg herum, obwohl meine Stadt davon fast nicht betroffen war», sagt er, der seine bisher grössten Erfolge (kroatischer Meister und Cupsieger) bei seinem Stammverein Hajduk Split feierte. Irgendwann will Matic die Mittelmeermetropole Kroatiens wieder zu seinem Lebensmittelpunkt machen.
Doch vorerst kreisen seine Gedanken um den FC Wil und um das Spiel von morgen Sonntag (14.30 Uhr) gegen Winterthur, das für ihn nicht nur wegen des Derby-Charakters ein besonderes sein wird. Zum ersten Mal wird auf der Bergholz-Tribüne auch seine Frau mit dabei sein. Im vergangenen Juli haben die beiden mit 140 Gästen und dem kroatischen Nationalgoalie Stipe Pletikosa als Trauzeugen geheiratet. Nur zu gerne würde Matic auch mit dem FC Wil Feste feiern. Zeit bleibt genug: Sein Vertrag läuft über zwei Jahre – wenn es denn den Weltenbummler nicht schon vorher wieder an einen anderen Ort zieht.