Beitragvon Loyalist » 29.11.06 @ 7:02
im tagi vom 29-11-06
«Jeder Spieler der Academy ist ein Projekt»
Die grössten Talente der FCZAcademy absolvieren jeden Dienstag- und Donnerstagmorgen ein Zusatztraining.
Von Peter Aeschlimann
Es ist kalt an diesem Novembermorgen, Nebel hängt über dem Hardhof. Eigentlich kein Wetter für Frühsport. Aber auf Platz vier der Sportanlage trommelt Artur Petrosyan seine Junioren zum Aufwärmen zusammen. Das Training der viel versprechendsten Nachwuchsfussballer aus der Talentschmiede der FCZ-Academy beginnt. Dabei ist auch eine junge Frau: Sandra Betschart vom FFC Seebach. Die U-19 Nationalspielerin trainiert seit dem Sommer mit. Der Altersunterschied in der Gruppe macht es aus. Man profitiert voneinander. U-16-Spieler Jonas Müller etwa sagt, er lerne im Talenttraining sehr viel von seinen älteren Klubkollegen, wie zum Beispiel von U-21-Stürmer und -Aushängeschild Javier Santana. Und Letzterer soll hier beweisen, dass er Verantwortung übernehmen kann; dass neben seinen Beinen auch sein Charakter fit ist für den Übertritt in die erste Mannschaft des FCZ. U-21-Trainer Urs Fischer, der das Treiben auf dem Platz aufmerksam verfolgt, nennt das Lebensschule. «Das tolle an der Academy ist der rote Faden, der sich durch die Mannschaften zieht. Von der U-13 bis zu den Profis sind alle ein Team», sagt die FCZ-Legende. Meistertrainer Lucien Favre wisse immer bestens Bescheid, was gerade im Nachwuchsbereich geschehe. «Wer hier auf dem Platz steht, erhält vielleicht einmal die Chance, in die erste Mannschaft aufgenommen zu werden. So gesehen, ist jeder Spieler ein Projekt.»
«Technik unter Druck» Jetzt übernimmt Academy-Leiter Ernst Graf die Gruppe. Er verteilt rote und gelbe Leibchen. Die Roten müssen den Gelben den Ball stibitzen und umgekehrt. «Technik unter Druck» wird so geschult. Auf engstem Raum lassen die Spieler den Ball zirkulieren, spielen einander schnelle Pässe zu. Einem gelingt ein schönes Dribbling, beim Absatztrick verliert er aber den Ball. Graf ruft hinein: «Jonas! Einfacher spielen!» Mit vollem Körpereinsatz kämpfen die Spieler um jeden Ball und spornen sich dabei lautstark an. Kein Foul, kein böses Wort. Das beeindruckt. Persönlichkeitsbildung gehöre eben genauso zum Training wie Toreschiessen, sagt Ernst Graf: «Im mentalen Bereich liegt noch viel Potenzial.» Einmal mussten die Spieler vor ihren Kollegen und FCZ-Mediensprecher Alexander Kuszka ihre Träume und Ziele in eine Kamera sprechen. Ein anderes Mal ein Training selber organisieren und leiten. «Das formt den Charakter», sagt Graf. Wie zum Beweis, dass seine Methoden funktionieren, schickt er seine Schützlinge, das zweite Tor zu holen. Alle rennen sofort los, tragen den Kasten zu neunt dorthin, wo ihn der Trainer haben will. Teamwork heisst hier definitiv nicht: «Toll, ein anderer machts.»
Santana einer der «Zukünftigen»
In der letzten Trainingseinheit vor dem obligaten Plauschmatch sollen die Talente ihre Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor unter Beweis stellen. «Situationen, in denen ein Spieler alleine vor dem Goalie steht, kommen im Match oft vor. Wenn dann einer den Ball sieben Meter über die Latte drischt, anstatt per Innenrist einfach einzuschieben, nervt das gewaltig », so Graf. Einer, der besonders oft trifft, ist Javier Santana. Mit einem Ronaldinho- Grinsen versenkt er Ball um Ball im Tor von U-21-Teamkollege Orlando Lattmann. Ex-FCZ-Profi Petrosyan meint: «Er ist einer der Zukünftigen.» Wenn der nicht trainiert, drückt er die Schulbank an der United School of Sports, wo er sich zum Kaufmann ausbilden lässt. Momentan arbeitet er gerade als Praktikant bei Teleclub. Als Vorbilder nennt der junge Mann Pelé und Ronaldo. Sein grösster Traum: Fussballprofi beim FC Zürich. «In einem halben Jahr sollte es so weit sein», hofft Santana. Im Plauschmatch schiesst Javier zwei Tore und bereitet eins vor. Seine Mannschaft gewinnt 4:2. Das Training ist aus, und Ernst Graf ist zufrieden: «Die Jungs zeigten vollen Einsatz.» Nach dem Talenttraining fahren Jonas und Claudio mit dem Tram in ihre Klasse am Kunst und Sport Gymnasium Rämibühl. Gleich steht eine Französischprüfung an. «Wie lautet noch einmal das Plusquamperfekt von ‹manger›?», fragt Jonas und schält sich eine Mandarine.