Beitragvon pexito » 13.04.05 @ 16:52
Das untypische Zürcher Derby
Wir schreiben den 10. April des Jahres 2005, und vieles scheint sich geändert zu haben beim bislang chronisch erfolglosen FC Zürich. Seit nun etwa 5 Monaten hat man das schier unüberwindbare Trauma des nicht erreichbaren Heimsieges gegen GC bewältigt (26. September 2004), wollte gleich nachlegen und wenn möglich eine neue Siegesserie gegen den Erzrivalen starten. Die Mannschaft hat realistische Aussichten auf einen Europacupplatz und den Cupfinal, was ebenso seit Beginn der Rückrunde beim Stadtclub als Ziele definiert wurde.
Dank der TV-Diktatur durften die Unparteischen schon um 14.15 das Spiel anpfeifen, eine weitere neue Anspielzeit um die Untreue des SFV zu bestätigen. Fast schon so unkonstant wie der FCZ! Trotzdem befand ich mich problemlos schon bei Türöffnung am Letzigrund. Was erwartete ich von diesem Derby? Natürlich hoffte ich auf einen Sieg, beide Mannschaften treffen nach Siegesserien aufeinander und machen die Ausgangslage spannend. GC liegt drei Punkte hinter Zürich, obwohl die Anzahl Spielen bei den Insekten um eines höher liegt als bei den Stadtlöwen. Beide hoffen auf eine Europacup-Qualifikation, auch wenn GC untypisch zurückhaltend scheint und froh ist nicht das ähnliche Ende wie Servette zu teilen. Bescheidenheit ist eingekehrt „ennet den Gleisen“, derweil der FCZ erstmals seit Ponte versucht sich für ein internationales Turnier zu qualifizieren, mit realen und berechtigten Chancen.
Die Choreo darf der FCZ-Fan erst zuhause im Internet oder in verschiedenen Zeitungen am Tag danach begutachten. „ä anderi gwichtsklass“ kommuniziert die Südkurve den Insektenanhänger, und zeigt einen Boxring mit einem FCZ und GC-Kämpfer darin. Die Erfolgschancen lassen sich leicht ablesen. Der stämmige muskulöse FCZ-Boxer scheint dem schmächtigen und ängstlichen GC-Fighter masslos überlegen. In ähnlichem Verhältnis beginnt auch das Spiel. GC noch gar nicht wach muss sich in den ersten 5 Minuten gleich einem Powerplay der Stadtzürcher unterstellen. Mehrere Freistösse, einen von Cesar bleibt an der Abwehr hängen.
Derby lanciert oder gestorben?
Dieselbe Abwehr spediert den Ball unkontrolliert zum Mittelpunkt des Platzes, wo ein GC-Spieler ihn annehmen kann. Es handelt sich um niemand anders als die ursprüngliche Hass-Figur Supa-Ricci Cabanas (ähnliche Artikulationsstörungen). Ja ich gebe zu Andi Muff hat ihn schon fast abgelöst. Wieso nur fast fragt ihr mich? Weil Muff einfach zu wenig erfolgreich ist als dass man ihn wirklich hassen könnte, er tritt einfach unfähig auf, wenigstens hat er sich nicht von den lauten Beschimpfungen aus der Südkurve irritieren lassen. Auch Cabanas nicht, der mit Ball zu Mittelpunkt läuft, das ganze Feld vor sich und gejagt von Dzemaili und Tarone, die sich wohl nicht sonderlich gut abgesprochen hatten, wer die Absicherung übernimmt. Tarone kreuzt die Wege, während er sieht dass Dzemaili fast an Cabanas dran ist. Dabei berührt er (möglicherweise) Cabanas leicht, dieser fällt theatralisch und der Schiri pfeift. Was passiert jetzt, nach gerade Mal acht Minuten? Daniel Tarone wird des Feldes verwiesen, die Nordkurve freuts, die Südkurve ist ausser sich. Ricci macht sich einmal mehr keine Freunde. Selbst in den TV-Bildern wird nicht klar was passiert ist, allerdings kann man den Entscheid verstehen, wenn auch hart. Aber über das Fingerspitzengefühl der Unparteischen an Derbies müssen wir keine Worte verlieren.
Der FCZ organisierte sich schnell und spielt munter weiter. Wer jetzt an eine Druckphase von GC gedachte hatte, lag falsch, obwohl mit Toure ein offensiver Spieler nach 35. Minuten eingewechselt wurde, den der Trainer-Fuchs Latour erkannte die Zeichen, rückte Chihab ins defensive Mittelfeld und nahm Salatic aus dem Spiel. Das Spiel war völlig ausgeglichen, auch an der Anzahl der Chancen. Der FCZ hat gar mehr vom Spiel. So der subjektive Eindruck zumindest, kann das sein? „Es war so!“, hörte ich sagen auch an den tagen danach, selbst von GC Fans. FCZ hatte mehr vom Spiel, zu zehnt, gegen GC? Wir kennen das von früher, aber heute war es anders. Kein planloses anrennen, kein Kampf und Krampf, vielmehr spielte der FCZ sein System sicher und über weite Strecken erfolgreich, GC konnte nichts entgegensetzen. Gar etwas emotionslos ging der erste Halbzeit vorüber, trotz roter Karte, Ilie hatte noch die schönste Aktion mit einem Direktschuss aus dem Lauf, bei einem Freistoss desselben Rumäne durfte sich der junge Torwart bei GC auszeichnen. Eduardo wäre beinahe frei zum vor Taini zum Schuss gekommen, aber Cesars Tackling war Weltklasse. Der Schiri hingegen war grottenschlecht und brachte die Fans zum kochen, die rote Karte mal beiseite, pfiff er jeden zweiten Zweikampf ab, zuweilen für den FCZ, was für ungläubige Gesichter in der Südkurve sorgte.
Pyromaniacs gesucht
Nach der Pause, zündete die Insekten eine beachtliche Anzahl von Fackeln und liess ihre Umgebung einnebeln. In der Südkurve war hingegen nach zögern nur wenig Pyro zu sehen. Schön und recht, dass wir den Klub unterstützen möchten, aber an einem Derby gelten Derbyregeln, da muss gebrannt werden. Ausserdem ist es ein schwacher Trost, dies im Weichturm nachzuholen. Und wenn dann auch noch Zeitungen wie ein Blick noch positiv reagieren („das war Weltklasse“), dann ist das zwar ein verdientes Kompliment an die Choreomacher (an dieser Stelle vielen Dank), aber gleichzeitig ein Zeichen von Anpassung oder greifender Repression.
Das Spiel indes konnte kaum einen von den Stühlen reissen, bis dann der kleine Ricci sich den Ball für einen seitlich gelegenen Freistoss zurechtrückt. Seine Hereingabe wird von Mitreski gestreift und landet in der weiten Ecke, möglicherweise hätte es keiner Ablenkung bedurft, aber auch recht, lieber den Mitreski als Skorer anstatt Mister „es tut mir leid für den Dani, aber er hat mich berührt“. Weder Kurve noch die Mannschaft zeigt sich geschockt, und macht weiter wie bisher. Es dauert nur wenige Minuten und Gygax darf auf das GC Tor zulaufen und hämmerte daneben. GC kontert mit Rogerio, der als einziger an diesem Nachmittag dem Filipescu entkam, sein Schuss ebenso vorbei. Dzemaili lanciert einen Angriff und spielt Ilie in die Tiefe, wo der Rumäne den Ball annimmt und nur den GC-Keeper vor sich hat. Es scheint als hätte er sich den Ball zu weit vorgelegt, deswegen kriegt er eine etwas unstabile Haltung, doch als Weltklassemann spitzelt er gekonnt das Leder ins Tor. Ausgleich. Das Spiel war fortan wieder lanciert und dennoch schwach. GC konnte nicht, FCZ wollte nicht mehr so recht, langsam ging den Zürchern die Puste aus, demnach Wechselorgie auf beiden Seiten. Die letzten 10 Minuten drückte GC nochmals aufs Pedal und wollte den Sieg erzwingen, hingegen FCZ wartete auf eine gute Konterchance. Nichts geschah, der Schiri pfiff ab.
Moral gestärkt, Punktekonto weniger
Man muss es sich nochmals vor Augen halten, der FCZ sah wie der Sieger aus in einem Spiel, in welchen sie über 80 Minuten mit einem Mann weniger spielen mussten, in Rückstand gerieten und mit System und Überzeugung den Ausgleich erzielten. Selbst dabei wäre ein Sieg verdient gewesen. Trotzdem liess sich die Mannschaft feiern, zu Recht. Bei solch einer Leistung ist dies absolut legitim. Nur weiss der Fan nicht so recht ob es ein gewonnener Punkt ist, oder zwei verlorene. Eines ist gewiss, die Spieler haben in den letzten 4 Spielen 8 Punkte geholt und waren dabei in allen Spielen mindestens einmal im Rückstand, die Moral des Teams ist gefestigt. Die Position in der Tabelle hingegen nicht. Nächste Woche ist wieder Derby, diesmal „ennet den Gleisen“ und wieder mit Tarache, Nef sowie die gegen St.Gallen gesperrten Ilie und Tarone. Dann sieht die Welt nochmals anders aus.
"We will always rebel against a threatening defeat" RED REBELS