Beitragvon spitzkicker » 30.07.23 @ 17:11
Bin kein Freund von Selbstdarsteller und Ex-Ref Urs Meier. Trotzdem, aus Tagi-Online:
Urs Meier zum umstrittenen FCZ-Penalty: «Mathew macht nichts falsch. Oder soll er den Arm abschneiden?»
Der frühere Spitzenschiedsrichter Urs Meier kann den Handelfmeter gegen den FCZ nicht verstehen – Servette profitiert und rettet sich so noch zu einem 2:2.
Thomas Schifferle
Urs Meier braucht nicht lange, um es auf den Punkt zu bringen. «Kein Elfmeter», sagt er zu der Szene, die so wesentlich zum Ausgang des Spiels zwischen Servette und dem FC Zürich beiträgt.
Meier ist der frühere Schiedsrichter von Weltklasse, der immer nahe an dem Thema ist, das sein Leben bestimmt hat. Und im aktuellen Fall geht es um den Handelfmeter, den Fedayi San für Servette gibt.
2:0 liegt der FCZ zu diesem Zeitpunkt in Führung. Fabian Rohner gelingt schon nach elf Minuten das erste Tor, er profitiert von einem kapitalen Fehler von Goalie Jérémy Frick, der einen harmlosen Schuss von Okita nach vorne abprallen lässt. Nach knapp einer Stunde legt Ifeanyi Mathew nach, er trifft aus 18 Metern, nachdem ihm der Genfer Verteidiger Mazikou den Ball perfekt aufgelegt hat.
Mathew hält bis dahin das Mittelfeld mit Cheick Conde zusammen. Er ist es dann allerdings auch, der seine Geschichte hat, dass es am Ende nichts aus einem Zürcher Sieg wird. Das erste Kapitel nimmt im Stadion keiner wahr: nicht das Publikum, kein Trainer, kein Spieler, schon gar nicht der Schiedsrichter. Nur einer erkennt ein Vergehen, das ist Sandro Schärer als VAR im fernen Volketswil.
Das spricht gegen den Penalty …
Er bittet San an die Seitenlinie, um sich eine Szene nochmals anzuschauen, die sich eine Minute zuvor schon ereignet hat. Die Fernsehbilder zeigen, wie Jérémy Guillemenot den Ball in den Strafraum spielen will und wie Mathew mit dem ausgestreckten Bein zu spät kommt. Aber sie zeigen auch, wie Mathew den Ball mit der ebenfalls ausgestreckten Hand berührt, minimal nur, so minimal, dass auch die Genfer, die direkt daneben stehen, nichts zu reklamieren haben. Und dieses Detail will etwas bedeuten, weil Fussballer gerne einmal reklamieren, auch wenn sie keinen wirklichen Grund dafür haben.
San studiert die Aufnahmen und kommt zum Schluss: Elfmeter. «Eine harte Sache», befindet selbst René Weiler, der Trainer von Servette. Meier wiederum setzt zur Erklärung an, wieso das eben kein Penalty ist. «Da haben wir jetzt das Problem», beginnt er seine Ausführungen, «die Schiedsrichter sind auf diese Saison hin instruiert worden, ein Hands bei ausgestrecktem Arm zu ahnden. Die entsprechenden Bilder haben sie darum nun im Kopf.»
Dann stellt er sich gleich selbst die Frage: «Was macht der Spieler des FCZ in dieser Situation falsch? Nichts. In dieser Situation sind alle Punkte, die gegen einen Elfmeter sprechen, erfüllt. Es liegt keine Absicht vor, der Ball trifft ihn aus eineinhalb oder zwei Metern, nicht aus zehn oder zwölf, er hat keine Zeit mehr, den Arm wegzuziehen.»
Schliesslich geht es ihm noch um den Punkt, der seit Jahren schon sein Thema ist, es geht ihm ums Fussballverständnis, ums Verstehen von Bewegungsabläufen eines Spielers. Deshalb sagt er auch: «Die Bewegung von Mathew ist absolut natürlich. Oder soll er den Arm abschneiden?»
… und das spricht dafür
Was Meier angesprochen hat, sind die von der Uefa ausgegebenen Instruktionen, diese Saison die Verbreiterung des Körpers strikter zu ahnden. (So wie sie übrigens auch verlangt, dass die Schiedsrichter gegen schlechtes Benehmen der Funktionäre auf der Bank konsequent vorgehen.) Aus dieser Sicht mag der Entscheid von San nachzuvollziehen sein. Verständlich ist er trotzdem nicht.
Chris Bedia kümmert sich um all das nicht, er konzentriert sich nur auf seinen Elfmeter. Und er, der bis dahin ein diskretes Spiel gezeigt hat, trifft sicher. Es ist sein drittes Goal in der zweiten Runde, schon eine Woche zuvor beim 3:1 gegen GC war er zweimal erfolgreich.
Die Genfer sind nach einer schwachen ersten Halbzeit endgültig wach. Der FCZ kann sich kaum noch aus der Defensive befreien, und wenn, dann verliert er die Bälle schnell wieder, einmal auch durch Mathew. Die 86. Minute läuft bereits, als Mathew das in der gegnerischen Platzhälfte passiert. Servette kontert, Nikola Boranijasevic fehlt nach einem Zusammenprall zur Abdeckung seiner Abwehrseite, Lindrit Kamberi vergrössert da das Loch noch, indem er zur Unzeit ein paar Meter nach vorne sprintet, und so ist es Dereck Kutesa, der komplett frei steht und vom Sechzehner aus den Ball zum Ausgleich in die hintere Ecke schlenzt.
Das 2:2 bedeutet, dass der FCZ auch wegen seiner schlechten Chancenauswertung vor der Pause zwei Punkte verloren hat; und dass er einen neuen Mittelstürmer gut gebrauchen kann. Wenigstens bewahrt sich Bo Henriksen die gute Laune. Zum Elfmeter sagt er, mit heiserer Stimme und angedeutetem Lächeln: «So ist halt Fussball.»