Beitragvon schwizermeischterfcz » 09.06.21 @ 22:46
Aus der NZZ. Fett markiert habe ich den Teil, der mich als einziges vielleicht etwas beunruhigt. Dass er bei allfälligem Erfolg vielleicht schnell wieder das Weite suchen könnte.
Der neue Coach André Breitenreiter steht beim FC Zürich für den angekündigten Umbruch – er soll die Wohlfühlmentalität im Klub stören
Der Deutsche steht für forschen, variablen, intensiven Fussball und seine Mannschaften zeichneten oft auch das schnelle Umschaltspiel aus. Beim FCZ muss er zunächst die Leistungskultur verbessern.
Fabian Ruch
Aktualisiert
09.06.2021, 21.04 Uhr
Vor zwei Wochen sass Ancillo Canepa in seinem Büro mitten in Zürich und zog eine durchaus selbstkritische Bilanz der erneut missglückten FCZ-Saison. Der Präsident des FC Zürich gab unter anderem die Neuausrichtung des Trainerkonzepts bekannt. Nach mehreren Trainern aus der eigenen Academy, zuletzt Massimo Rizzo, sei der Moment gekommen, einen Fussballlehrer von aussen zu holen, einen mit anderen Ideen und frischen Impulsen, mit Erfahrung und Persönlichkeit.
Am Mittwochnachmittag sitzt Ancillo Canepa im Letzigrund bei der Präsentation des neuen FCZ-Trainers stolz auf dem Podium, neben ihm der Mann von aussen, einer mit anderen Ideen und frischen Impulsen, mit Erfahrung und Persönlichkeit. «Wir haben eine lange Liste gemacht», sagt Canepa, «und als wir uns mit André zusammengesetzt haben, waren wir sehr schnell entschlossen, ihn zu nehmen.»
Andrés Nachname ist Breitenreiter, er ist der neue Cheftrainer des FC Zürich, und wenn Canepa sagt, es sei ja bekannt, dass er eine gewisse Affinität zur Bundesliga habe, dann ist das eine Untertreibung. Canepa ist ein grosser Fan der Bundesliga, bei sich zu Hause hat er eine Bibliothek eingerichtet mit der vielleicht grössten privaten «Kicker»-Sammlung, er besitzt jede Ausgabe des deutschen Fachmagazins seit 1952. Darin sind viele Berichte über Breitenreiter zu finden, der 47-Jährige ist ein Kind der Bundesliga. Zuerst als Spieler mit 144 Einsätzen für Hamburg, Wolfsburg und Unterhaching, später als Trainer mit 121 Begegnungen mit Paderborn, Schalke und Hannover. «Ich verfolge die Karriere von André Breitenreiter schon seit vielen Jahren und dachte, er könnte einmal einer für uns sein», sagt Canepa. Und: «Die Verhandlungen waren easy. Am Sonntag haben meine Frau Heliane und ich André getroffen, am Montag haben wir unterschrieben.» Der Vertrag ist bis 2023 datiert.
Die neue Leistungskultur
André Breitenreiter hinterlässt einen guten Eindruck. Dunkelblau ist der Pullover, weiss das Hemd darunter, er ist eloquent, aber kein Schwätzer. Und natürlich sagt er Dinge, die Trainer bei Antrittspressekonferenzen sagen: «Der FCZ ist eine Topadresse. Ich war von der ersten Sekunde an begeistert, wie man mit mir gesprochen und mich überzeugt hat.» Der FCZ hat bewusst einen Trainer gesucht, der die Wohlfühlmentalität im Klub stört, der unbequem, direkt, konsequent sein kann, aber auch Nachwuchsspieler fördern will.
Und weil der Umbruch radikal sein soll, entschied sich der Verein gegen andere interessante Kandidaten wie Mario Frick oder Maurizio Jacobacci, die zuletzt bei Vaduz und Lugano gute Arbeit geleistet hatten. Breitenreiter ist selbstbewusst genug, um auf den einen und anderen Fussballer hinzuweisen, den er entdeckt hat. Den Torhüter Alexander Nübel etwa oder die deutschen Nationalspieler Leon Goretzka und Leroy Sané, die unter Breitenreiter bei Schalke den Durchbruch geschafft hatten.
Der Ton beim FC Zürich wird sich mit André Breitenreiter ändern, die Leistungskultur soll deutlich verbessert werden. Dazu muss das Kader erheblich verstärkt werden, zudem steht Breitenreiter vor der nicht einfachen Aufgabe, Rolle und Position von Blerim Dzemaili klar zu definieren. Der einstige Stürmer steht für forschen, variablen, intensiven Fussball, seine Mannschaften zeichneten oft auch das schnelle Umschaltspiel aus. «Ich denke offensiv. Meine Spieler wissen genau, was sie zu tun haben», sagt Breitenreiter, der Paderborn und Hannover in die Bundesliga führte. «Und es ist mir immer gelungen, einzelne Fussballer besser zu machen.»
Die lange Pause
Zweieinhalb Jahre war Breitenreiter zuletzt ohne Klub. Vor ein paar Wochen sagte er in einem Sport 1-Interview, er habe einige Angebote aus dem Ausland abgelehnt, zum Beispiel aus der Türkei, Russland oder Tschechien, weil die sprachlichen Kenntnisse nicht ausgereicht hätten, um seine Philosophie auf ein Team übertragen zu können. Breitenreiter sagte auch, er habe bewusst eine Auszeit genommen.
«2019 ist meine Mutter verstorben, kurze Zeit später musste mein demenzkranker Vater ins Heim. Ich hätte damals keinen neuen Klub übernehmen können, weil meine Familie über allem steht.» Und Breitenreiter sagte, sein persönliches Ziel sei es immer gewesen, als Trainer die Champions-League-Hymne zu hören. «Mit Schalke war ich kurz davor. Nun muss ich vielleicht erst mal einen Schritt zurückgehen, um wieder auf mich aufmerksam zu machen. Aber das Ziel verliere ich nicht aus den Augen.»
Mit Canepa und Breitenreiter könnten sich zwei gefunden haben, die vom Gleichen träumen. Beim Interviewtermin vor zwei Wochen mit Canepa hingen hinter dem FCZ-Präsidenten Wimpel aus besseren Zeiten, von Partien gegen Milan und Real Madrid 2009 in der Champions League. (Mitarbeit: Stephan Ramming)
Dijbril Sow: „Steven Zuber spielt auch mit mir in Frankfurt, aber der ist ein Hopper, das machts etwas schwierig“