Beitragvon devante » 15.07.13 @ 15:22
«Ich wusste immer, dass Pedro enorme Qualitäten mitbringt»
Interview: Thomas Niggl. Aktualisiert um 13:04
Urs Meier hat einen Drmic-Ersatz aus dem Hut gezaubert. Der FCZ-Trainer sagt, wie er das gemacht hat und weshalb sein Team gegen Thun handicapiert war.
tagi.ch
Urs Meier, weshalb sahen die Zuschauer trotz drückender Hitze ein temporeiches und gutes Spiel?
Beide Mannschaften wollten den Match unbedingt gewinnen. Es war in der Tat Unterhaltung pur. Kein Zuschauer hat das Stadion vor dem Schlusspfiff verlassen. Vor der Leistung beider Mannschaften ziehe ich den Hut. Zwei unserer Spieler mussten in dieser drückenden Hitze besonders auf die Zähne beissen.
Wer und weshalb?
Amine Chermiti hat im Abschlusstraining einen Ball nicht richtig getroffen und klagte anschliessend über Probleme am Fuss. Auch Marco Schönbächler ging angeschlagen in den Match. Ihn schmerzten die Adduktoren. Doch man muss im Leistungssport auch über die Schmerzgrenze hinausgehen können. Beide haben das für die Mannschaft und vorbildlich gemacht.
Der Brasilianer Pedro Henrique war die Entdeckung des Spiels. Hat er nur gespielt, weil Franck Etoundi, die Neuverpflichtung aus St. Gallen, verletzt war?
Nein, er hat sich in der Vorbereitung empfohlen. Er hätte so oder so gespielt. Ich bin froh, dass wir mit Pedro einen Spieler gefunden haben, der in die Rolle des zu Nürnberg abgewanderten Josip Drmic schlüpfen kann.
Kann er ihn tatsächlich eins zu eins ersetzen?
Wir dürfen nicht vergessen, dass Drmic in der vergangenen Saison 26 Skorerpunkte auf seinem Konto hatte. Ich habe immer gesagt, dass wir seinen Abgang nur dann kompensieren können, wenn jeder im Team noch mehr Verantwortung übernimmt. Aber Pedro ist auf einem sehr guten Weg.
Pedro kam im Januar 2012 zum FCZ. Weshalb kann er jetzt so richtig sein Potenzial abrufen?
Ich weiss aus Erfahrung, dass Brasilianer für die Akklimatisation etwas länger brauchen. Auch vom Taktischen her musste er einiges lernen. Dazu hatte er auch Pech mit Verletzungen und wurde zurückgeworfen. Aber ich wusste immer, dass er enorme Qualitäten mitbringt.
Welche?
Er ist schnell, technisch stark, spielintelligent. Er ist torgefährlich, mutig und hat einen guten Schuss. Er hat einen unglaublichen Drang und Zug nach vorne. Er hat einen grossen Willen. Er will Einfluss nehmen auf das Spiel. Doch er musste lernen, das Ganze ein bisschen besser zu koordinieren.
Sie mussten ihm also gewisse taktische Fesseln anlegen.
Nein, genau das will ich eben nicht. Wenn man ihn in ein taktisches Korsett pressen und zwingen würde, würde man ihm seine Qualitäten nehmen. Er muss gewisse Freiheiten haben. Aber diese müssen auch immer mit dem Kollektiv vereinbar sein. Deshalb musste er das Ganze, wie gesagt, ein bisschen besser koordinieren.
Nach einer guten ersten Halbzeit war dann plötzlich Thun am Drücker und führte sogar mit 2:1. Wie war das bloss möglich?
Wir haben in den ersten 45 Minuten ein horrendes Tempo angeschlagen und den Gegner dominiert. Ich war mir schon bewusst, dass wir das bei diesen Temperaturen nicht über 90 Minuten durchziehen können. Thuns Trainer Urs Fischer hat in der Pause offenbar die richtigen Worte gefunden. Der Gegner kam viel aggressiver aus der Kabine.
Und trotzdem konnten Ihre Spieler das Blatt noch einmal wenden und das Spiel schliesslich mit 3:2 gewinnen. Wie war das möglich?
Das zeigt den tollen Charakter meiner Mannschaft. Sie liess sich auch durch die beiden Gegentreffer nicht destabilisieren, geschweige denn entmutigen. Sie fightete weiter und fand zurück in den Match, weil die Spieler bis zur letzten Sekunde an den Sieg glaubten.
Nach der Entlassung damals von Urs Fischer und später von Rolf Fringer sind sie zweimal als Interimscoach eingesprungen. Haben Sie sich nach dem Spiel mit Urs Fischer ausgetauscht?
Selbstverständlich, wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Urs war natürlich niedergeschlagen. Die Niederlage hat ihm zugesetzt und gestunken. Ich konnte ihn gut verstehen und habe ihm für die kommenden Aufgaben Mut zugesprochen. Thun hat in der Vorbereitung nur zwei Gegentore zugelassen, sechs Testspiele gewonnen und in einem letzten gegen Dynamo Kiew unentschieden gespielt. Eine Pleite zum Saisonauftakt ist nach einer derart hervorragenden Vorbereitung natürlich doppelt bitter.
Am kommenden Sonntag spielt der FCZ in Sion. Was erwarten Sie von diesem Spiel?
Dass Sion die erste Saisonpartie in Bern gegen YB verloren hat, ist für uns sicher kein Vorteil. Die Walliser werden alles geben, um sich gleich vor eigenem Publikum rehabilitieren zu können. Ich habe am Fernsehen die finstere Miene von Sions Präsident Christian Constantin auf der Tribüne in Bern gesehen. Ich bin sicher, dass wir auf eine sehr aggressive Mannschaft treffen werden.
BORGHETTI