Argentiniens verpatztes Fußballturnier
Den Rasen füllten die Organisatoren mit grünem Sand, die Stadionordner besetzten
die besten Plätze: Die Copa America war sportlich wie organisatorisch ein Debakel.
Nicolas Leoz, Präsident des südamerikanischen Fußballverbandes, Fifa-Präsident
Sepp Blatter und Suri, das Maskottchen der Copa America (v.r.n.l.), vor dem Finalspiel
In Montevideo machten sie noch bis kurz vor dem Anpfiff Überstunden: Eine Fabrik, die Flaggen produziert, schaffte die Arbeit nicht. Die Nachfrage nach Fahnen in blau-weiß mit der strahlenden Sonne Uruguays überstieg die Kapazitäten der kleinen Firma in der Hauptstadt des neuen Südamerika-Meisters. Die 43. Copa America in Argentinien stand ganz im Zeichen des bevölkerungsärmsten aller zehn südamerikanischen Fußballverbände. "Uruguay ist der neue König Amerikas", titelte die größte argentinische Tageszeitung Clarin. Und streute damit Salz in die Wunde der eigenen Leser.
Es sollte eine Copa der guten Laune werden, des argentinischen Triumphzuges. Das Turnier sollte einen Vorgeschmack auf die anvisierte gemeinsame WM-Bewerbung 2030 des Gastgebers mit dem Nachbarland Uruguay werden. Am Ende war das älteste Nationenturnier der Welt, das am Sonntagabend mit einem verdienten 3:0-Sieg Uruguays zu Ende ging, sportlich und organisatorisch für den Gastgeber Argentinien ein Debakel.
"Argentinien wir sehen dich nicht, wo bist du?", sangen die Fans aus Uruguay und Paraguay beim Finale in Anspielung an das Viertelfinal-Aus der Hausherren. Ein Journalist aus Uruguay schrieb: "Das ist eine Copa America der dritten Welt."
Es klappte nicht viel bei dieser Copa America. Besonders der Ticketverkauf war undurchsichtig. Die Halbfinalspiele und das Finale wurden als ausverkauft gemeldet, als der Gastgeber noch im Rennen war. Nach dem Aus der Argentinier waren jedoch plötzlich wieder Tausende Karten im Umlauf. Während des Finales spielten sich dann bizarre Szenen im Stadion ab: Wer für umgerechnet 60 oder 70 Euro ein Sitzplatz-Ticket gekauft hatte, musste trotzdem um seinen Platz im Estadio Monumental kämpfen und sah sich in Beschlag genommen Sitzplatzschalen gegenüber. Weinende Kinder und verzweifelte Familienväter aus Uruguay, die ihr Erspartes geopfert hatten, um das Finale auf der anderen Seite des Rio de la Plata zu sehen, mussten sich irgendwo ein Plätzchen auf den Treppen suchen, weil die Sicherheitskräfte und Ordner sich selbst die besten Plätze gesichert hatten.
Im modernen Stadion von La Plata, rund eine Autostunde von Buenos Aires entfernt, lief es während der übrigen Spiele etwas besser. Dort gab es Anweiser, die die Zuschauer zu ihren Plätzen führten. Allerdings blieben diese Herren so lange vor der Nase der Kundschaft stehen, bis es ein ordentliches Trinkgeld gab.Zahlreiche Journalisten klagten über schlechte Arbeitsbedingungen. Es gab Probleme bei den Transporten zu den Spielorten, den Akkreditierungen und – natürlich – den Plätzen in den Stadien. Für die Spieler galt es, mit den Unwägbarkeiten der Spielflächen auszukommen. Der Rasen im ansonsten schmucken Stadion in La Plata glich einer Sandgrube. Mit grün gefärbtem Sand hatten die Veranstalter all jene Flächen zugedeckt, die für die Fernsehkameras im argentinischen Winter allzu unansehnlich erschienen. Die Folge waren Schwierigkeiten beim Spielaufbau.
Die Akteure des Rekord-Weltmeisters Brasilien führten ihr Scheitern beim Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Paraguay gar auf den katastrophalen Zustand des Rasens zurück: "Es gab ein Loch am Elfmeterpunkt, das sie mit Sand aufgefüllt hatten. Der Fuß ist dort regelrecht eingesunken", sagte Andre Santos, einer von vier brasilianischen Schützen, die scheiterten.Als der Präsident des Copa-Organisationskomitees, Jose Luis Meiszner, und der allmächtige Verbandspräsident Julio Grondona nach dem Finale vom Stadionsprecher aufgerufen wurden – sein Mikrofon funktionierte zunächst nicht – gab es ein Pfeifkonzert. Dass Argentinien trotz seiner Weltstars wie Lionel Messi, Carlos Tevez oder Fernando Gago, die allesamt aus Barcelona, Madrid, Manchester oder Mailand gekommen waren, im Viertelfinale gegen Uruguay im Elfmeterschießen ihren Traum vom ersten Titelgewinn seit 1993 begraben mussten, ist aus Sicht der argentinischen Fans eine Katastrophe.
Die Initiatoren einer gemeinsamen WM-Bewerbung Argentiniens und Uruguays für die WM 2030 dürfte die Kritik an der Organisation des wichtigsten lateinamerikanischen Turniers noch härter treffen. Auch die argentinische Staatspräsidentin Cristina Kirchner war von dieser Copa wenig begeistert. Das Desinteresse Kirchners am größten Sportevent in Argentinien verstärkte den Eindruck, den die Tageszeitung La Nacion vor ein paar Tagen äußerte. "Es war eine Copa zum Vergessen."
Q: http://www.zeit.de/sport/2011-07/copa-a ... rgentinien