2. November 2002, 08:04, Neue Zürcher Zeitung
Viel gewagt, nichts gewonnen
FCB - FCZ: offensive Teams, Spektakel, acht Treffer und der «richtige» Sieger
kla. Basel, 1. November
Wie vor einer Woche nach dem Sieg in Genf hat der FC Basel auch in der 18. Runde die Grasshoppers unter Erfolgsdruck gesetzt: Nach dem 5:3-Sieg im vorgezogenen Meisterschaftsspiel steht der Titelhalter wieder an der Tabellenspitze. Nach einer halben Stunde gegen den verblüffend starken, im Abschluss jedoch zu wenig konsequenten und kaltblütigen Aussenseiter FC Zürich scheinbar auf der Verliererstrasse (1:2), machte der Platzklub vier Tage vor dem wichtigen Auftritt in Moskau in der Folge mit einer mental wie spielerisch verbesserten Darbietung verlorenes Terrain im bekannt konsequenten Stil wieder wett, nicht ganz ohne Wettkampfglück, sei beigefügt. Immerhin: Der FC Zürich forderte den Gegner an der ersten Fussballadresse des Landes schliesslich über Erwarten, und es war tatsächlich auch schön anzusehen, was Bregys oft gescholtene Equipe vortrug - flüssig, direkt, präzis, mit Raumgewinn, sichtlich vom hohen Rendement Bastidas profitierend. Nur: Der hohe Aufwand wurde zuletzt eben nicht belohnt, denn mit lobenden Worten allein kann der FCZ in den nächsten Wochen nicht die entscheidenden Schritte in die Finalrunde tun. Aber die Darbietung vom Freitag müsste der Mannschaft doch die Gewissheit geben, das spielerische Potenzial inzwischen auch umsetzen zu können.
Ungewöhnlich waren die Voraussetzungen vor der x-ten Auflage des Klassikers FCBee - FCZett erst einmal höchstens für den Gastklub: 28 870 Zuschauer, eine Publizität, wie sie an der Limmat vielleicht nach dem immerhin schon geplanten Stadionneubau bei optimalem Verlauf im nächsten Jahrzehnt möglich sein wird. Dazu die fast flegelhaft grosse Zuversicht seitens des Gastgebers und schliesslich auch der perfekte Start mit dem Führungstreffer in der 4. Minute. Aber die anfängliche Begeisterung über den vermeintlichen Hand- bzw. Aufgalopp machte schon bald der Ernüchterung und möglichen Einsicht Platz, dass auch anderswo im «Gurkenland» Fussball gespielt werden kann. Der Erkenntnis auch, dass die qualitative Entwicklung des FC Basel zwar in eine berechtigte Euphorie am Rheinknie geführt hat, aber jedes Spiel letztlich wieder erst einmal bei null beginnt und entsprechend mit einer gewissen inneren Spannung aufgebaut werden muss.
Nach gutem Start schwand jedenfalls plötzlich der Klassevorsprung des an einen höheren Rhythmus gewöhnten und individuell stärkeren Platzklubs, weil der FCZ eben nichts zu verlieren hatte - und entsprechend frech reagierte. Kellers Kopfball nach Akales Glanzleistung und Jeffersons Führungstor schon vor Ablauf einer halben Stunde mahnten den Favoriten, die Aufgabe nicht allzu leichtfertig anzupacken. Denn die (überheblich gewordenen) Basler fanden in der zweiten Viertelstunde kaum einmal den mannschaftlichen Zusammenhalt, fielen durch viele Ballverluste auf und liessen sich mitunter durch das konsequente Zweikampfverhalten der Zürcher gar etwas einschüchtern.
Aber so schnell die Basler die Kontrolle über Spiel und Gegner verloren hatten, so rasch wussten sie nach dem Rückstand zu reagieren - fast erschreckend leicht. Rossi nach herrlichem Zuspiel Hakan Yakins sowie Ergic in der Nachspielzeit mit einem «Tor des Monats» aus 25 Metern lenkten das Geschehen noch vor der Pause wieder in normale Bahnen. Ein (glückhafter) Doppelschlag, der sehr frustrierend auf den FCZ gewirkt haben muss, der sporadisch wie aus einem Guss und mit dem Drang in die Offensivrichtung aufgespielt und - mit Bastida und Akale in spielbestimmenden Funktionen - durchaus auch begeistert hatte. So wie kaum einmal zuvor in dieser Saison. Und es gehörte zum Gütezeichen des verblüffenden Gastklubs an diesem Abend, dass er sich trotz den Rückschlägen erst nach 90 Minuten geschlagen geben wollte - zum Vorteil des Spektakels. Selbst nach dem Zweitorevorsprung - Rossi hatte aus spitzem Winkel König überrascht - anerkannte der FCZ den Klasseunterschied nicht einfach kampflos: Er engagierte sich bis zum Umfallen, reagierte nicht nur, sondern tat viel für das eigene Spiel, zumal das «Schlitzohr» Bastida mit einem ebenfalls haltbaren Treffer fast von der Grundlinie aus - von Zwyssig noch abgelenkt - den Aussenseiter wieder zurück ins Spiel brachte. Wie das Gross ärgerte!
Mitunter fast unter Ausschluss der konstruktiven Zone wog das packende Geschehen auf und ab, zum Vorteil des Publikums, das das abwechslungsreiche Geschehen, die zahlreichen Torszenen und die gegenseitigen Geschenke auf beiden Seiten sichtlich genoss, während sich beide Trainer wohl auch einige Gedanken über ihre nicht über alle Zweifel erhabenen Abwehrreihen und besonders zwei nicht völlig konzentrierte Keeper (auch Varelas entscheidender Treffer zum 5:3 war haltbar) gemacht haben dürften. Aber davon sprach auf dem Heimweg kein Zuschauer, höchstens von einem sehenswerten, torreichen Match - mit dem «normalen» Sieger.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2002/11/02/sp/page-article8HZQ4.html
Wer die NZZ hat, soll unbedingt den Artikel rechts vom Matchbericht lesen!
Für mich ist dieser Text sehr frech geschrieben!