Beitragvon Millwall ZH » 30.05.07 @ 14:56
gefunden in der nzz. die letzten passagen finde ich lesenswert:
Zwischenrufe
Der GC als Underdog
Vor Jahren lernte ich als junger Bursche einen Katalanen und Fan des FC Barcelona kennen. Wir sprachen über Fussball, und irgendwann fragte er mich, welcher Mannschaft mein Herz gehöre. «GC», sagte ich ohne Erwartungen. Warum sollte ein Spanier meinen Klub kennen? Und selbst wenn: Was könnte ihm dieser schon bedeuten? Doch mein Freund schaute mich mit grossen Augen an und rief mir zu, er verehre den GC.
Ein Fan des grossen Barcelona war auch Fan meiner Mannschaft! Ich war stolz. Bis ich den Grund erfuhr. Die Grasshoppers hatten 1978 in einem europäischen Wettbewerb Real Madrid besiegt. Und weil Madrid für Barcelona-Fans das Schlimmste ist, war mein Freund seither GC-Fan. Er liebte meinen Klub nicht wegen der Dribblings von Claudio Sulser, nicht wegen der Wehrli-Flanken des gleichnamigen Verteidigers. Die Paraden von Torhüter Roger Berbig waren ihm nicht darum etwas wert, weil sie die Erdanziehungskraft Lügen zu strafen schienen, sondern weil sie einen Erfolg des verhassten Real vereitelt hatten.
Und so sass ich am letzten Donnerstagabend voller Zweifel in einer Bar an der Langstrasse vor einer grossen Leinwand. Verlöre der FCZ das anstehende Derby gegen meinen GC, würde er in letzter Minute den Meistertitel verspielen. Sollte ich deshalb meinen Klub aus niedrigen Motiven anfeuern? Wir GCler bringen inzwischen keinen mehr hoch (keinen Pokal meine ich). Sollte ich darauf hoffen, dass es dem FCZ gleich ergeht? Oder sollte ich mich als Fan des Nobelklubs nobel zurückhalten?
Ich schien in der Bar der einzige GC-Fan zu sein. Herausgeschriener Jubel über das Scheitern des FCZ war darum schon aus Gründen der Vorsicht nicht angezeigt. GC-Fan zu sein, so merkte ich, ähnelt heute der Mitgliedschaft in einer verfolgten Sekte. Treffen wir einen Gleichgesinnten, fachsimpeln wir im Flüsterton. Fernsehübertragungen von GC-Spielen begehen wir in abgedunkelten Wohnungen, als wären es konspirative Treffen. Und wir fühlen uns von der restlichen Welt ziemlich missverstanden. Der honorige Arbeiterklub FCZ erstreitet die entscheidenden Meisterschaftspunkte abgebrüht am grünen Tisch und überlegt sich den Kauf von Ex-GC-Spielern, die sich der GC gar nicht mehr leisten kann. Der edle Grasshopper-Club dagegen schafft es gerade noch, einem kugelrunden, im Ausverkauf erworbenen Stürmer Auslauf vor dem Karriereende zu geben. Und so sah ich ohne negative Gefühle dem FCZ beim Siegen zu. Soll er doch. Wenn er noch lange so erfolgreich ist, sind plötzlich wir der Underdog, dem die Sympathien zufliegen.
Jürg Meier