Beitragvon Sublimus » 21.04.06 @ 8:04
Hier noch einige erste Eindrücke vom Unterschriftensammeln. Allerdings nicht von einem Fussballmatch sondern hier im Langstrassenquartier. Ich mache mal eine Aufstellung der häufigsten Bemerkungen von Leuten und was man dagegen sagen kann.
"Scheiss Hooligans, sollen ruhig härter angepackt werden."
Klarmachen, dass es JEDEN Fussballfan treffen kann. Beispiele wie Altstetten oder Geschichten von Leuten, die zur falschen Zeit am falschen Ort standen zeigen das. Auch Zugspassagiere, die dummerweise zum selben Zeitpunkt wie eine Fanmeute unterwegs sind, kann es treffen, genauso wie im Shopville schon gewöhnliche Reisende Tränengas abbekommen haben, als ein FCB-Tross ankam. Verdacht und Aussage genügen, schon ist man drin.
Für Nicht-Fussballfans einen Vergleich bringen:
Dieses Gesetz ist wie wenn jeder Autofahrer grundsätzlich als Raser verdächtigt werden könnte. Ein Polizist äussert den Verdacht, dass Sie ein Raser sind (z.Bsp. weil Sie ein PS-starkes Auto haben) und schon ist Ihr Fahrausweis weg, ohne dass Sie je zu schnell gefahren sind. Messgeräte, die eine Geschwindigkeitsübertretung beweisen würden gibt es sowieso nicht mehr. Da entscheidet das wachsame Auge des Verkehrspolizisten, der kann das ja schon beurteilen. Würden Sie dazu ja sagen? Dann wäre doch das Problem der Raser gelöst?
=> Vielen geht dann ein Licht auf, was dieses Gesetz eigentlich bedeutet. Denn vielen gehen die Fussballfans am Arsch vorbei, weil sie selber keine sind. Autofahrer ist hingegen fast jeder.
Oder jeder Steuerzahler ist ein potentieller Steuerhinterzieher (einer der viel verdient wird einfach mal präventiv der Steuerhinterziehung angeklagt). Männer sind alle potentielle Vergewaltiger, etc.
Auch wichtig: die Fischenaffäre zeigt, dass der Staat immer wieder mal versucht, unsere Rechtsprinzipien ausser Kraft zu setzen und sich über den Datenschutz hinwegzusetzen. Wenn er mit dem Hooligangesetz damit durchkommt, dann ist ein Präjudiz geschaffen und das Risiko, dass dies dann auf andere Bereiche als Fussballfans ausgedehnt wird, ist enorm.
"Das ist ja schon nicht so schlimm. Die Polizei wird da schon nur die bösen Buben bestrafen. Man sollte da etwas mehr Vertrauen haben".
Beispiele wie Altstetten (wo vorwiegend normale Fussballfans verhaftet wurden, denen rein gar nichts nachgewiesen wurde) bringen, die zeigen, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt ist. Und warum haben wir überhaupt Richter? Warum haben wir Verfahren? Warum haben wir all diese mühsamen Prozesse und Dinge wie die Unschuldsvermutung?
Weil wir dem Urteil der Executive (Polizei) misstrauen. Das Misstrauen der Polizei gegenüber ist ein grundsätzlicher Teil unserer Gesellschaftsordnung. Denn sonst könnte man ja die Richter generell abschaffen, man könnte die ganzen Verfahren abschaffen, man könnte generell die Polizei immer sofort an Ort und Stelle eine Strafe ausprechen lassen.
Wenn derjenige soviel Vertrauen in die Polizei hat, dann hätte er sicher nichts dagegen, wenn ein Polizist ohne Beweisführung beurteilt, ob er zu schnell gefahren ist, oder der Steuerbeamte beurteilt, ob er Steuern hinterzogen hat oder nicht, etc. und er keinerlei Rekursrecht oder Gerichtsverfahren bekommt. Das braucht er alles nicht, denn er vertraut ja der Polizei.
"Ja, aber irgendwas muss man doch machen gegen diese Hooligans"
Macht nicht den Fehler, auf integrative Fanarbeit hinzuweisen. Versucht auch gar nicht irgendwas zu verharmlosen. Ist hoffnungslos, die durch die Medien erzeugte Stimmung ist zu aufgeputscht. Erwartet auch kein Verständnis für Pyro etc.
Hooligans, Chaoten und Pyromanen sollen gezielt bestraft werden. Dafür braucht es aber in den Stadien ein Vermummungsverbot (wie in Deutschland) und Video-Überwachungsanlagen, damit Missetäter erkannt werden können.
Die Clubs müssten aber deshalb mehr in die Stadionsicherheit investieren, wozu sie wohl zu faul und zu geizig sind. Darum wird hier über ein Aushebeln des Rechtsstaates eine Billiglösung gesucht, um der Situation Herr zu werden.
Ausserhalb des Stadions müsste die Polizei konsequenter gegen Missetäter vorgehen. Wie oft habe ich es erlebt, dass die Polizei tatenlos zuschaut, wenn ein Mob durch die Strassen marodiert. Mit Video aufnehmen und gezielt diejenigen herauspflücken, welche randalieren. Doch die Polizei scheut sich offensichtlich da hinzugehen wo's wehtut und hat lieber bequeme Kollektivbestrafungen à la Altstetten.
Die neuen Stadien in Basel und Bern zeigen im übrigen, dass Investitionen in die Stadionsicherheit und moderne Stadien die beste Wirkung gegen Hooligans haben. Ich kann mich auf jeden Fall an keine Auschschreitungen à la brennender Hardturm im Joggeli oder Wankdorf erinnern.
Dieser Verdacht der geizigen Clubs und der bequemen Polizei ist ja begründet und kommt auch relativ gut an. Aber ihr müsst umbedingt ein paar Ideen bringen, wie man der Situation Herr werden kann. Ohne das seit ihr unglaubwürdig in den Augen eines nicht-aktiven Fussballfans.
"Aber die Euro 08!!!"
Das Hooligangesetz hilft Nullkommanichts um die Euro 08 vor Gewalttätern zu schützen.
Die paar Schweizer Hooligans, die allenfalls durch dieses Gesetz von den Stadien ferngehalten werden können, sind absolute Chorsängerknaben im Vergleich zu dem, was aus Deutschland, Holland oder England antrabt oder was uns im Falle einer EM-Teilnahme der Türkei droht. Da braucht es ganz andere Massnahmen wie vernetztes Vorgehen mit den europäischen Nachbarn und Verstärkung der Polizei. Man könnte sich durchaus vorstellen, für die Zeit der Euro 08 gewisse Nostandsmassnahmen zu akzeptieren, aber dann nur für die Euro 08.
Das Hooligangesetz ist ein billiger Kniefall vor der UEFA, die mit einer prall gefüllten Hooligandatenbank beeindruckt werden soll. Und eine bequeme Billiglösung, damit die Clubs nichts in die Stadionsicherheit investieren müssen und sich die Polizei via Sippenhaft gar nicht auf die Mühsal einlassen muss, die wirklichen Täter zu finden und zu bestrafen.
Dieses Gesetz ist etwas UEFA-Promotion und spart etwas Geld bei den Clubs und macht die Arbeit der Polizei etwas bequemer. Doch dafür die Prinzipien des Rechtsstaates wegwerfen? NIEMALS.
Noch ein paar Tipps
- Betonen, dass man selber kein Gewalttäter ist ("meine letzte Schlägerei fand auf dem Pausenhof statt")
- Bieder und anständig kleiden, d.h. keine schwarzen Kaputzenpullis, frisch rasiert, wenn ihr Brille habt, dann setzt sie auf und sauft nicht zuviel
- Mitgliedschaft in harmlosen Vereinigungen betonen ("ich war FDP-Gemeinderatskandidat und bin ein harmloser Computer/Finanz-Nerd")
- Den besorgten Bürger geben, der sich einfach um unseren Rechtsstaat sorgt
- Antiamerikanismus ausnützen: Gesetz ist nicht viel besser als der Patriot Act oder andere undemokratische Anti-Terrormassnahmen von Bush (Verbindung Bush - Blocher - Hooligangesetz erzeugen)