Beitragvon Habasch » 27.07.05 @ 12:50
27. Juli 2005, 02:04, NZZ Online
Jakupovic lässt Thun träumen
Berner Oberländer Fussballklub erreicht bei Dynamo Kiew ein 2:2-Remis
Der FC Thun hat dem 11-fachen ukrainischen Meister Dynamo Kiew im Hinspiel der zweiten Qualifikationsrunde zur Champions League überraschend ein 2:2 abgerungen. Die Berner Oberländer verdankten das im Hinblick auf das Rückspiel in Bern günstige Resultat zu einem guten Teil ihrem überragenden Torhüter Eldin Jakupovic.
(si)/zz. Thun erarbeitete sich bei Dynamo Kiew in der 2. Runde der Champions-League-Qualifikation eine hervorragende Ausgangslage für das Rückspiel am 3. August im Stade de Suisse Wankdorf. Der Schweizer Meisterschaftszweite konnte zweimal einen Rückstand wettmachen. Nach dem 1:0 durch Oleg Gusew profitieren die Berner Oberländer von einem Fehler der ukrainischen Abwehrreihe. Der Brasilianer Rodolfo bugsierte einen Kopfball Mauro Lustrinellis in der 39. Minute in die eigenen Maschen. Kurz vor der Pause sorgte der starke Gusew mit einer schönen Vorlage auf Maksim Schazkich dafür, dass Dynamo Kiew für seinen eindrücklichen Sturmlauf in der ersten Halbzeit nicht gänzlich unbelohnt blieb.
Glückliches Resultat für den FC Thun
Die schönste Aktion des Spiels brachte den Thuner das wertvolle 2:2, als Lustrinelli und Andres Gerber Mittelfeldarbeiter Silvan Aegerter ideal in Abschlussposition brachten (66.). Es war zweifellos ein glückliches Resultat für den FC Thun. Er war über weite Strecken des Spiels unter Druck und überfordert mit den schnellen, variablen Angriffen der Ukrainer. Bis zum 1:0 hatte Jakupovic bereits dreimal eingreifen müssen. Eindrücklich war seine Parade in der 10. Minute gegen den Kopfball von Ruslan Rotan. Damit hatte der letztjährige GC-Goalie sich perfekt eingestimmt auf die Partie und war zu jeder Zeit ein sicherer und entscheidender Rückhalt. Diesen brauchte der FC Thun dringend. Kiew, elffacher ukrainischer Meister mit einem Budget von 60 Millionen Euro, wurde seinem Ruf als spielstarke Mannschaft vollends gerecht und erarbeitete sich Chancen im Minutentakt.
Die Odyssee von Armand Deumi
Thuns Trainer Urs Schönenberger sah sich bereits nach knapp einer halben Stunde zu einer ersten Umstellung gezwungen. Er nahm den gegen Gusew völlig überforderten Adriano heraus und ersetzt ihn durch Gonçalves. Die personelle Umstellung gab den Thuner fortan grössere Sicherheit in der Defensive. Aber es war vor allem eine deutliche Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit, die es dem krassen Aussenseiter ermöglichte, im Spiel zu bleiben. Vor allem die Abwehr um Armand Deumi hatte die wirbligen Offensivspieler der Ukrainer nach dem Seitenwechsel besser im Griff. Die Leistung Deumis ist speziell herauszuheben, weil der Kameruner eine wahre Odyssee hinter sich hatte, als er das prallgefüllte Lobanowski-Stadion betrat. Am Vorabend war er von der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé, wo er der Beerdigung seiner Lebensgefährtin beigewohnt hatte, abgeflogen, kam beinahe zwölf Stunden später in Paris an und reiste nach dreistündiger Wartezeit nach Kiew, wo er knapp zwei Stunden brauchte, um die Passkontrolle zu passieren. 180 Minuten vor dem Spiel erreichte er endlich das Mannschaftshotel.
Schönenberger: «Jakupovic war Weltklasse»
Deumis Aufstellung lohnte sich spätestens in der 82. Minute. Rotan fand sich in idealer Abschlussposition, wurde vom Afrikaner aber perfekt getackelt. Die Aktion von Rotan läutete nochmals Zitterminuten für den FC Thun ein. Innerhalb von 240 Sekunden brachte Jakupovic die knapp 18'000 ukrainischen Fans zur Verzweiflung. Zunächst parierte er mit einem Reflex einen Kopfball von Ayila Yussuf aus fünf Metern, und kurz darauf verweigerte er Rotan mit einem Hechtsprung das 3:2. Dynamo Kiew, 1999 Champions-League-Halbfinalist, verzweifelte am bosnisch-schweizerischen Doppelbürger. Dieser bewies, dass er seinem Vorgänger Fabio Coltorti in nichts nachsteht. Coach Schönenberger nannte Jakupovic' Leistung zu Recht «Weltklasse».
Torloses Remis würde schon genügen
Obwohl die Thuner oft in der Defensive waren und zum Teil gegen das Pressing und den schnellen Angriffsauslösungen Kiews kein Gegenmittel fanden, betonte Schönenberger, dass das Resultat keinesfalls nur Glück war: «Auch wir hatten unsere Chancen, vor allem in der Anfangsphase.» In den ersten zehn Minuten hatten Lustrinelli und Nelson Ferreira zwei Kopfballchancen. Beide konnten jedoch von ihrem Freiraum inmitten der schlecht disponierten ukrainischen Verteidigung nicht profitieren. Doch Schönenberger wollte und konnte darüber nicht lamentieren. Das 2:2 lässt den FC Thun von der 3. Qualifikationsrunde der Champions League träumen. Nächste Woche in Bern könnte bereits ein torloses Remis zum Weiterkommen reichen. Allerdings werden sich die Vorderleute von Jakupovic etwas einfallen lassen müssen, um den ukrainischen Offensivspielern nicht mehr so viele Torchancen zuzugestehen. Denn der Thuner Goalie wird nicht jede Wochen eine solche Leistung zeigen können.
Dynamo Kiew - FC Thun 2:2 (2:1)
Lobanowski-Stadion. - 18'000 Zuschauer (ausverkauft). - Schiedsrichter: Delevic (Serbien). - Tore: 19. Gusew 1:0. 39. Rodolfo (Eigentor) 1:1. 44. Schazkich 2:1. 66. Aegerter 2:2.
Dynamo Kiew: Schowkowski; Gavrancic, Rodolfo, Nesmatschni; Gusew, Yussuf, Leko (68. Aliew); Rotan, Belkewitsch (55. Rincon), Rebrow; Schazkich (55. Verpakovskis).
Thun: Jakupovic; Pallas, Hodzic, Deumi, Leandro Vieira (87. Bernardi); Ferreira, Aegerter, Milicevic, Adriano (29. Gonçalves); Gerber (85. Gelson); Lustrinelli.
Bemerkungen: Thun ohne Sinani, Savic (beide verletzt) und Fayé (Trainigsrückstand). Goncalves nach Einwechslung als linker Verteidiger, Leandro Vieira am linken Flügel. Verwarnungen: 40. Deumi (Foul).