Stellungnahme zur akt. Diskussion um pyrotechnische Aktivitäten in Schweizer Stadien
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Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um pyrotechnische Aktivitäten in Schweizer Stadien
Das Fanprojekt Basel stellt immer wieder fest, dass bei Diskussionen rund um das Fanverhalten, die betroffenen Fans selber selten zu Wort kommen, um ihre Anliegen und Standpunkte der breiten Öffentlichkeit erläutern zu können.
Das Fanprojekt Basel macht mit dieser Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um pyrotechnische Aktivitäten in Schweizer Stadien einen Anfang und gründet zusammen mit dem Dachverband Muttenzerkurve eine Mediengruppe, welche das Ziel hat, die Öffentlichkeit für die Anliegen oder Haltungen der Fans und des Fanprojektes zu sensibilisieren. Dabei sollen vor allem die Fans zu Wort kommen, die in der breit geführten Diskussion oftmals stigmatisierend als Chaoten oder Hooligans abgetan werden. So werden wir einerseits auf Berichte in den Medien reagieren, andererseits aber auch als Meinungsmacher auftreten.
Diskussionen nach dem Spielabbruch in Mailand
Nach dem verständlichen Abbruch des Champions-League Spiels AC Mailand gegen Inter Mailand werden nun auch in der Schweiz merklich mehr Stimmen laut, welche ein hartes Vorgehen gegen die „Chaoten“ fordern, die in der Schweiz pyrotechnisches Material in den Stadien zünden. Clubs und Verband werden dazu aufgefordert, mittels strengeren Kontrollen und härteren Sanktionen, die pyrotechnischen Aktionen aus den Stadien zu verbannen und der Ruf nach „Nulltolleranz“ wird lauter. Dem Fanprojekt Basel und dem Dachverband Muttenzerkurve ist es ein Anliegen, die Standpunkte rund um die derzeitige Diskussion über pyrotechnische Aktivitäten und die daraus resultierenden Handlungsvorschläge zu erweitern. Hierzu ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema vom Dachverband Muttenzerkurve:
Pyroaktionen und Fankultur
Pyrotechnik ist in praktisch allen europäischen Fanszenen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Kultur. So auch in Basel. Seit Jahrzehnten zündet die Basler Fanszene, an Auswärtsspielen wie auch in der heimischen Muttenzerkurve, Fackeln und andere pyrotechnische Materialen. Diese werden von den Fans als Stimmungsmittel verstanden. Die Mannschaft soll beim Einlaufen sehen, dass ihre „leidenschaftlichen“ Fans (Fernsehkommentatoren-Jargon) wieder gekommen sind, um sie zu unterstützen. Jahrelang konnten Fans problemlos in der Kurve, teilweise gar auf dem Spielfeld, legal zünden. Mittlerweile gelten sie als kriminell. Diese Kriminalisierung führt dazu, dass meist jugendliche oder gar minderjährige Fans, die nach ihrem Empfinden lediglich ihre Mannschaft unterstützen wollten, in die Mühlen der Justiz geraten und mit Stadionverboten belegt werden. Die Medien haben mit ihrer teilweise tendenziösen Berichterstattung einiges zu dieser Entwicklung beigetragen. Von erwarteten Toten und Schwerverletzten wird berichtet, nur um wenige Sekunden später wieder Choreobilder zu zeigen. Einer ernsthaften Diskussion entzieht man sich allerdings immer. Auch in Zukunft?
Sicht des Fanprojekts Basel:
Schon seit einiger Zeit erkennen wir, dass bei Diskussionen rund um „problematisches“ Fanverhalten die Handlungsalternativen auf Sicherheitsfragen und Repressionsmöglichkeiten reduziert werden, auffallend besonders hinblickend auf die EM08 in unserem Land. Es scheint der einfachste und beste Lösungsweg zu sein, unerwünschtem Fanverhalten mit der Nulltolleranzstrategie zu begegnen. Ein Trugschluss! Geht man davon aus, dass pyrotechnische Aktivitäten in einer Fankultur verinnerlicht sind (siehe oben) stellt sich die Frage nach der Zielsetzung einer Nulltolleranzstrategie. Denn: Mit dem Wunsch „Pyros“ aus den Stadien zu verbannen werden nicht Gegenstände, die teilweise nach unserem heutigen Gesetz unter das Sprengstoffgesetz fallen, bekämpft, sondern eine fankulturelle Bewegung in ihrer Gesamtheit. So muss nach unserer Meinung genau überlegt werden, welche Nulltolleranz-Schranken wir gerade einer jugendkulturellen Fanbewegung setzen und was die Konsequenz daraus ist. Tritt der aus unserer Sicht unwahrscheinliche Fall ein, dass Pyros vollständig aus den Stadien verbannt werden können, stellt sich die Frage, was die Fanbewegung als Alternative dazu in ihre Kultur neu implementieren wird und welche neuen Problemfelder (z.B. Aufbau einer rechtsextremen Orientierung) so provoziert werden. Das Zünden von Pyros wird von der Mehrheit der „Pyromanen“ als friedliche Ausdrucksweise des Fan-Seins verstanden und nicht als gewalttätiges Instrument zur Bekämpfung der gegnerischen Fans oder als Mittel für einen Spielabbruch. So wird der Fall „Mailand“ von der Grossmehrheit der pyrofreundlichen Fans verurteilt und als dumm bezeichnet. Auch das Fanprojekt Basel distanziert sich deutlich von Pyroaktionen solcher Art. Trotzdem stellt sich natürlich die berechtigte Frage, wie in Schweizer Stadien ein ähnlicher Fall verhindert werden kann oder wie mit den nicht ungefährlichen bengalischen Feuern in einer Masse umgegangen resp. auf ein sorgfältiges (z.B. kein Werfen der Fackeln) „Zünden“ hingearbeitet werden soll.
Illegalität versus kontrollierte Legalität
In diesem Zusammenhang gilt es zu überprüfen, ob die kritischen Begleiterscheinungen rund um Pyroaktionen nicht eher mit einer kontrollierten Legalität statt mit der Nulltolleranzstrategie angegangen werden sollten. Illegales „Zünden“ führt nämlich dazu, dass pyrotechnisches Material versteckt und vermummt in der Masse, meist verdeckt durch Fahnen, gezündet wird. Weiter werden die pyrotechnischen Materialen oftmals vor dem Ausbrennen auf den Boden oder auf das Spielfeld geworfen. Dies einerseits um nicht entdeckt zu werden, andererseits führt die aktuelle ungelöste resp. ungeregelte Situation zu Kurzschlussreaktionen seitens der Fans. Diese Situation stellt sicherlich ein ungelöstes Sicherheitsrisiko dar. Eine kontrollierte Legalität würde dazu führen, dass offen über das „Zünden“ diskutiert werden kann und gemeinsame Regeln mit dem Club oder Sicherheitsdienst festgelegt werden können, um die Fans für ein sicheres Abbrennen zu sensibilisieren. Hier bestehen von Seiten der Fans viele Lösungsvorschläge, die ernst genommen werden müssen. Gleichzeitig gilt es aber auch für die pyrofreundlichen Fans zu verstehen, dass eine gemeinsame Lösung nur durch ein gegenseitiges Näherrücken der unterschiedlichen Positionen ermöglich wird.
Wir hoffen, mit der neu eingesetzten Mediengruppe einen Teil zu einer konstruktiven Diskussion beitragen zu können
Mediengruppe Fanprojekt Basel
Thomas Gander
Kontaktmöglichkeiten:
Mediengruppe Fanprojekt Basel (info@fanprojekt-basel.ch oder 061 683 74 44)
oder
Dachverband Muttenzerkurve
Stefan Kohler (Pressesprecher, s.kohler@muttenzerkurve.ch)
Basel, im Mai 2005
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