Auch Basel regt sich auf über gewalttätige FCB- Fans. Alle Klubs und die Polizei müssten gemeinsam nach Lösungen suchen, statt, wie in Zürich, die Fronten zu verhärten.
Von Freddy Widmer
Es hat nicht viel gefehlt; es war fast schon schön, es war fast gut, es war fast die perfekte Antwort auf alles, was eine Woche zuvor in Zürich passiert war und in der Woche aus Zürich ( an stierer Rechthaberei und schierem Machtgehabe) gekommen oder ( an generöser Geste) nicht gekommen war: Es war wieder ein Heimspiel am Samstag im St.- Jakob- Park, und es war Scherz, Satire und durchaus auch tiefere Bedeutung auszumachen in der Muttenzer Kurve.
Die Muttenzer Kurve nennt das, was sie vor Spielbeginn inszeniert, « Choreografie » , und natürlich war ihre samstägliche « Choreo » eine Reaktion auf die 427 Verhaftungen durch die Zürcher Polizei. Die Reaktion war zunächst durchaus witzig und gekonnt. Der « Choreo » - Dirigent kam in Sträflingskleidung mit der Häftlingsnummer 1893 ( Gründungsjahr des FCB). In der Kurve hielten manche auf Plakaten die Nummer hoch, die sie am Vorsonntag auf den Handrücken gemalt bekommen hatten. Den Versen auf den Spruchbändern fehlte es mehr an korrektem Mass und Rhythmus denn an Geist. Und auch die vielen, vielen Wunderkerzen und Feuerzeuge im ganzen Stadion hätte man dazu passend als Teil eines pazifistischen Signals nach Zürich deuten können und nicht nur als allgemeines adventszeitlichschnulziges Symbol.
Die Idioten mit ihrer Fäkalsprache
Dann gings aber doch wieder schief. Dann fingen sie wieder an, diese Idioten, rutschten wieder ab in ihre widerlich- primitive Fäkalsprache, richteten ihre Sprechgesänge an Esther Maurer, verpassten es, irgendeine ironische Nettigkeit zu dichten, und schimpften sie stattdessen eine « grösste Sau » .
Die Schweiz, Zürich, der Schweizer Fussball mag nicht, was die da – wie viele sinds, drei-, vierhundert? – an Üblem anrichten. Zu Recht mögen sie es nicht; aber sie sind damit nicht allein: Vor allem mag Basel nicht, was die da anrichten. Auch der FC Basel mags nicht. Er hat es zwar nicht immer in aller wünschbaren Deutlichkeit gesagt, aber jetzt tut er es. In aller Deutlichkeit sagt er aber auch, dass er solch « flächendeckende Massnahmen » nicht mag wie jene vom 5. Dezember.
Das zu sagen, ist nicht genug, ist aber immerhin bemerkenswert, ist fast schon ein wenig mutig, denn das Sportmilieu steht ja generell nicht eben im Verdacht, besonders autoritäts-, behördenund obrigkeitskritisch zu sein. Es genügt auch nicht, dass dem FCB « vertrauenswürdige Fans bekannt » sind ( Zitat aus dem Communiqué vom 6. 12.); ihm müssten vor allem die nicht vertrauenswürdigen Figuren bekannt sein; sie unter Kontrolle zu haben, das müsste er versuchen. Leicht gesagt. Welcher Verband, welche Gesellschaft, welche Institution, welcher Klub hat Rezepte und Mittel? Der FC Basel und der St.- Jakob- Park haben sie nicht. Das tauglichste Mittel wär wohl jenes der « Selbstreinigung » ; im Klartext hiesse dies: Mobbing gegenüber den Hooligans durch die Fans. Das funktionierte aber auch nur dann, wenn dies zwei klar voneinander abzugrenzende Gruppierungen ohne Schattierungen wären. Die Zürcher Polizeiaktion hat wohl eher bewirkt, dass potenzielle Gewalttäter nun noch näher an die real existierenden Gewalttäter heranrücken.
Die Spieler haben nur den Ball im Kopf
Der FC Basel hat ( wie andere kleinere und andere wichtigere Vereine) leider auch nicht das Personal. Respekt vor der Eloquenz des Medienverantwortlichen, aber die Situation verlangte nach populären Figuren, die hinstehen und argumentieren können. Wärs von den Spielern zu erwarten, die ein Leben lang den Ball im Kopf haben und diesen vorwiegend dazu benützen, um jenen irgendwohin zu befördern? Gestik und Mimik etwa des Captains Zuberbühler sind eher geeignet, Aggression auf- statt abzubauen. Und was Murat Yakin gegenüber einer Zürcher TV- Station zum Thema Krawall gesagt hatte, ist an Dummheit schwer zu überbieten und wird jetzt natürlich bei jeder Gelegenheit wieder hervorgeholt ( was nicht viel gescheiter ist).
Die Mäzenin Gigi Oeri und der Trainer Christian Gross schliesslich: Kämen sie gut an bei den Hartgesottensten, würden sie nicht wahrgenom- sonmen als eben jene Repräsentanten eines neureichen FCB, eines FCB, der sich in der Provinz etwas zu grossstädtisch gibt? Wir haben die Antworten nicht. Aber wir haben wenigstens eine Frage: Wo sind die Fachleute, die nicht nur geisseln, dass sich Gewaltbereite ausbreiten, sondern die danach fragen, weshalb sie es tun und weshalb sie es im Bereich Fussball tun? Der FCB steht ja nicht allein mit dem Problem; und er kann es auch nicht allein lösen.
Wo bleibt die Partnerschaft aller Klubs?
In Basel fragt man sich nun allerdings, ob diesbezüglich aus Zürich eine Partnerschaft zu erwarten ist. Die Frage stellte man sich – mit Verlaub – auch nach Lektüre des « Tages- Anzeigers » ; die Berichterstattung kam reichlich gouvernemental daher, und beim kommentierenden Satz « die Aktion geht in Ordnung » wähnten wir uns definitiv nicht mehr im Tagi.
Wie doch die Stimmung gewechselt hat: Vor zwei Jahren hatte die Sportschweiz den FC Basel quasi adoptiert. Es hat ihr wohl gefallen, sich mit ihm unter den Sternen der Champions League zu sonnen, und sie hat dabei wohl ausgeblendet, dass es die « Gewaltbereiten » auch damals schon gegeben hat.
Heute dagegen scheint der Fussballschweiz so ziemlich alles falsch an diesem FCB – und sie blendet aus, dass er es ist, der ihr zu zumindest halb vollen Stadien verhilft. Dabei scheuen sich manche Vereine nicht, bei FCB- Spielen einen so genannten Topzuschlag zu verlangen – investie- ren sie den unanständigen Gewinn wenigstens in ein anständiges Sicherheitsdispositiv? Und noch ein Detail zur gekehrten Stimmung: Ist es Zufall, dass der Einzelrichter dieses « Fast- Nichts » von Christian Gimenez im Spiel gegen GC hinterher mit drei Spielsperren belegt? Fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass die Swiss Football League den FCB für den vergangenen Samstagabend büsst: wegen Abbrennenlassens von Wunderkerzen innerhalb einer grösseren Menschenmenge.
Um nicht missverstanden zu werden: So wie wir nicht alle pfeifen und trommeln können, so sind wir auch nicht alle in rot- blaue Bettwäsche hineingeboren worden; wir haben nur rotes Blut, nicht rot- blaues; wir gehen gern ins Stadion, und der eine oder andere Opinion Leader gibt sogar zu, dass ihm der Montag leichter fällt, wenn der FCB am Wochenende gewonnen hat. Aber wir haben den FCB nicht nur gern, es wär uns durchaus recht, wenn er etwas diskreter zu seinen Erfolgen käme. In einem allerdings sind wir uns einig: von den durchschnittlich 25 000 Menschen, die ins Stadion kommen, finden 24 800 zum Kotzen, was die restlichen 200 anrichten.
Wir sinnen schon über sie nach; aber wir hintersinnen uns nicht. Sie diktieren nicht die Stadt, und die Stadt lebte auch ohne Fussball, sie hat ja auch noch anderes; die alten Meister etwa, die in den Museen hängen, sind ihr genauso wichtig wie die jungen Meister. Natürlich gehen wir am Donnerstagabend wieder hin, wenn Feyenoord kommt. Aber mittelfristig interessiert uns eine andere Kombination viel mehr als Rot- Blau: Wir wollen sehen, was in den nächsten vier Jahren Rot- Grün als neue Stadtregierung vermag.
Heute scheint der Fussballschweiz so ziemlich alles falsch an diesem FC Basel.
Quelle: tagi, 15.12.04