Beitragvon C.D.M. » 25.10.04 @ 9:05
Ziel verpasst, keine Halbzeit gewonnen
Der FC Herisau kann nichts ausrichten gegen den FCZ - 2:7
rei. Herisau, 24. Oktober
Seit Jahresfrist kennt der FC Herisau gegen den FCZ ein Ziel: eine Halbzeit zu gewinnen. Damals war ihm dies in den Cup-Achtelfinals gelungen (2:4 Schlussstand bei 0:3-Pausenrückstand). Am Sonntag hiess es anlässlich der Reprise gleichenorts 0:4 nach 45 Minuten, und in der vierten Viertelstunde machte es stark den Anschein, als ob die Appenzeller gegen die nicht mehr besonders interessierten Zürcher diesen Coup wiederholen könnten. Blazanovic, wenige Minuten zuvor auf dem Platz gekommen, widerlegte einen kritischen Insider unter den Schaulustigen. «Der hat noch nie ein Tor geschossen, der kann das gar nicht.» Er kann. In der 51. Minute hatte er Premiere (1:4). Kurz darauf scheiterte Callaci zum zweiten Mal mutterseelenallein am Keeper Taini, und auf die Wiederherstellung des alten Abstandes durch den Rumänen Ilie replizierte Caliano mit einem schön herausgespielten Treffer zum 2:5. Ein kurzer Zwischen- bzw. Schlussspurt des genügsamen Teams von Lucien Favre machte die ehrgeizigen Pläne der Herisauer wieder zunichte. Das 2:7 gab doch ziemlich genau die Klassenunterschiede zwischen den beiden Mannschaften wieder. *
Daran schien sich niemand auf der Ebnet sonderlich zu stören. Die Leute hatten an diesem goldenen Oktobertag nochmals die Sommerkleider aus dem Schrank geholt und waren nicht unfroh, sich keine der 458 Sitzpositionen auf den Bänken reserviert zu haben. Die Sonne strahlte dermassen heiss über die Toggenburger Bergrücken, dass viele auf der dreireihigen Tribüne Reissaus nahmen und an schattigen Plätzchen bei Tranksame über das Geschehen debattierten. Wer anlässlich des Besuchs des Grossen auf dem Lande eine Überraschung für möglich hielt, kam nicht aus Herisau. Obwohl, wie die «Appenzeller Zeitung» vorgängig schrieb, die zusätzliche Stahlrohrtribüne auf der Gegenseite präventiv bis zur nächsten Cup-Runde gemietet wurde. In dem 16 000- Seelen-Hauptort Ausserrhodens ist man - sportlich - genügsamer geworden seit dem Abenteuer auf Eis. 1997/98 hatte der lokale Eishockeyklub ein Gastspiel in der obersten Liga gegeben und sich dabei finanziell übernommen. Heute gilt der Goodwill des städtischen Gewerbes wieder eher den Fussballern. Beide Vereine sind Erstligisten, beide eher in der unteren Tabellenhälfte, doch die Kanterniederlagen in der eigenen Halle wollen inzwischen höchstens noch ein paar Hundert Besucher sehen. Den FC schon einige mehr. Auch wenn es eingefleischte Herisauer ganz gerne sähen, würden in der Mannschaftsaufstellung neben dem Gerippe von Spielern ausländischer Abstammung noch einige etwas heimeliger heissen. Aber Peter Eugster war eben gesperrt nach dem Platzverweis eine Runde zuvor gegen den oberklassigen FC Wil. Und Sascha Müller besitzt zwar noch die Spielberechtigung auf der Ebnet, zieht es aber vor, den Nachwuchs des FC St. Gallen hauptamtlich zu trainieren.
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Deshalb fehlte dem Platzklub ein bisschen der Magnet, weshalb in seiner Leitung niemand mit einem Platzrekord rechnete; er gilt seit dem Vorjahr im Match gegen denselben Gegner (3000 Zuschauer). Die Herisauer setzen ganz auf Nachwuchs und vertrauen einem sehr jungen Team, in dem der frühere FCZ-Verteidiger Giuseppe Gambino mit Jahrgang 1968 schon fast Vater des Jüngsten im Team sein könnte. Darko Damjanovic gehört auch zu den wenigen erfahrenen Kämpen. Er ist Herisauer und hat insofern erfreuliche Cup-Erinnerungen, als er an jenem Fight teilnahm, der noch heute Fussball-Geister in der Ostschweiz in Wallung bringt - beim 11:3-Sieg Wils gegen St. Gallen. Und zwar im Gehäuse des Gewinners. *
Auch der grosse Favorit konnte nicht eben mit typischen Schweizer Nachnamen prahlen. Umso mehr mit Ilie. Der Rumäne, bisher auf hiesigen Plätzen nicht mit sehr schmeichelhaften Attributen bedacht, nahm die Spielgelegenheit dankend an - und schoss gegen die etwas hölzern wirkenden und im Abschlussbereich gern auf Distanz bleibenden Appenzeller Verteidiger gleich vier Treffer. So locker und unbedrängt er jeweils Mass nehmen konnte, so unbeschwert und teilnahmslos verlief das Geschehen - von der erwähnten «Herisauer Viertelstunde» abgesehen. So unterhielt man sich eben noch an der Pauseneinlage «Penaltyschiessen mit Fans», mit der die Swisscom als Cup-Sponsor dem jeweiligen Platzklub zu Zusatzeinnahmen verhilft. Oder staunte über die Sprüche aufgebrachter Tribünenbesucher, die dem Linienrichter partout keine Abseits-Kompetenz zubilligten - jedenfalls nicht ihre höchst persönliche. Der Mann an der Linie wie die Schaulustigen hatten mit und ohne Kopfschutz dafür dasselbe Alibi: die tief stehende Sonne.
quelle: nzz
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