Colo hat geschrieben:Hö erklär mir wie die Talinn in die Europa League Gruppenphasen kommen soll?
Wo habe ich Europa League geschrieben? Europa-Cöp, bitte sehr! Und wie gesagt, gemäss AC sei Conference League finanziell vergleichbar mit Europa League vor fünf Jahren.
Colo hat geschrieben:Und ich bleibe dabei, die UEFA arbeitet ausschliesslich fürs Portemonnaie von einigen Funktionären oder den reichen Clubs. Oder wieso findet die WM im Winter statt? Da gibt es x Beispiele bei denen Funktionäre krumme Geschäfte machen und massiv daran verdienen.
Die Stories von Jack Warner und seinen bestechlichen Kumpanen aus dem amerikanischen Raum sind uns ja allen wohlbekannt. Übrigens geht es dabei um die FIFA, nicht UEFA. Aber daraus dann eine Saga zu stricken à la "die UEFA arbeitet ausschliesslich fürs Portemonnaie von einigen Funktionären oder den reichen Clubs" toppt ja selbst die schrägsten und absurdesten Verschwörungstheorien, die zur Zeit kursieren. Aufgrund von Einzelfällen Pauschalurteile zu fällen, ist einfach sehr tiefes Niveau. Wie wenn jemand die Geschichte von einem Verbrechen eines Albaners liest und dann schlussfolgert: «sind doch alle so!»
Repräsentative Demokratien und Internationale Organisationen haben immer eine gewisse Anfälligkeit auf Bestechung. Das ist in der UNO, im WWF oder in Bundesbern nicht anders, als in der FIFA. Der Weltfussball steht halt einfach viel mehr im Fokus als alles andere und deshalb sind dann plötzlich die prekären Arbeitsbedingungen in einem WM-Ausrichterland, die zuvor niemanden in der Schweiz gekratzt haben, ein grosses Thema. Ist ja auch grundsätzlich okay, dass dies dank der WM nun thematisiert wird, aber verhältnismässig einordnen sollte man diese Geschichten dann eben trotzdem.
In der FIFA und UEFA arbeiten hunderte von ganz normalen professionellen Arbeitnehmern. Da dies aber eben keine kommerziellen Unternehmen sind, sondern demokratisch aufgebaute internationale Organisationen (mit Rechtsform Verein nach schweizerischem Recht), gibt’s darüber noch einen Überbau von demokratisch gewählten Funktionären als Repräsentanten der Kontinental- und Landesverbände, die als Nebenjob für etwas Sitzungsgeld die Oberaufsicht über diese Organisationen haben und strategische Entscheide fällen, wie zum Beispiel eine WM-Vergabe. Nun gibt es Einzelfälle von Funktionären, meist aus etwas ärmeren Ländern, die versuchen, ihr Amt zu nutzen, um ihr Sitzungsgeld «aufzupeppen». Die Funktionäre aus reicheren Ländern verdienen in der Regel in ihren angestammten Jobs als Anwälte, Unternehmer oder führenden Mitarbeitern von begüterten Landesverbänden bereits so viel, dass für sie Bestechungsgelder und die keineswegs riesigen Summen um die es dabei jeweils geht, zu wenig verlockend wären, um auf diese schiefe Bahn zu geraten. Die FIFA hat ja reagiert und so weit ich informiert bin, sollen WM-Vergaben in Zukunft von der Generalversammlung entschieden werden und nicht mehr vom relativ kleinen Gremium der Exekutive - was die Bestechungsmöglichkeiten reduziert.
Dass eine WM im arabischen Raum von einigen im Westen ganz grundsätzlich abgelehnt wird, ist natürlich mit sehr viel Arroganz verbunden, so im Sinne von: ombelico del mondo sind wir und nur wir! Über Katar wirst du in nächster Zeit noch viele negative Geschichten lesen und hören. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Regionalmacht Saudi-Arabien immer noch in einer Art Kaltem Krieg mit dem Nachbarland steckt. Kurz erklärt: Saudi-Arabien will die Vorherrschaft in der Region und gegen andere Regionalmächte wie Iran und die Türkei vorgehen. Das kleine Katar hat sich erdreistet, sein eigenes Süppchen zu kochen und eigene Interessen zu verfolgen. Nun soll Katar so lange gemobbt werden, bis sie nachgeben und sich der Saudischen Koalition anschliessen. Dabei spielt die Fussball-WM eine wichtige Rolle. Diese ist im Hinblick auf Katarische Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein der saudischen Führung ein grosser Dorn im Auge. Du kannst also davon ausgehen, dass westliche Medien einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Quellen über Katar via von Saudi-Arabien bezahlten amerikanischen oder englischen PR-Firmen geliefert bekommen. Das sind natürlich Profis, die wissen, wie westliche Journalisten politisch ticken, und liefern dementsprechend Stories, die das Weltbild, die Sprache und Trigger-Begriffe dieser Journalisten bedienen.
Colo hat geschrieben:Grundsätzlich wäre die Verabschiedung dieser Clubs gar nicht so schlecht. Eine Möglichkeit wäre, dass durch dieses Konkurrenzprodukt, Geld aus dem UEFA Business verschwindet und so ein wenig eine Normalisierung der Lage zur Folge hätte.
«Normalisierung der Lage?». Man sieht in deinen Zeilen den typisch toxischen Effekt von Propaganda. Eine Person, Organisation, Land oder Gruppe von Menchen wird so lange regelmässig schlecht gemacht, bis viele Leute mürbe vom Thema nach «einer Lösung des Problems» schreien. Irgendein Knall oder eine starke Hand soll her. Sie sind dann sogar bereit, Lösungen zu akzeptieren, die eigentlich völlig gegen die eigenen Überzeugungen laufen.
Überleg doch mal: was wäre wirklich besser? Die Liga mit viel Geld würde dann ja genauso existieren – sie hiesse einfach Super League statt Champions League. Sie würde aber nicht mehr von einem eingetragenen Verein geführt (UEFA), sondern von einem gewinnorientierten Unternehmen. Ihre Führung würde nicht mehr von allen Landesverbänden Europas demokratisch gewählt, sondern von einer Aristokratie von reichen Grossklubs bestimmt. Diese würden Schritt für Schritt weitere Klubs ins Boot holen, aber die Führung und entscheidende Privilegien verblieben in den Händen der Gründerklubs. Die UEFA gibt nur aus, was sie auch einnimmt, und wirtschaftet dementsprechend. Die Super League trat hingegen mit dem Versprechen von grosszügigen Einstiegs-Boni an, finanziert von der Investmentbank JP Morgan, die in der Folge bei dieser Liga dann natürlich ein gewichtiges Wort mitreden würde. Eine Bankers League.
Die UEFA würde mit dem, was übrigbleibt, wahrscheinlich weiterhin einen Wettbewerb namens «Champions League» organisieren, aber dieser wäre in Tat und Wahrheit von den Teilnehmern und finanziellen Möglichkeiten her eher so etwas wie eine Conference League. Und diese generiert deiner Meinung nach ja zu wenig Geld! Und falls die «The Super League»-Klubs weiterhin in den nationalen Ligen mitmachen würden, würde die finanzielle Schere dort noch mehr auseinanderdriften, als jetzt schon! Zudem wäre eine Abspaltung in die «Super League» ein Dammbruch, der wohl weitere Abspaltungen und Gründungen von weiteren internationalen Ligen nach sich ziehen würde. Jede dieser Ligen würde behaupten, ihr Sieger sei die beste Mannschaft von Europa / der Welt. Wer würde das noch schauen wollen? Es gäbe dann vielleicht vier oder fünf Ligen parallel. Der Spielkalender wäre ein Chaos und es würde noch viel mehr darüber gestritten werden als heute. Genauso würden gewisse Ligen keine Spieler mehr an WM oder EM abstellen. Junioren- und Frauen-Wettbewerbe wären gleichermassen davon betroffen.
Dann denk an das Transfersystem. Durch dieses wird ein Teil des Geldes, das die Grossen verdienen, nach unten verteilt. Nicht nur direkt an den finanziell weniger gut bestückten abgebenden Verein. Die FIFA konnte ja sogar ein System etablieren, in welchem bei einem Transfer von Manuel Akanji vom FC Basel zu Borussia Dortmund Akanjis Ausbildungsvereine Wiesendangen (sechsstellig) und Winterthur (siebenstellig) einen schönen Batzen ausbezahlt erhalten. Dieses System wäre mit der Abspaltung einer Super League kaputt, nicht mehr durchsetzbar. Die FIFA und UEFA haben ja keine staatliche Macht. Ihr einziges Machtmittel ist die Drohung des Ausschlusses aus den UEFA-Wettbewerben, falls Dortmund die entsprechende Summe nicht nach Winterthur und Wiesendangen überweist. Wenn Dortmund aber gar nicht mehr in den UEFA-Wettbewerben mitspielen will, dann greift dies nicht mehr. Ganz generell: bei einer Abspaltung einer «Super League» hätten die Teilnehmer an dieser Liga noch mehr Geld als heute, und alle anderen hätten weniger. Ist das deine Intention?
Dies bringt mich auch zu deiner Behauptung "die UEFA arbeitet ausschliesslich fürs Portemonnaie von einigen Funktionären oder den reichen Clubs". Warum hat sie dann mit der FIFA dieses Transfersystem entwickelt und setzt es durch? Warum organisieren sie dann all die vielen defizitären Junioren- und Frauen-Wettbewerbe, Europacup-Qualifikationsrunden und EM-Qualifikation? Warum hat die UEFA Initiativen bezüglich Financial Fairplay entwickelt und viel Zeit und Energie investiert, um dies gegen die Grossklubs durchzusetzen und diesen damit gehörig auf die Nerven zu gehen? Natürlich kann man E-Mails vorzeigen, die beweisen, dass die UEFA da und dort nachgegeben hat. Klar! Aber wenn sie ausschliesslich «fürs Portemonnaie von Funktionären und reichen Clubs» arbeiten würde, warum in aller Welt würde sie dann überhaupt solche Initiativen starten und teilweise auch durchsetzen? Warum ist bei einem drei Viertel vollen Glas der Fokus immer auf dem einen Viertel, das leer ist? Warum muss die UEFA moralische Perfektion erreichen, während es dann bei der «Super League» egal ist, was sie machen?
Schauen wir uns doch mal die Zahlen an: 2019/2020 hat die UEFA einen Umsatz von 3 Milliarden gemacht. Von diesen 3 Milliarden hat sie 2,7 Milliarden (!) gar nicht erst angerührt, sondern direkt verteilt an:
- Die Teilnehmer ihrer Klub- und Nationalteam-Wettbewerbe
- Solidaritätszahlungen an weitere Klubs und Verbände
- Infrastrukturprojekte für Verbände mit geringen finanziellen Mitteln, dazu verschiedene Sozialprogramme und Charities
Die UEFA selbst arbeitete mit den übrigbleibenden 300 Millionen, wobei diese 2019/2020 nicht ganz ausreichten – sie machte aufgrund von COVID-19 einen Verlust von 75 Millionen. Was waren die Ausgabenposten der UEFA?
- 181,3 Millionen: «Event expenses», also Organisationskosten all ihrer vielen Wettbewerbe
- 95,4 Millionen: «Employee salaries and benefits», davon etwa 1,5 Millionen für Präsident Ceferin
- 53,6 Millionen: «Information and communications technology»
- 51,2 Millionen : «Other expenses»
- 37,4 Millionen: Schiedsrichter und «Match officers»
- 9,3 Millionen: Abschreibungen (ein grosser Teil davon wohl für den UEFA-Hauptsitz in Nyon)
Wo genau siehst du da drin «Funktionäre, die nur fürs eigene Portemonnaie arbeiten»?
Colo hat geschrieben:Naja Definitionssache, ich sehe das als Erpressung.
Das bestreite ich doch gar nicht, auch wenn es ein extremer Begriff ist. Druck machen alle – nicht nur die Grossen, auch die Kleinen. Das ist immer so, wenn es etwas zu verteilen gibt. Auch den Kleinen «geht es nur ums Geld». Sie wollen einen möglichst grossen Teil des Kuchens haben. Und haben dann Vorteile gegenüber denjenigen, die noch kleiner sind, als sie.
Colo hat geschrieben:Es gibt Beispiele, wie sinnvolle Forderungen und Ideen vorgeschlagen wurden. Bestes Beispiel in Deutschland. Es wurde eine fairere Gelder Verteilung der Erlöse aus Fernsehen vorgeschlagen, der relative Erfolg soll belohnt werden.
Grundsätzlich: was ein Klub- oder Ligavertreter als «faire Verteilung» der Gelder bezeichnet, basiert immer auf Eigeninteressen. Klubs aus Grossstädten mit einer grossen Fanbasis und Medienpräsenz wollen diese als Kriterium der Verteilung verwenden. Klubs mit guter Arbeit und dementsprechend sportlichem Erfolg wollen hingegen alleine sportliche Kriterien verwenden. Ein in die 2. Bundesliga abgestiegener Verein pocht auf einen höheren Anteil der Verteilung der TV-Gelder für die 2. Bundesliga. Und so weiter. Was jemand als «fair» ansieht, ist extrem subjektiv. Ein besserer Begriff wäre «gleichmässigere» Verteilung.
Was immer du als gutes Modell vorschlagen willst: bei der UEFA kannst du dies einbringen und dafür weibeln. In einer SuperLeague wäre das nicht mehr möglich. Was meinst du mit «relativer Erfolg»? Hat dieses Konzept in der Bundesliga Aussicht auf Erfolg? Wie würdest du diejenigen, die in deinem Konzept zu den Verlierern gehören würden, davon überzeugen? Wäre das realistisch?
Selbst mit der heutigen immer ungleichmässigeren Verteilung der UEFA-Gelder, erhalten die meisten Teilnehmer aus kleinen und mittleren Ligen wohl immer noch einen überproportionalen Anteil am Kuchen, gemessen am TV-Interesse und den TV-Geldern, die aus ihren Ländern in den Topf fliessen. Und selbst eine theoretisch gleichmässigere Verteilung der TV-Gelder könnte viele andere Ungleichheiten nicht ausgleichen. Daher wie erwähnt aus meiner Sicht die beste Lösung: Weltliga / Europaliga, mit Auf-/Abstieg, von FIFA / UEFA organisiert, wo einzig der sportliche Erfolg / Ligazugehörigkeit für die Partizipation am Pool relevant ist. Nur der Cup-Wettbewerb würde national bleiben. Jedes Team würde also nur noch an zwei Wettbewerben teilnehmen: Liga (je nach Level international, national oder regional) und Cup (national). Es würde keine Langeweile mehr geben aufgrund von Ungleichheiten, die sich vom Europacup auf die Liga auswirken und umgekehrt.
Colo hat geschrieben: Es kann doch nicht sein, dass in keiner Branche bei der soviel Geld im Umlauf ist, es keine Kontrollmechanismen gibt.
Kontrolle von was genau?
Colo hat geschrieben:Es sitzen zu viele Personen bei der UEFA und FIFA die kein Interesse haben den Sport wirklich nachhaltig zu verändern und ein wenig gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Sie verdienen schlicht zu gut daran, alle Beteiligten. Ich bleibe dabei, das Hauptübel ist das schier unendliche fliessende Geld.
Also erstmal ist es wichtig, die Relationen richtig einzustufen. Wie gesagt arbeitete die ganze UEFA in der Saison 19/20 mit 375 Millionen. Das entspricht gerade mal dem Umsatz von Borussia Dortmund! Das Problem von UEFA und FIFA ist nicht zu viel Geld, sondern zu wenig Geld. Die UEFA sollte die Autorität im europäischen Fussball sein, aber sie hat drei Mal weniger Geld zur Verfügung als ein einzelner Klub wie Barcelona, Real Madrid oder ManU. In diesen Vereinen verdienen selbst talentierte Junioren mehr, als UEFA-Präsident Ceferin. Ist es da ein Wunder, dass diese Klubs die UEFA nicht mehr ernst nehmen und sich über sie erheben? Vor diesem Hintergrund die UEFA- und FIFA-Leute als die grossen «Geldscheffler» im Fussball zu sehen, ist eine Realitätsverzerrung höchsten Grades.
Geld ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Ganz im Gegenteil: es drückt ja nichts anderes als die enorme Popularität des Fussballs in Zahlen aus. Und dank der elektronischen Medien können heutzutage nicht nur Zehntausende, sondern Millionen oder sogar Milliarden ein Spiel schauen und dafür in der ein oder anderen Form bezahlen. Natürlich bringt das viel Geld ein. Da die Topspieler aber Millionen von Menschen unterhalten mit ihrem Spiel, verdienen sie dieses Geld auch. Und die Topspieler sind diejenigen, bei denen dieses Geld ja schlussendlich landet. Jetzt mal abgesehen von all den hunderttausenden, vielleicht sogar Millionen Menschen, die neben den Spielern sonst noch alles im und rund um den Fussball arbeiten und damit ihre Brötchen verdienen. Auch Schweizer Super League-Klubs haben bereits eine dreistellige Zahl an Arbeitnehmern. Dank dem «vielen Geld», das im Fussball kursiert.
Ich kann gar nicht sagen wie unterste Schublade ich das Vorgehen von Andrea Agnelli finde, aber man kann doch nicht sagen, dass er mit dem Fussball «Geld scheffelt». Juve macht Jahr für Jahr grosse Verluste. Der verliert das Geld, das er mit Autos verkaufen verdient hat, mit dem Fussball wieder. Anders sieht es bei den Amerikanischen Besitzern von Englischen Klubs wie ManU oder Liverpool aus. Die arbeiten wirklich profitorientiert – fast als einzige im europäischen Fussball. Vielleicht ist gerade deshalb die Englische Liga als einzige der Topligen an der Spitze einigermassen spannend. Die Besitzer der reichsten Klubs geben nicht alles Geld für noch einen weiteren Topstar à la Cristiano Ronaldo, Neymar, Luka Modric oder Kylian Mbappé aus, sondern stecken es lieber in den eigenen Sack.