Maloney hat geschrieben:Da haben wohl einige Vereine die heftigen Reaktionen der UEFA, der Fans (die können froh sein, dass die Stadien zur Zeit leer sind), Ligen etc. nicht erwartet und bekommen kalte Füsse. Meine schlimmste Befürchtung ist, dass durch diese Aktion die UEFA diesen Vereinen dann noch entgegen kommt. Schuld am Desaster ist unterm Strich sowieso die UEFA: Mit ihrer jahrelangen Deregulierung haben sie dafür gesorgt, dass nicht mehr - wie früher - einfach wohlhabende Fussballliebhaber in den Vereinen das Zepter inne haben, sondern längst das Grosskapital. Solche Grossinvestoren geben einen Fick auf den Sport oder Tradition (und haben davon oft auch gar keine Ahnung), sondern wollen neue, grosse Milliarden-Märkte wie Asien - oder auch die USA - erobern, um noch mehr Geld zu generieren. Denn der europäische Markt ist längst gesättigt - jedes Kind konsumiert hier bereits Fussball.
Und sorry, dass ich jetzt kurz politisch werden muss: DAS ist gemeint mit der linken Forderung "Kapitalismus überwinden". Es geht nicht darum, dass z.B. mit Fussball niemand mehr Geld verdienen soll. Aber diese grenzenlose Gier des Grosskapitals, die immer deutlicher wird, ist eine menschenverachtende, alles verschlingende Kraft, die alles irgendwann zerstört: Humanistische Werte, die Natur - und halt auch die zweitschönste Nebensache der Welt.
Du hast glaub ich nicht ganz verstanden, was Kapitalismus ist. Kapitalismus bedeutet Wettbewerb. Und Meritokratie. Und dass sich jeder daran beteiligen kann. Man kann aufsteigen und absteigen. Diese Grossklub-Besitzer wollen das nicht mehr! No competition. Sie wollen eine Fussball-ARISTOKRATIE kreieren. Sie wollen ein gesichertes Grundeinkommen in Milliardenhöhe. Mit viel Geld den Wettbewerb ausschalten. Wie Aristokraten, die Kirche und später Parteifunktionäre von ihren Pfründen lebten, ohne richtig zu arbeiten. Bitte keine Überraschungen mehr à la Leicester City! Bitte keine Einkommensschwankungen mehr, weil man gut oder schlecht arbeitet! Es soll alles schön geplant und voraussehbar sein, wie damals für den BFC Dynamo.
Welche "Deregulierungen" der UEFA meinst du? Ja, sie kam über die Jahrzehnte von den Grossklubs immer mehr unter Druck und hat viele Zugeständnisse gemacht. Aber man sollte vielleicht auch mal anerkennen: ohne UEFA und FIFA wäre der Fussball schon seit Jahrzehnten eine einzige "SuperLeague". Sie haben immer Gegensteuer gegeben. Jeder hat etwas an der UEFA oder FIFA herumzumäkeln, weil jeder eine andere idee hat von seiner idealen Fussballwelt. Aber eine globale oder europäische Fussballfamilie ist nur mit Kompromissen möglich. Die jahrelange Propaganda gegen die nationalen und internationalen Verbände und damit die Schwächung ihrer Reputation hat natürlich den Grossklubs, die eine rein kommerzielle SuperLeague aufbauen wollen, extrem genützt. Sie haben auch Fans, die sich als "Links" empfinden, dafür instrumentalisiert ohne dass die gemerkt haben, was für ein Spiel gespielt wird. Man muss nur behaupten, den FIFA- und UEFA-Leuten würde es allen "nur ums Geld gehen", und schon hat man viele Leute im Sack und auf seiner Seite.
Es gibt verschiedene Ebenen von Ungleichheiten, die zur heutigen Situation geführt haben:
1. Es fängt damit an, dass es Ungleichheiten zwischen Agglomerationen gibt. Die Agglomeration Aarau beispielsweise ist viel kleiner als die Agglomeration Zürich und damit hat der FC Aarau gegenüber dem FCZ oder GC schon mal zum vornherein einen grossen Standortnachteil in Bezug auf das Zuschauerpotential, Sponsoren und Talentepool. Dass gewisse Vereine in der Schweiz, Deutschland, Italien, England etc, als "Traditionsvereine" gelten, hat mit diesem Vorteil zu tun, den sie schon von Anfang an hatten. Fast ausnahmslos alle Traditionsvereine kommen aus den grössten Agglomerationen ihres Landes. Sie haben historisch diesen Vorteil genutzt, um Titel zu gewinnen.
2. Die grossen Länder wie Deutschland oder England haben einen viel grösseren Markt / Bevölkerung als mittlere und kleine Länder wie die Schweiz. Somit haben sie automatisch mehr Zuschauer im Stadion und am TV und damit mehr Geld. Mit diesem Geld kaufen sie gute Fussballer im Ausland, was ihre Attraktivität auch für ausländische und Übersee-TV-Märkte weiter erhöht.
3. Teams, die national eine gute Rangierung erreichen, können an einem zweiten Wettbewerb (der UEFA) teilnehmen und damit zusätzliches Geld verdienen, womit sie ihre nationale Vorherrschaft zementieren können.
4. Auf Druck der Ligen aus grossen Ländern hat mit der Zeit die Grösse des TV-Marktes eine immer grössere Rolle bei der Verteilung der UEFA-Gelder eingenommen. Was Punkt 2 weiter verstärkt.
Was wäre die Lösung? Wie ich schon länger schreibe - eine Europaliga oder gar Weltliga unter der FIFA bzw. UEFA. Eine Fortsetzung der Fussballpyramide nach oben, mit Auf- und Abstieg. Alle Klubs aller Länder können am globalen Markt partizipieren. Es bleibt dann nur noch die Ungleichheit Nummer 1 bestehen (unterschiedliche Grösse der Agglomerationen). Das ist verkraftbar und im TV-/Internet-Zeitalter auch nicht mehr so gewichtig, wie früher. Die anderen Ungleichheiten würden eliminiert.
Ein weiteres grosses Thema ist die Organisationsstruktur und Besitzverhältnisse der Klubs. Es gibt ja gute Gründe, warum man die Vereine in AG's umgewandelt hat. Das hat schon stark zur Professionalisierung und grösseren Transparenz beigetragen. Früher in den Vereinen wurde extrem viel hintenrum gemischelt und amateurhaft gearbeitet. Ein Mehrheitsbesitzer ist aber ein Klumpenrisiko. Wenn man einen Guten erwischt, dann ist es super. Wenn man einen Schlechten erwischt, dann eine Katastrophe. Ein breit abgestützter Verein ist in der Regel irgendwo zwischendrin. Viele Köche verderben den Brei, man dreht sich häufig im Kreis, stürzt aber auch nicht komplett ab. Ob 50+1 letztendlich unter dem Strich eher positiv oder negativ ist, ist für mich zur Zeit eine offene Frage. Aber man kann eine breite Abstützung ja auch durch eine breite Streuung der Aktien erreichen.