Wort zum Sport
Rasselbande
Es gibt Leute, die müssen auch ohne Champions League glücklich sein. Zum Beispiel die Fans des FC Zürich. Sie bejubeln einen Sieg gegen Delsberg, als hätte ihre Mannschaft soeben die Meisterschaft und den Cup-Final gleichzeitig gewonnen. Sie vergiessen Freudentränen nach einem Treffer gegen Luzern in der Nachspielzeit. Allein ein gerader Pass oder eine stilsichere Ballannahme lassen ihre Herzen höher schlagen. Meistens sprechen sie aber in der Vergangenheitsform, «wäisch no?» ist ihr beliebtester Satz. Am Samstag wurden sie von der Gegenwart eingeholt. Ein paar Aargauer standen ihrer Glückseligkeit im Weg.
Es ist November. An der Bahnhofstrasse werden die Weihnachtsdekorationen in die Schaufenster gehängt. Der ZSC ist Tabellenleader, GC auch. Auf dem Bauschänzli gastiert der Zirkus Conelli, auf der Rennbahn in Oerlikon ist «Himmel auf Erden» angesagt. Es gibt schöne Sachen zu erleben in Zürich - ausserdem gibt es den FCZ. Der macht das, was er zu dieser Jahreszeit meistens macht: Er übt sich im fussballerischen Bungee-Jumping - ohne Seil notabene. Seine Fans schauen fassungslos zu, nagen irritiert an den Bierbechern, raufen sich die Haare. Das darf nicht wahr sein, denken sie: Zuerst verliert die Rasselbande vom Letzigrund gegen die Feierabendkicker aus Schaffhausen und blamiert sich dann auch gegen die Habenichtse vom Brügglifeld bis auf die Knochen. Es macht derzeit mehr Spass, ein paar Stunden im Stau vor dem Bareggtunnel zu stehen als dem FCZ-Personal bei der Arbeit zuzusehen.
Trösten können sich die notorischen Prügelknaben allenfalls mit dem Leid anderer. Es gibt Leute, denen ging es am Wochenende noch dreckiger. Zum Beispiel dem Velofahrer Jean Nuttli: Der drehte sich in Bordeaux eine Stunde vergeblich im Kreis. Statt den Weltrekord brach er nur den Krienser Rekord. Oder dem Bankangestellten und Klubpräsidenten Andreas Hafen. Der steht mit dem FC Wil zwar auf Platz 4, kann bei Wasser und Brot aber schlecht feiern.
Verhaftungen wären auch im Letzigrund angebracht - aus sportlichen Gründen. Zuoberst auf der Fahndungsliste steht ein Walliser: Georges Bregy, bestbezahlter Bootsbesitzer der Zürcher Sportszene, macht auf dem Wasser die bessere Figur als an der Seitenlinie. Dass der FCZ-Trainer seinen Spielern den Unterschied zwischen Back- und Steuerbord erklären kann, ist im Existenzkampf am Trennstrich von beschränktem Wert. Seemannsgarn löst keine fussballerischen Probleme. Bregy, darüber sind sich die FCZ-Stammgäste einig, ist schuldig. Der Mann, der das ewige Malaise in Aussersihl aber in letzter Konsequenz zu verantworten hat, ist ein anderer. An ihn sind die folgenden Worte gerichtet:
Sehr geehrter Herr Hotz, Sie reduzieren das Budget und verpflichten Bastida. Sie fangen einen Vogel und setzen ihn wieder aus. Ihre Emotionen bestimmen die Klubpolitik. Würden Ihre Stürmer im gegnerischen Strafraum solche Haken schlagen, der FCZ wäre längst in der Finalrunde. Genug ist genug. Herr Hotz, Sie könnten Timo Konietzka aus den ewigen Jagdgründen für Fussballtrainer zurückrufen, Paul Wolfisberg (in Personalunion mit Friedel Rausch) auf den Letzigrund locken oder dem FC St. Gallen Thomas Staub abwerben (14 Tore in einem Spiel beleben das Geschäft) - es wäre alles nicht richtig. Der Einzige, der weiss, was gut für den FC Zürich ist, sind Sie selber. Herr Hotz, übernehmen Sie. Entlassen Sie Bregy, werden Sie Trainer. Ihr Schwiegersohn kann Sie beraten. Aber vergessen Sie nicht: Auf dem Matchblatt sind nur sieben Ausländer erlaubt. Am Samstag spielt Ihre Mannschaft in Neuenburg.
Thomas Renggli