NZZ Interview mit Fritz Künzli und Bigi Meier

Diskussionen zum FCZ
realtiger
Beiträge: 685
Registriert: 27.09.02 @ 10:01

NZZ Interview mit Fritz Künzli und Bigi Meier

Beitragvon realtiger » 03.03.04 @ 7:56

«Eine wunderschöne Zeit in einem tollen Team»
Reminiszenzen zum Cup-Spiel GC - FCZ
Am Mittwoch treffen der FC Zürich und der GC im Cup-Halbfinal aufeinander. Beiden Teams bietet sich die Chance, nach einer missratenen ersten Saisonhälfte die Hoffnung auf das internationale Geschäft aufrechtzuerhalten. Fritz Künzli und André «Bigi» Meier äussern sich zu den Perspektiven und der Vergangenheit ihrer ehemaligen Klubs.


Fritz Künzli, heute Abend ist der FC Zürich im Cup-Halbfinal gegen GC der Aussenseiter. Wie war das zu ihren Zeiten gewesen?

Ich vermute stark, dass meine Bilanz gegen GC eine positive ist (lacht). Trotzdem: Die Derbys waren stets heftig umstritten, denn die Rivalität hatte noch eine ganz andere Bedeutung. Der Wechsel eines Spielers über die Geleise war undenkbar. Als Köbi Kuhn zu GC wollte, musste dies unter allen Umständen verhindert werden.

Wie kamen Sie zum FCZ?

Der damalige FCZ-Präsident Edi Nägeli hat mich im FC Glarus entdeckt. Auch GC wollte mich verpflichten, doch dessen Vertreter machte einen grundlegenden Fehler. Statt in unserem Restaurant die Verhandlungen zu führen, wartete er in der Beiz vis-à-vis auf mich - bei unserem grössten Konkurrenten. Nach diesem Vorfall war für meinen Vater ein Transfer seines Sohnes zu GC gestorben. Nägeli, der einen Tag später kam, war viel gerissener. Er setzte sich an den Stammtisch, hiess meinen Vater, die beste und teuerste Flasche Wein aus dem Keller zu holen. Damit war der Deal bereits gelaufen.

Also war Edi Nägeli eine Ausnahmeerscheinung in diesem Metier?

Von den Ideen her war er der Zeit weit voraus. Und sein Gespür für Talente hatte etwas Phänomenales. Er fuhr am Sonntag über die Lande, sah sich da und dort ein Fussballspiel in den unteren Ligen an und entdeckte auf diese Weise reihenweise junge Spieler, die Anlagen zu einer grossen Karriere hatten.

Diese Gabe fehlt den heutigen Dirigenten meistens. Denn wenn einer beispielsweise im Weingeschäft tätig ist, sollte er doch auch einen billigen Valpolicella von einem schweren Burgunder unterscheiden können.

Deshalb muss ein Präsident heutzutage einen Sportchef, viele Scouts und jede Menge von Junioren engagieren. In der Hoffnung, auf diese Weise das fehlende Gespür wettzumachen. Aufgrund dieses Mangels sind er sowie seine Mitstreiter zudem sehr stark von den Spielervermittlern abhängig.

Tauchen wir nochmals ein in die Vergangenheit. Sie schossen für den FCZ fast 200 Tore, waren aber auch für diverse muntere Geschichten bekannt. Stimmt es, dass Sie jeweils an Heimspielen kurz vor dem Anpfiff noch einen fetttriefenden Cervelat verzehrten?

Hier wurde vieles übertrieben. Die Story mit der Wurst passierte nur einmal. Genau vor den Fenstern unserer Kabine war ein Grillstand placiert, und mir lief beim Umziehen vom Duft der gebratenen Würste das Wasser im Mund zusammen. Ich gab Masseur Rolf Bamert den Auftrag, mir diskret einen Cervelat zu holen, verzehrte diesen heimlich im Duschraum, ging hinterher auf den Platz und schoss drei Tore. Im nächsten Heimspiel stand der Grill nicht mehr vor den Kabinenfenstern. Nägeli hatte Wind von der Episode bekommen und den Verkaufsstand an einen anderen Ort verbannt.

Stimmt es, dass das damalige Team seiner Sache meist so sicher war, dass es sich leisten konnte, zu den Auswärtspartien fast in letzter Minute anzureisen?

Ja, einmal wäre das allerdings beinahe ins Auge gegangen. Der Chauffeur des Busses fand das Stadion Espenmoos nicht, fuhr viel zu weit, und nur dank einer Polizeieskorte kamen wir kurz vor dem Anpfiff noch rechtzeitig zum Spielort. Das war jedoch derart knapp, dass wir uns im Bus umziehen mussten, und von dort ging's direkt auf den Rasen.

Brauchte jene Mannschaft mit all den grossen Namen überhaupt noch einen Trainer?

Es kam schon mal vor, dass wir Spieler auf dem Platz - je nach Umstand - Anordnungen trafen, die mit jenen des Trainers nicht konform gingen. Köbi Kuhn war schon damals ein gewiefter Stratege, der rasch reagieren konnte, wenn es nicht lief.

Was hat sich im Vergleich mit damals aus Ihrer Sicht am meisten verändert?

Das Herz eines Spielers schlägt nicht mehr im gleichen Mass für seinen Klub. Die eigenen Interessen dominieren sehr stark. Heute hier, morgen dort - Hauptsache, die Kasse stimmt.

Was würden Sie FCZ-Präsident Sven Hotz heute raten?

Ich glaube nicht, dass mein Rat an einen Mann, der seit knapp zwanzig Jahren den FCZ führt, etwas bewirken könnte. Vielleicht klappt es ja diesmal mit den getroffenen Massnahmen. Was ich zuletzt gegen Servette gesehen habe, stimmt mich optimistisch.

Was geschieht nach der Ära Hotz? Werden Sie dann - wie Makelele im Servette FC - Aktionär im FCZ?

Der FCZ wird nicht sterben. Doch die Verantwortung dürfte dann wohl auf mehreren Schultern liegen. Dass ich Aktionär werde, kann ich mir nicht vorstellen. Mithelfen ja - aber auf eine ganz andere Weise. Zudem darf man nicht vergessen: Zu meiner Zeit war mit dem Fussball nur wenig Geld zu verdienen. Aber dies bedaure ich keineswegs. Denn ich hatte eine wunderschöne Zeit in einem tollen Team. Und das ist mit Geld kaum aufzuwiegen.

Interview rwe.


«Vielleicht bin ich zu weich - oder ich habe den Fussball zu gerne»
André «Bigi» Meier hat Angst um die Grasshoppers, wenn er an den FCZ denkt
«Bigi» Meier, mit welchen Gedanken blicken Sie dem Cup-Halbfinal zwischen GC und dem FCZ entgegen?

Es ist für mich seit vielen Jahren wieder einmal ein entscheidendes Derby - so wie früher, als man dem Spiel schon Wochen vorher entgegengefiebert hat. Die Wichtigkeit der Partie für beide Teams ist enorm. Sowohl die Grasshoppers als auch der FCZ spielen um ihre letzte Chance in dieser Saison. Es hat sich früher immer gezeigt, dass der Favorit das Spiel letztlich verloren hat. Deshalb waren wir immer bestrebt, dem Gegner diese Rolle zuzuschanzen. So gesehen glaube ich, dass der FC Zürich Favorit ist.

Was verbindet Sie noch mit dem GC?

Das ist ganz einfach: Ich bekomme fast jedes Jahr ein Angebot der Grasshoppers, um im Nachwuchs arbeiten zu können (lacht).

Erinnern Sie sich an ein Derby ganz besonders gerne zurück?

Unvergessen ist sicher mein erstes Derby 1970 auf dem Letzigrund, als wir 4:1 gewonnen haben. Ich kann mich noch gut erinnern. Wir trugen ein ganz eigenartiges GC-Tenue: rote Socken, weisse Hosen, hellblaues Trikot. Die Zuschauer durften bis an den Spielfeldrand, die ganze Laufbahn war überflutet - eine einzigartige Ambiance.

Wie hat sich die Rivalität zwischen den beiden Klubs in den letzten Jahren verändert?

Die Konkurrenz ist sicher nicht mehr vergleichbar. Früher ist man seinem Arbeitgeber länger treu geblieben - auch in der Privatindustrie. Damals war ein Wechsel über die Geleise verpönt. Unter den Fans stelle ich das auch heute noch fest. Mein Sohn ist FCZ-Fan - er spricht in diesem Zusammenhang von Verrätern. Alle, die vom GC in den Letzigrund gewechselt haben, hatten es schwer. Auch der Sportchef Fredy Bickel versucht krampfhaft ein FCZ-Image aufzubauen - aber wenn er ehrlich ist, dann schlägt sein Herz doch für den GC (lacht). Im Ernst: Der FC Zürich hat ein riesiges Potenzial, und es wäre schön, wenn der Funke einmal zündet. Es braucht ja nicht unbedingt heute Mittwoch zu sein.

Weshalb, glauben Sie, hat der FC Zürich nie mehr an die erfolgreichen Zeiten in den siebziger Jahren anschliessen können?

Die Führung des FCZ war damals enorm stark; sie hat eine Mannschaft gebaut, die über jedem Zweifel stand. Martinelli, Künzli, Kuhn, Grob - das war schon eine hervorragende Equipe mit Talent, Technik und Kreativität im Überfluss. Das vermisse ich heute im Fussball. Im GC hat man die Konstanz über längere Zeit aufrechterhalten können. In den letzten Jahren hat der FCZ überdies keine glückliche Hand mit Transfers bewiesen. Das Mannschaftsgefüge bei den Grasshoppers war immer solider.

Wenn Sie von den herumgeisternden Fusionsprojekten hören - welche Gedanken gehen Ihnen zu diesem Thema durch den Kopf?

Auch wenn diese Fussballlandkarte nach rein geographischen Gesichtspunkten erstellt werden müsste - es hätte für beide Zürcher Vereine traditionsgemäss Platz. In der Nachwuchsbewegung könnte man allerdings zusammenarbeiten, um etwas Grosses auf die Beine zu stellen.

War der Fussball früher schöner?

Die Entwicklung im athletischen Bereich ist enorm. Wir haben damals ja nicht den ganzen Körper trainiert - eigentlich nur die Beine (lacht). Ich zum Beispiel habe mich mit meiner Technik und der raschen Auffassungsgabe durchmogeln können. Die Karriere ist heute länger. In meiner Aktivzeit waren die zehn Jahre zwischen 20 und 30 der Massstab. Heute beginnt man mit 17 und kann bis 35 spielen.


Wann hat die zunehmende Professionalisierung Ihre Karriere ergriffen?

Die Professionalisierung habe ich erst im Alter von 27 Jahren erlebt, mit der Ankunft von Jürgen Sundermann im GC. Bis zu diesem Zeitpunkt hat jeder noch etwas nebenbei gearbeitet, ich hatte eine Stelle bei der Schweizerischen Bankgesellschaft. Dann gab es sogar einmal eine Limitierung der Löhne. Als Spieler durfte man nicht mehr als etwa 100 000 Franken verdienen, das hatte die Nationalliga bestimmt. Es liessen sich aber immer Wege finden, diese Regelungen zu umgehen. Solche Bestimmungen wären im heutigen Fussball vielleicht auch angebracht. Die Löhne, die zum Teil bezahlt werden, sind ein Unsinn.

Sie sagen, das Umfeld im Fussball hat sich negativ entwickelt . . .

Ja, das sehe ich so. Das ist auch der Grund, weshalb es kein Ziel von mir ist, einen Nationalligaklub zu trainieren, weil ich mich sonst mit all diesen negativen Erscheinungen auseinandersetzen müsste. Vielleicht bin ich auch zu weich für diese Begleiterscheinungen - oder ich habe den Fussball zu gerne.

Ihre Prognose für das Spiel?

Es sieht nicht gut aus für die Grasshoppers. Ich habe Angst um die GC-Abwehr, wenn ich an Gygax oder Petrosjan denke - die spielen kreativ und haben geniale Ideen. Es wird an Borer liegen, das Team zu retten.

Interview: fcl.




Stürmer-Vollblut
zz. Vierfacher Torschützenkönig darf sich Fritz Künzli nennen - eine Auszeichnung, die in der Schweiz keinem anderen Spieler zuteil wird. In den Jahren 1967, 1968 und 1970 setzte der 43fache Internationale die Bestmarke für den FC Zürich, 1978 erzielte er 21 Tore für Lausanne-Sports. Seine Karriere als Fussballer beendete der Mittelstürmer im Team der San Diego Soccers in den USA. Heute ist der 58-jährige Künzli im Weinhandel tätig.








Förderer der Jungen
zz. André «Bigi» Meier besetzte im GC die Rolle des technisch versierten Mittelfeldspielers, der mit seiner Spielintelligenz zu überzeugen wusste. Der elffache Internationale wurde mit den Grasshoppers fünfmal Meister. Heute ist der 55-jährige Meier im SC Kriens als Nachwuchschef tätig, 90 Tage im Jahr wird er vom Schweizerischen Fussballverband «ausgeliehen». Er assistiert Bernard Challandes in der U-21-Auswahl.


Benutzeravatar
ike
Beiträge: 93
Registriert: 26.03.03 @ 14:55
Wohnort: Wo's am schönsten ist

Re: NZZ Interview mit Fritz Künzli und Bigi Meier

Beitragvon ike » 03.03.04 @ 13:48

realtiger hat geschrieben:Genau vor den Fenstern unserer Kabine war ein Grillstand placiert, und mir lief beim Umziehen vom Duft der gebratenen Würste das Wasser im Mund zusammen. Ich gab Masseur Rolf Bamert den Auftrag, mir diskret einen Cervelat zu holen, verzehrte diesen heimlich im Duschraum, ging hinterher auf den Platz und schoss drei Tore


Also Ursal, ran an den Grill!
Die Welt besteht aus Optimisten und Pessimisten. Letzlich liegen beide falsch. Aber der Optimist lebt glücklicher. (Kofi Annan)


Zurück zu „Fussball Club Zürich“



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google Adsense [Bot], Nr6, Ptikon und 286 Gäste