hier der bericht aus dem tagi:
Ein Cupsieg zum Geburtstag
Der FCZ setzt auf junge Fussballer. Der Beste von ihnen ist Blerim Dzemaili. Am Mittwoch bestreitet er im Cup gegen GC das grösste Spiel seiner Karriere.
Von Peter Bühler, Zürich
Lucien Favre erinnert sich genau an den lauen Sommerabend im Juni letzten Jahres. Der Romand, erst wenige Tage zuvor zum neuen Trainer des FC Zürich berufen, verfolgte auf dem Letzigrund ein Spiel der U- 18- Mannschaft des Stadtklubs gegen Sion. Der Auftritt der Junioren gefiel Favre ausserordentlich gut, zwei der jungen Fussballer stachen dem Ausbildner besonders ins Auge: Blerim Dzemaili und Almen Abdi. Es fiel Favre ein paar Wochen später nicht schwer, dem präsidialen Wunsch von Sven Hotz nach Verjüngung der ersten Mannschaft nachzukommen. Er nahm die beiden Spieler und zusätzlich Kresimir Stanic von der U- 21 in sein Kader auf.
Favre sagt: « Das war ein Risiko, aber ich habe meinen Entscheid nie bereut. » Stürmer Stanic wird am kommenden Samstag 19- jährig, Verteidiger Dzemaili ist noch keine 18 Jahre, Mittelfeldspieler Abdi erst 17 Jahre und vier Monate alt. Abdi und Dzemaili sind die jüngsten Spieler überhaupt, die in dieser Saison in der Super League zum Einsatz kamen. Stanic und Abdi haben mit ihren Teileinsätzen im FCZ erste Erfahrungen gesammelt, Dzemaili aber hat den Durchbruch bereits geschafft.
Dzemaili – Temperament und Punch
« Blerim ist Stammspieler, wenn er gesund ist, dann setze ich ihn auch ein » , sagt Favre. Er ist beeindruckt von der Persönlichkeit, dem Temperament, den technischen und den athletischen Stärken, neuerdings auch von der Torgefährlichkeit des jungen Fussballers. Seit der Winterpause gelangen ihm zwei Treffer, gegen Aarau und die Young Boys. Vor allem aber lobt der Trainer Dzemailis Vielseitigkeit.
In 17 Meisterschafts- und 3 Cuppartien kam er bis anhin zum Einsatz, zunächst als rechter Verteidiger, danach im Abwehrzentrum und nun im defensiven Mittelfeld. « Blerim ist auf jeder Position stark – und er hat alle Möglichkeiten, eine sehr gute Karriere zu machen » , bemerkt Favre. Blerim Dzemaili wird leicht verlegen, und die Röte steigt in sein Gesicht, wenn ihm in der elterlichen Wohnung in Seebach von den lobenden Worten seines sonst so zurückhaltenden Trainers berichtet wird. « Das freut mich » , sagt er. Er sitzt mit seiner Familie vor dem Fernseher, der Apparat läuft immer, wenn jemand zu Hause ist. Und meistens wird Fussball geschaut, diesmal eine Aufzeichnung von Bayern gegen Real, dem Gipfeltreffen in der Champions League. « Bravo Real » , lacht Dzemaili. Den Münchnern wünscht er nie Gutes, sein Herz schlägt für Bayerns deutschen Rivalen Borussia Dortmund, Tomas Rosicky ist sein Idol. Der Ausgang des Spiels ist bekannt, die Spannung begrenzt, Oliver Kahns Fehler schon in jeder Wiederholung zu sehen gewesen. So haben Vater Fekredin, Mutter Shemije und der ältere Bruder Betim viel Zeit zum Plaudern. Lange Zeit spricht nur der Vater. Er erzählt von seiner Jugend in Mazedonien, von Bogovine, einem Dorf bei Tetovo. Dort ist er aufgewachsen, dort hat er seine ersten Schritte als Fussballer gemacht: « Ich war ein begabter Stürmer, ich habe viele Tore geschossen. » Später schaffte er es zu Luboten in die zweithöchste Liga Jugoslawiens.
Mehr sei nicht möglich gewesen. Er zuckt die Schultern. Als Angehöriger der albanischen Minderheit sei er in Mazedonien benachteiligt gewesen, nicht einmal einen Studienplatz an der Universität habe er gekriegt. Er musste nach Kosovo, um die Diplome als Sportlehrer zu erwerben. Mit 30 Jahren kam er als Gastarbeiter nach Zürich, seit 14 Jahren arbeitet er schon als Maurer auf dem Bau. « Am Anfang war es eine harte Zeit » , erinnert er sich.
Vor zehn Jahren kam die Familie nach, Blerim war damals 7- jährig. Und Fekredin Dzemaili sagte sich: « Meine Kinder sollen eine bessere Jugend haben als ich. » Er betrachtet es als Chance für seine Familie, in der Schweiz leben zu können. Der 20- jährige Betim, Hobby- Fussballer bei Oerlikon/ Polizei, steht vor dem KV- Abschluss bei einer Versicherung, Blerim hat eine grössere Karriere im Fussball vor sich und beim FC Zürich zusätzlich die Möglichkeit, eine Sportlerlehre zu machen. « In Mazedonien wäre das alles niemals möglich geworden » , weiss Vater Dzemaili. Er ist dankbar, er sagt, er und seine Kinder fühlten sich als Albaner, sie seien aber der Schweiz sehr stark verbunden. Gleichsam als Symbol hängt ein wuchtig gerahmtes Bild mit dem Matterhorn über der Polstergruppe.
Dzemaili – dem Alter immer voraus
Vor einem Jahr hat Blerim Dzemaili den Schweizer Pass bekommen, und sofort wurde er vom Verband in die Landesauswahlen aufgeboten. Vergangenen Herbst debütierte er gegen Luxemburg in der U- 18, vor zwei Wochen spielte er bereits für die U- 19 gegen die Slowakei und wird gewiss im Juli bei der EM im eigenen Land zum Kader gehören. Schon immer war er seinem Alter ein gutes Stück voraus. Beim FCZ hatte er mit 15 seine ersten Einsätze in der U- 17, mit 16 in der U- 18, und seinen Einstand in der Super League gab er mit 17 Jahren und 3 Monaten im letzten Juli vor 30 000 Zuschauern im imposanten St.- Jakob- Park gegen den FC Basel. « Es ist alles sehr schnell gegangen » , sagt er. Die Gefahr, er könnte wegen des rasanten Aufstiegs die Bodenhaftung verlieren, besteht nicht. Dafür sorgt neben seinem « einwandfreien Charakter » ( Trainer Favre) auch der Einfluss des Vaters. « Er ist mein härtester Kritiker » , sagt Blerim. Ob im Herbst beim Cupspiel in Wiesendangen oder vorgestern Sonntag auf dem Berner Neufeld: Fekredin Dzemaili ist bei jedem Match dabei. Schon immer hat er einen grossen Teil seiner Freizeit dem jüngeren Sohn gewidmet, früher mit ihm sogar auf dem nahen Fussballplatz ernsthaft und zielgerichtet trainiert. Blerim erinnert sich an die Worte des Vaters: « Wenn du nach oben willst, dann musst du härter arbeiten als alle anderen. » Gerade 13- jährig war er damals, er spielte für den FC Unterstrass und galt in der Zürcher Fussballszene als Talent.
Die Grasshoppers luden ihn zum Probetraining auf den Hardturm ein, waren aber zu wenig von seinen Qualitäten überzeugt. Nach einem halben Jahr bei YF Juventus wechselte Dzemaili Anfang 2001 auf den Letzigrund. Heute fühlt er sich im Stadtklub rundum wohl: auf dem Fussballplatz und in der Geschäftsstelle des Vereins, wo er im Rahmen seiner Sportlerlehre arbeitet. Bis 2006 dauert seine Ausbildung, so lange läuft auch sein Profivertrag. « Der FCZ ist der richtige Klub für mich » , sagt Dzemaili.
Die Erfahrung, für GC nicht gut genug gewesen zu sein, hat er verarbeitet. Doch auch die jüngsten Erinnerungen an den Stadtrivalen sind nicht die besten. Beim letzten Zürcher Derby im Herbst zog er sich bei einem Duell mit Eduardo eine schwere Bauchmuskelzerrung zu und fiel danach wochenlang aus. Es war die erste grössere Verletzung in seiner Karriere.
Inzwischen ist Dzemaili wieder fit – und morgen Mittwoch wieder GC der Gegner, diesmal im Cuphalbfinal. Dzemaili sagt: « Das ist das bis anhin grösste und wichtigste Spiel in meiner Karriere. » Natürlich will er es gewinnen und sich am 12. April im Final von Basel mit dem Cupsieg gleich selber das schönste Geschenk machen. An jenem Ostermontag feiert er seinen 18. Geburtstag.
Die Dzemailis fühlen sich als Albaner und sind dankbar für die Chance in Zürich. Die Erfahrung, für GC nicht gut genug gewesen zu sein, hat Dzemaili verarbeitet.
DerStolz der Familie: FCZ- Spieler Blerim Dzemaili ( vorne) mit Bruder Betim, Mutter Shemije, Vater Fekredin.
BILD RETO OESCHGER