Oktogon - Vorläufer des Fünfecks

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flöru
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Oktogon - Vorläufer des Fünfecks

Beitragvon flöru » 25.08.03 @ 7:21

Bereits vor 50 Jahren fand in Zürich eine Abstimmung über ein grosses Stadionprojekt von Justus Dahinden statt. Es fiel klar durch.

Von Marc Zollinger

Es war der Tag, als ein Blizzard über die Stadt kam. Mächtige Schneeflocken hüllten Zürich ein, herangefegt von einem Orkan von noch nie erlebter Kraft mit Ursprung in England, Mutterland des Fussballs.

Der Sonntag, 1. Februar 1953 ging nicht nur als «Wetterunikum in die zürcherischen Annalen» ein, wie der «Tages-Anzeiger» tags darauf schrieb. Man rieb sich auch die Augen ob eines Abstimmungsresultats: 53 877 Menschen sagten Nein zum neuen Grossstadion, nur 26 118 Ja. Die Stimmbeteiligung betrug 65 Prozent. In keinem der damals 11 Stadtkreise fand das Projekt eine Mehrheit. Am knappsten war das Verhältnis im Kreis 9, wo der Bau auf einer brachliegenden Wiese an der Altstetterstrasse hätte zu stehen kommen sollen. «Die Überraschung fiel nun doch etwas massiv aus», schrieb der TA.

Vom Stadion zu den Gotteshäusern
Auch Justus Dahinden war perplex. «Noch heute weiss ich nicht, weshalb die Zürcher so klar Nein stimmten», sagt der Architekt aus Witikon, der, damals 28-jährig, als Assistent an der ETH den Wettbewerb gewonnen hatte, zusammen mit seinem Professor William Dunkel. Mit der Abfuhr an der Urne kam das Projekt in die Schublade. Für Dahinden war das Kapitel Stadion abgeschlossen. Stattdessen wurde er zum Experten einer verwandten Kategorie: Kirchen. 22 an der Zahl hat der passionierte Jäger gebaut, in Afrika, China, Deutschland, Italien und der Schweiz. Bei Gotteshäusern wie auch bei Stadien, sagt Dahinden, sei das Gemeinschaftserlebnis zentral, die Emotionen: «Der Bau muss beim Publikum eine Erwartungshaltung erzeugen, der Blutdruck muss steigen; es wird ein Fest gefeiert.» Das in Zürich bekannteste Objekt ist heute eine Klinik; die «Ferro»-Pyramide am See.

Dahindens Stadion (der Professor habe ihn weit gehend wirken lassen) trug den Namen Oktogon. Das Achteck, das damals lediglich 10 Millionen gekostet hätte, war nach antikem Vorbild geplant: Eine grosszügige, umsichtig in die Landschaft eingebettete polysportive Arena für Fussball und Leichtathletik. Mit der gewählten polygonalen Hülle rückte Dahinden von der gängigen Rundform ab; «das wurde als architektonische Erfindung gewertet», sagt er.

60 000 Zuschauer hätte sie fassen sollen, davon 15 000 Sitzplätze. Eine stattliche Anzahl, war man sich damals bewusst. Doch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg boomte der Schausport, wie man dem Spitzensport damals sagte - Medizin für die Kriegsgeneration, Kampf mit unverdächtigen Mitteln für die Nationen. Und schliesslich standen in Zürich im Jahr 1954 gleich zwei Grossereignisse an: Spiele der Fussballweltmeisterschaften und die EM der Leichtathleten. Der 1925 gebaute Letzigrund war dafür zu klein, ebenso der Hardturm (1929).

Ein neues Stadion muss her, hiess es, zumal ein «Blick in die Welt» zeige, wie die NZZ schrieb, «dass heute keine grössere Stadt ohne eine grosse Sportstätte auskommen kann». Und die grösste Schweizer Stadt dürfe in dieser Entwicklung nicht zurückbleiben. Es kam bekanntlich anders: Nach dem Debakel an der Urne fand das Mirakel in Bern statt. Die Leichtathleten, mit Laufwunder Emil Zatopek, starteten im Stadion Neufeld, die Deutschen siegten im Wankdorf. Doch Zürich ging punkto Fussball keineswegs leer aus, wie zuvor befürchtet worden war: Fünf Spiele, darunter dasjenige um den dritten Platz, wurden im Stadion Hardturm ausgetragen, das dank einer neuen Westtribüne immerhin 35 000 Zuschauer fasste. Kurz darauf ist auch der Letzigrund auf 23 000 Zuschauerplätze erweitert worden. Mit einer Haupttribüne, die derjenigen entspricht, die Justus Dahinden in einem Keller der ETH entworfen hatte. Der Architekt hiess William Dunkel, Dahindens Förderer.

Nun, ein halbes Jahrhundert später, also wieder die gleiche Ausgangslage: Die Stadien genügen nicht mehr den Anforderungen, und mit der Euro 2008 steht ein Grossereignis an. Auch in anderen Belangen sind die Parallelen frappant: Schon vor 50 Jahren hatte der Abstimmungskampf hohe emotionale Wellen geworfen, kritisierten die Gegner die Grösse des Projekts, warnten vor einem Defizitbetrieb und übermässigem Verkehr im Quartier. Und auch damals lobte die Fachwelt die Architektur.

Allerdings gibt es gewichtige Unterschiede. Vor 50 Jahren hätte die öffentliche Hand das von einer Stadiongenossenschaft betriebene Stadion im Wesentlichen finanziert. Und vor allem standen die Parteien nicht geschlossen hinter dem Projekt. Im Gegenteil: FDP, SP, CVP und die Vorläuferin der SVP proklamierten Stimmfreigabe, der Landesring und die EVP waren dagegen. Nur die Demokratische Partei und die PdA gaben die Ja-Parole aus.

Asymmetrie gefällt ihm
Justus Dahinden möchte für die Abstimmung vom kommenden 7. September keine Prognose abgeben. Auch will er für sich behalten, ob er ein Ja oder Nein einlegen wird. Das Stadion in der Form eines Fünfecks allerdings, so viel gibt der weiterhin aktive Architekt preis, hält er für «gelungen». Besonders gefällt ihm die Asymmetrie und der Zuschauerraum, der Emotionen zulasse und fördere.

Dass das Ensemble monumental wirkt, macht ihm keine Mühe. «Monumentalität ist nicht gleich Grösse. Sie ist keine negative Qualität der Architektur. Persönlich bedaure ich aber den grossen Sockel mit der Mantelnutzung, welcher die Identität des Stadions beeinträchtigt.» Der 78-Jährige weiss auch aus eigener Erfahrung, dass es Grossprojekte in Zürich nicht einfach haben

Quelle:
http://www.tagi.ch/dyn/news/zuerich/300873.html
Südkurve Konto PC 87-443834-9

exil südkurve ;)


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