Beitragvon pexito » 29.07.22 @ 18:39
FC Zürich - Qarabag FK 2:2
2. CL-Quali Rückrunde
Datum: 27. Juli 2022
Ort: Letzigrund
Spielbericht aus Ferien
"Es sollte nicht sein" - "wenn doch der Santini an den Ball gekommen wäre" - "Diese Schauspieler" - "Foda raus".
Es gäbe eine Menge Floskeln, welche gebraucht würden und gewisse werden es auch. Aber es täuscht ganz klar hinweg, dass dieser FC Zürich diese Qualirunde nicht hätte bestehen dürfen.
Nicht einverstanden?
Gedankenexperiment
Für jene welche die beiden Spiele gesehen haben, stellt Euch bitte vor, die Mannschaften hätten in den "falschen" Trikots gespielt. D.h. unsere geliebten FCZler wären bei Qarabag, und natürlich umgekehrt jene von Qarabag bei uns. Alles andere als ein Weiterkommen des FCZ käme einer Schande zugleich und das Ausscheiden hätte wohl noch mehr eiferige und emotionale Einträge im Forum beschert.
Denn Qarabag war in den beiden Spielen besser und hatte nur wegen eigenem Unvermögen als Mannschaft, uns nicht vorzeitig gekillt. Pech hatten sie zuweilen auch noch; Oder wie würdet ihr das nennen, wenn man mindestens ein Offside Tor erhält, ein Eigentor schiesst, das Aluminium trifft und noch beste Chancen vergibt?
In der Hoffnung zumindest die in meiner Wahrnehmung reellen Verhältnisse wiedergegeben zu haben, lasse ich es mir nicht nehmen beide Teams zu kritisieren. Während die nächsten Paragraphen den FC Zürich unter die Lupe nehmen, ist Qarabags dauerndes operieren am Regellimit mit Bezug auf Spielhärte, Zeitverzögerungen und Einflussnahme auf Offizielle wohl auch für neutrale Beobachter eher ein langwieriges sowie mühsames Ertragen statt Unterhaltung gewesen.
Das Spiel
Gute erste 25 Minuten
Das Spiel startet gut für den FCZ, hohes Pressing mit guter Laufbereitschaft und schnelles umschalten in den Angriff. Speziell Rohner und dessen Schnelligkeit werden häufig gesucht. Die erste halbe Stunde wird die beste Phase des Jungen bleiben, seine Leistung passt sich an jener des gesamten FCZ an. Seine erste Hereingabe wird vom Abwehchef der Aseris ins eigene Tor abgelenkt, sodass es bereits in der 4. Minute zum aggregierten Ausgleich kommt. Ein besseren Start wäre kaum vorstellbar gewesen.
Bemerkenswert ist Condé; Viele gewonnene Zweikämpfe und Balleroberungen. Das kämpferische Verhalten lässt Doumbia nahezu vergessen. Allerdings ist seine Position vielschichtig, weshalb es hier noch Luft nach oben gibt. Aus dem Meisterfeier-Tief scheint hingegen Marchesano nicht zu finden, eher unglückliches Wirken als einer der zuletzt tragenden Figuren und definitiv unter seinen Möglichkeiten. In dieser Form könnte man Krasniqi ihm vorziehen.
Zu den Formtiefen der Leistungsträger später mehr. Trotz der Schwächen einzelner, scheint es der beste FCZ in dieser Saison zu sein, wobei ich sagen muss nichts vom Spiel gegen YB gesehen habe. Auf jeden Fall schien die Sache gut zu entwickeln. Man war in Führung und hatte nicht viel zugelassen, bis auf einen strammen Weitschuss Almeidas, der Lenker der Aseris, welchen Brecher gekonnt abwehrt. Das Gefühl war, der FCZ könne das Spielgeschehen halbwegs kontrollieren. Diktieren lag allerdings auch in dieser Phase nicht drin.
Fertig Lustig
Qarabag hatte während fast dem gesamten Spiel mehr Ballbesitz, zu Beginn allerdings recht harmlos. Ab der 20. Minute beginnen sich die deren Bemühungen im und um Brechers Strafraumes zu intensivieren. Zuerst findet eine gefährliche Hereingabe Wadji’s keine Abnehmer und in der 25. Minute spielen Zoubir und Kady - die technisch Stärksten auf dem Platz - einen weiten Doppelpass welchen Zoubir im Strafraum zum Abschluss bringt. Der auf den hohen kurze Ecke gedachten Schuss landet im Aussennetz. Nicht auszuschliessen, dass bei der Analyse der Internationalen Spielen des FCZ, Qarabag den doppelten Bellarabi Leverkusens 2018 notiert hat. Beim Hinspiel hatte es ja auch zweimal mit Kady und Wadji geklappt.
In der 32. Minuten kommt es dann zu einem weiteren Schuss von guter Position durch Jankevic von der Strafraumgrenze, links am Tor vorbei.
In dieser Phase verteidigt der FCZ ganz gut und hat vereinzelt auch offensivaktionen, aber es zeigt sich das was über beide Spiele erkennbar war: Qarabag konnte jederzeit eine Stufe höher zu schalten. Meist über den Kampf und Härte, letzteres der Grund für die einzig nenneswerter Abschluss des FCZ in dieser Phase, einen Weitschuss Rohners nach einer Freistoss-Flanke. Gnonto hatte diesen herausgeholt, der ganz gut operierte, über seine Standfestigkeit lässt sich debattieren. Wie dem auch sei, lag es an ihm das der FCZ mindestens vier Freistösse in der gegenerischen Hälfte treten konnte.
Die Halbzeit endete in einem fragmentierten Spiel, vor allem wegen der Verletzung Medinas, welcher noch vor der Pause ausgewechselt wurde. Zu nennen gäbe es noch eine gelbe Karte an Kryeziu, die allerdings wegen einem Ballverlust Guerreros zustande kam. Letzterer war doch merklich schwach, ich konnte mir keine gelungene Aktion vom Spanier notieren.
Wenig Konzept und individuelle Fehler
Die zweite Halbzeit zeugt nicht gerade von einem gefestigten Spielkonzept beim FCZ, sodass Qarabag das Spiel gestaltet und gefährlicher agiert, muss es auch. Aber das Verhalten des FCZ ist nicht überzeugend, auch bezüglich abwartender Haltung nicht.
In der 54. Minute mal wieder ein Angriff der unsrigen als Guerrero versucht zu Flanken, die Ablenkung hat ein Eckball zur Folge, den Marchesano treten wird. Auch hier kann die gegnerische Abwehr klären. Die nachfolgende Flanke von Marchesano, welche einem unmotivierten Regenbogen gleichkam, wird ebenfalls geklärt und lanciert sogleich den Konter der Aseris. Mit zwei Ballkontakte kommen diese bis fast an die Grundlinie und haben eine 3 gegen 3 Situation. Da unsere Verteidiger gleichzeitig auch unsere gefährlichsten Spieler sind, besteht die Abwehr zu diesem Zeitpunkt aus Selnaes, Rohner und Aliti(?). Selnaes liest die Situation richtig und antizipiert den Rückpass vom starken Sheydayev und kommt an den Ball. Dessen Kontrollversuch scheitert und der Ball flippert sich im Straufraum frei, wo Kady diesen aus 6 Metern dankend versenkt. Selnaes täte gut daran im Strafraum solche Bälle wegzuschlagen. Und Kamberi der ansonsten eine sehr ansprechend Partie absolvierte, hat nach geglaubten Ballerorberung des Norwegers Kady ziehen lassen.
In der Folge ist das Spiel wieder fahrig und die Aseris spielen gekonnt die Zeit und den Ball. Der FCZ scheint keine sinnvollen weg in den Strafraum des Gegner zu finden.
Wechsel und Schlussoffensive
Um die 70. Minute wechselt Foda gleich drei Spieler aus, Tosin für Rohner, Hornschuh für Selnaes und Okita für Guerrero.
Allerdings ist einmal mehr Gnonto der sich einen Freistoss erarbeitet, aber auch dieser, hoch in den Strafraum getreten, ergibt keine Gefahr. Allgemein scheint sich der Gegner auf die hohen Bälle eingestellt zu haben und auf geradlinige Konter. Der nächste Eckball für den FCZ sorgt somit für mehr Gefahr auf der eigenen Seite, als diesmal nach der Klärung drei Aseris gegen nur zwei Verteidiger, diesmal Hornschuh und Tosin (!), losrennen und Kwabena in Abschlussposition bringen, welcher Brecher abwehren kann. Beim darauffolgenden Eckball, zeigt Kady seine Klasse als er mit dem Aussenrist versucht den Ball direkt von der Ecke ins Tor zu spedieren, aber Brecher lässt sich nicht überraschen.
In der Schlussphase werden häufiger hohe Bälle gespielt, nicht nur als Santini ein wenig später für den schwachen Marchesano eingewechselt wird, jedenfalls mit wenig erfolgt. Die einzige weiten Bälle die regelmässig aber nicht immer das Ziel erreichten, sind die Seitenwechsel auf die Aussenläufer.
Die Aseris entwickeln nun ein sehr mühsames Zeitspiel, allen voran dessen Torhüter Mohemmedaliyev und Abwehrchef Medvedev. All dies hat dann die 7 Minuten Nachspielzeit zur Folge, diktiert vom sehr guten Schiedsrichter Allard Lindhout, der trotz ruppiger Partie nie die Kontrolle des Spiels verlor.
So kommt es dann zu der Nachspielzeit, die uns meist gute Errinerungen hinterlässt. Nach wie vor eher konzeptloses anrennen, aber immerhin mit Druck. Als Folge von zwei Hereingaben durch Gnonto und Aliti und Abschlussversuche von Santini, Krieziyu und Boranijasevic, kann Santini bei seinem zweiten Versuch aus 2 Meter einköpfen. Der Letzigrund tobt. Foda sieht man das erste mal richtig Jubeln. Verlängerung.
Der Unterschied - Aktionen im Strafraum
Wir haben zwar das Momentum auf unserer Seite und es wirkt gar nicht schlecht. Zu diesem Zeitpunkt stehen wir mit folgender Aufstellung auf dem Platz:
Kamberi- Kryeziu- Aliti
Bora - Hornschuh - Condé - Okita
Gnonto - Santini - Tosin
Trotz der sehr offensiven Ausrichtung haben auch jetzt die Gegner mehr Ballbesitz. Bei einem Gegenstoss suchts Zoubir einen Penalty und wird mit der gelben Karte belohnt. Nach dem folgenden Freistoss Brechers, wieder weit hoch ins Zentrum der gegnerischen Hälfte wird es nur 20 Sekunden dauern bis die Aseris sich wieder in des zürcherischen Strafraum befinden. Die schnelle Ballverluste setzten dem FCZ zu. Sheydayev hatte den Ball erobert und gleich den Konter ausgelöst, welcher aber ohne weitere Gefahr blieb. Drei Minuten später wieder Qarabag, diesmal mit Kwabena der Brecher im Strafraum testen kann. In diesen sieben Minuten kam Qarabag dreimal in den Strafraum, der FCZ nur mit einem hohen Ball ohne Abnehmer.
In der 98. Minuten, als Folge eines Ballverlustes im Mittelfeld durch Santini, können sogleich wieder zwei Aseris gegen nur zwei Verteidiger angreifen, diesmal schiebt Kwabena den Ball an Brecher vorbei.
Krasniqi darf zum Schluss auch noch 15 Minuten das Spielfeld betreten, zu spät in meinen Augen. Und eigentlich endet das Spiel in der Halbzeit der Verlängerung. Denn auch danach ist Qarabag spielbestimmend und hat noch eine Pfostenschuss zu verzeichnen, als Zoubir eine Überzahl-Situation eigensinnig den Abschluss sucht anstatt seine Teamkollegen. Einzig einen Doppelpass zwischen Bora und Tosin führe dazu, dass der Serbe es mal in den Strafraum schafft, seine Hereingabe verpasst Santini ganz knapp.
Der FCZ scheidet aus der Champions League Qualifikation aus und versucht sein Glück nun in der Europa League Quali. Es sollte eigentlich jedem klar sein, dass es nicht zu erwarten war, dass der FCZ sich für die CL Gruppenphase qualifizieren hätte können. Insofern ging nichts verloren. Ein Weiterkommen wäre trotzdem von Bedeutung gewesen, weil man bereits mit einer (zu bestimmen welche) Gruppenphase hätte planen können und einen Sieg täte diese FCZ unglaublich gut.
Qarabag hatte die Schwächen des Hinspiels korrigiert und hat vorne mit Kady, Zoubir, Sheydayev, Wadji, Kwabena viel Qualität kombiniert mit Quantität. Die drei erstgenannten haben das Spiel durchgespielt. Es hilft natürlich das die Aseris kein Spiel am Wochenende bestreiten mussten. Als Coach wäre ich gar noch unzufrieden, zu knapp war das Resultat für das erspielte.
Ganz im Gegenteil beim FCZ, während letzter Saison es noch einige Spiele zu Beginn der Meisterschaft gab, in welcher man die Effizienz bemängeln musste, müsste der diesjähriger FCZ erstmals zu Chancen kommen, mal von Standards abgesehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass es gegen St.Gallen leichter wird. Aber was die Affiche gegen Linfield betrifft, bin ich sehr optimistisch, dass es reichen wird.
Kommentar Saisonstart nach dem Qarabag Spiel
Mittelfeld und die Neuen
Offenbar tut sich dieser FCZ im Mittelfeld schwer. Und da haben gegen Qarabag zwei Neue gespielt. Klar kann Selnaes noch ein wichtiger Faktor sein, ist er noch nicht. Im Laufe des Spiel wurde er besser obschon er gewisse Schuld am ersten Gegentor tragen muss. Condé zeigt schon sehr gute Ansätze und ich freue mich zu sehen, wie er sich weiter entwickeln wird. Für mich der Beste auf dem Platz, trotz der ca. 135 Minuten Spielzeit. Der Junge ist erst kürzlich 22 Jahre alt geworden und kann nicht dieselbe Erfahrung an den Tag legen, wie dies bei Doumbia der Fall war. Bezüglich Spielgestaltung bestehen noch Schwächen, da braucht er noch Zeit. Ist das der Grund weshalb Foda lieber mit weiten Bällen operiert?
Während vor dem Saisonstart mir vor allem Condé (gutes testspiel gegen Stuttgart) und Selnaes grundsätzlich positiv angetan war, bin ich von Okita und Santini (noch) nicht überzeugt. Okita ist sicherlich ein technisch versierter Spieler aber das war Andrés Vazquez auch - wer kennt ihn noch? Mal sehen wie er sich machen wird. Immerhin war ein leichter Aufwärtstrend erkennbar gewesen gegen Qarabag. Zu Santini werde ich wohl noch lange zurückhaltend bleiben. In der Youtube Recherche habe ich keine Spielaktion gefunden ausser Tore, das heisst du spielst wahrscheinlich mit einem halben Mann weniger wenn der auf dem Platz ist. Aber er kann für Tore sorgen, das traue ich ihm durchaus zu.
Als "alte" Neue gelten für mich Gnonto, Rohner und Kamberi. Ich gehe auch weiterhin davon aus, dass Willi uns verlassen wird. Auch wenn nicht, er ist das erste Mal in seiner Karriere ein Stammspieler. Das gilt natürlich auch für Rohner. Diese wäre eine Rolle wie sie Gnonto vergangene Saison gehabt hat, eher passend. Seine Einsätze gehen grundsätzlich in Ordnung, nur in der Länge passt es nicht. Er baut regelmässig ab. Kamberi hingegen schlägt sich sehr gut und gibt vorerst keinen Grund ihn nicht spielen zu lassen. Auch hier, er baut noch Erfahrung auf.
Hornschuh ist ein Missverständnis. Man kann über den Mann viele gute Dinge sagen, aber ein Stammspieler ist er nicht. Auch in diesem FCZ nicht. Wenn überhaupt darf man ihn in der Verteidigung einsetzen, aber im Mittelfeld ist er heilos überfordert.
Der Untergang der letzjährigen Leistungsträger
Die Schwäche des FCZ hat nicht nur mit den Neuen zu tun, in meinen Augen hat sie eine Menge mit den gestandenen Leistungsträger zu tun. Vorneweg Kryeziu nehme ich aus dieser Kritik heraus, der ruft wiederholt seine Leistung ab und übernimmt auch Verantwortung. Grosse Klasse!
Aliti scheint ein Schatten seiner Selbst, mit leicher Steigerung zuletzt. Als einer der Top 3 (für mich) in der Rückrunde, ist er kaum wiedererkennbar. Guerrero hat ebenfalls noch wenig bis gar nichts gezeigt. Marchesano, die Drehscheibe noch zuletzt, findet kaum ins Spiel und ist sogar schlecht. Deshalb verstehe ich noch die wenigen Minuten Krasniqis nicht. Bora fällt nicht ab, aber auch nicht auf. Tosin der zwar regelmässig zum Einsatz kam, aber mit Gnonto quasi eine Rolle teilte, ist passabel. Mir fehlt noch der Tosin vor seiner langen Verletzung.
Hier sind 4-5 Stammspieler, welche das Team führen müssten, aber sie gehören durchgängig zu den Schlechteren. Da stellt sich die Frage des Warum?
Liegt es am Abgang von AB und einem mentalen Sinkflug? Sind es neue Aufgaben oder Rollen, die Sie an ihrer Entfaltung hindern? Oder liegt es an der Überbelastung die Sie letzte Saison haben ertragen müssen? Sind sie noch nicht richtig fit? Haben Sie zu wenig Ferien gehabt und/oder zu viel Trainingseinheiten bereits bestreiten müssen?
Es liegt auf der Hand, dass all jene - mit obig genannter Ausnahme von Kryeziu - die in der Rückrunde viel Einsatzzeit hatten, kaum ein Bein vor das andere kriegen. Das ist bedenklich.
Die Balance
Solange die Performance der Leistungsträger nicht bessert, wird der FCZ weiterhin nur mittelmässig agieren. Und Foda tut gut daran das Spiel in den Straufraum zu verlegen, mit den Standards alleine werden wir es kaum richten. Was mir noch mehr Sorgen bereitet ist die Kombination zwischen wenig Strafraumaktionen und Anfälligkeit auf Konter. Die Balance im Team stimmt noch nicht. Meist ein Zeichen, dass etwas im Mittelfeld noch nicht passt respektive die Aufgabenteilung nicht verstanden oder umgesetzt wird. Da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Dann los.
Saludos Pexito
Zuletzt geändert von
pexito am 29.07.22 @ 18:59, insgesamt 1-mal geändert.
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