Ich stelle den mal hier rein, weil es eine tolle Zusammenfassung der Meistersaison ist. Und das von Schiffeele, der sich im Alter noch zu einem richtig guten Journi mausert! ;-)
Einfach alles richtig gemacht
Mit einem Umbruch beginnt die Wende, der Sportchef hat das richtige Bauchgefühl, André Breitenreiter wird als Trainer zum Glücksfall. Die Schlüsselmomente auf dem Weg zum Meistertitel.«In Zürich sind die Fragezeichen gross, als wären sie hier erfunden worden», stand in dieser Zeitung, als am 24. Juli die neue Fussballsaison begann. «Reicht die Verpflichtung von André Breitenreiter, um die klaffenden Lücken und den Mangel an Persönlichkeit in der Mannschaft zu kompensieren?»
So ist das mit Fragen und Prognosen. Sie können grundlegend falsch sein. Der FCZ hat das eindrücklich bewiesen. Darum ist er jetzt Meister, schon vier Runden vor Schluss und absolut verdient. Dass die Konkurrenz mit den grossen Portemonnaies aus Basel und Bern entscheidend geschwächelt hat, braucht ihn nicht zu kümmern. Er ist bereit gewesen, davon zu profitieren. Und das ist er, weil er selbst alles richtig gemacht und das Beste aus seinen Mitteln herausgeholt hat.
Der Weg zu diesem Triumph beginnt schon im Frühling letzten Jahres, lange vor dem Start zu dieser Meisterschaft. Nach dem zwischenzeitlichen Höhenflug und dem 3. Rang nach 21 Spieltagen findet sich der FCZ nur einige Wochen später im Abstiegskampf wieder. «Und dann», erzählt Sportchef Marinko Jurendic, «entschieden wir uns nach dem Ligaerhalt: Jetzt machen wir einen Umbruch.»
Die Grundlagen sind in den Monaten zuvor gelegt worden und haben zur Frage geführt: Wofür soll der FCZ stehen? Er setzt sich zum Ziel, dass er ambitioniert bleiben und zugleich ein Ausbildungsclub sein will. Und dass er einen erfahrenen Trainer braucht, der es gleichzeitig versteht, junge Spieler weiterzuentwickeln. Diese Erkenntnis verfestigt sich bis zum Saisonende.
Jurendic kürzt den Kreis der Trainerkandidaten auf fünf Namen, einer davon ist André Breitenreiter. Eine Stunde spricht er, begleitet von Heinz Moser, dem Leiter Entwicklung, mit dem Deutschen aus Hannover. Er stellt ihm während des Video-Calls den Club vor, es entwickelt sich ein intensiver Austausch. Dann klappt Jurendic den Laptop zu, schaut Moser an und sagt: «Das ist er!» Es ist ein Bauchgefühl und eine innere Überzeugung.
Der Kick in LuganoNur wenige Tage später trifft Breitenreiter in Zürich die Canepas erstmals, Ancillo und Heliane. Sie funken auf der gleichen Wellenlänge. Drei Tage danach, am 9. Juni, wird Breitenreiter als neuer Trainer vorgestellt. Er sagt: «Bei meinen früheren Clubs habe ich gezeigt, dass ich Spieler besser machen und aus den vorhandenen Möglichkeiten das Maximum herausholen kann.» So klingt Selbstbewusstsein. Gut zehn Monate später sitzt Jurendic in seinem Büro im Home of FCZ und stellt fest: «Das hat er bewiesen.» Ein Strahlen liegt auf seinem Gesicht.
Die Saison beginnt mit dem Spiel in Lugano, es ist die erste Standortbestimmung gegen eine unangenehme Mannschaft. Irgendwann beginnt es zu schütten. Der FCZ gewinnt 2:0. Ein Tor erzielt Antonio Marchesano, das andere Adrian Guerrero. Ja, ausgerechnet Guerrero, der zuvor für Lugano gespielt und nie ein Tor geschossen hat. Die Verpflichtung des Spaniers ist ein wesentlicher Teil der Analyse Jurendics gewesen, welche Spielertypen der FCZ braucht, um erfolgreich zu sein. Ebenso wichtig ist der Zuzug von Nikola Boranijasevic, dem Gegenstück von Guerrero auf der rechten Seite, auch er dynamisch, laufstark, offensiv. Die Verpflichtungen der beiden Spieler werden in dieser Zeitung unter dem Kleingedruckten vermeldet.
Im Rückblick sagt Jurendic: «Der Sieg in Lugano ist ein Schlüsselmoment dieser Saison. Er hat uns Vertrauen und einen Kick gegeben.»
Nach vier Runden und vier Siegen ist der FCZ Leader. So richtig ernst nimmt ihn trotzdem keiner, alle denken doch: Die Zeit von YB kommt noch. Der FCZ fährt nach Bern und bezieht da seine fast schon obligate 0:4-Niederlage, dabei spielt er eine Stunde lang gut. Er verliert auch in Basel und bleibt vier Spiele ohne Sieg, er lässt zwölf Tore zu. Er hat seine erste Delle.
Am 3. Oktober zeigt der FCZ vor dem nächsten Heimspiel im Stadion den Film zu seinem 125-Jahr-Jubiläum. Canepa träumte von Barcelona als Gegner zum Jubiläum. Daraus wurde nichts, aber es wird nicht zum Schaden des FCZ. Er fertigt Sion dank einer begeisternden Schlussphase 6:2 ab. Assan Ceesay, der Stürmer, der früher noch Chance um Chance ausliess, ist gleich viermal erfolgreich. Breitenreiter hat aus ihm einen neuen Spieler gemacht. Der frühere FCZ-Trainer Uli Forte fragt, er würde schon gern wissen, wie Breitenreiter das gelungen sei.
Der Wert einer Niederlage
Ende Oktober scheidet der FCZ im Cup in Yverdon aus, gegen die aktuelle Mannschaft Fortes. Für Jurendic ist das «ein Schlüsselerlebnis». Das mag angesichts der Enttäuschung nun verwundern, aber Jurendic sagt: «Wir haben Ruhe bewahrt, der Präsident, der Trainer, alle. Das ist entscheidend gewesen.» Gerade Canepa zeigt sich gegenüber früheren Jahren verändert. Er kontrolliert seine Emotionen. Einmal sagt er: «Man wird mit der Zeit nicht dümmer.»
Der Match in Yverdon ist mitten in einer wilden Woche für die Zürcher. Drei Tage zuvor hat das 3:3 gegen GC in einem aufwühlenden Derby damit geendet, dass rund hundert Chaoten (Canepa nennt sie «Idioten») aus der Südkurve ausgebrochen sind und Petarden auf die GC-Fans abgefeuert haben.
Zum Abschluss der Woche folgt das Spiel gegen Basel, in der 94. Minute gelingt dem Gast das Tor, das ihn 4:2 in Führung bringt. Selbst Goalie Heinz Lindner rennt quer über den Platz, um vor den eigenen Fans mitjubeln zu können. «Wir hatten das Spiel eigentlich schon verloren», sagt Jurendic. Der Schiedsrichter aber annulliert das Tor wegen Offsides. Sekunden später gelingt Ceesay der Ausgleich zum 3:3. Heute weiss der Sportchef: «Dass wir diesen Charakter und diese Reaktion gezeigt haben, hat uns immensen Auftrieb gegeben.»
Der FCZ bleibt zehn Spiele unbesiegt und geht mit sieben Punkten Vorsprung in die Winterpause. Als einzige Mannschaft der Super League fliegt er trotz der Corona-Krise in ein Trainingslager. In der Türkei findet er während zehn Tagen perfekte Bedingungen vor. Das tägliche Zusammensein schweisst die Mannschaft weiter zusammen. Die Reise nach Belek sei die «absolut richtige Entscheidung» gewesen, sagt Jurendic.
Im Verlauf der Rückrunde erinnert Breitenreiter immer wieder an die Fragen, die es im Winter gegeben habe: «Wackelt der FCZ jetzt? Bricht er ein?» Aber der FCZ bricht nicht ein, er baut seine Serie der Ungeschlagenheit auf 17 Partien aus. Die Fragen nach dem Meistertitel gehören inzwischen zum Spiel zwischen Breitenreiter und den Medien, er nimmt es gelassen.
Die drei Siege gegen YBInzwischen ist der 16. April, ein Samstag. YB, der alte Angstgegner, ist zu Gast im Letzigrund. Vor dem Spiel steht Breitenreiter vor die Fernsehkamera und sagt erstmals: «Wir wollen Meister werden.» Sechs Tage nach der Niederlage in Genf und sieben Runden vor Schluss macht er das bewusst, er ist überzeugt, dass die Mannschaft mit dem Druck und den Erwartungen umgehen kann. Zu willensstark und lernbereit nimmt er sie in all den Monaten wahr, als dass er einen entscheidenden Einbruch befürchten würde.
Nach dem 0:4 von Bern im September hat der FCZ schon zweimal gegen YB gewonnen, es sind wichtige Siege für ihn, weil YB das Mass aller Dinge in den vergangenen vier Jahren war. Im November setzt er sich 1:0 durch, der klein gewachsene Wilfried Gnonto erzielt den Treffer in der 83. Minute – mit einem Kopfball. Im März gibt es ein 2:1 in Bern, Blaz Kramer erzielt dabei das erste Tor. Im Winter hat noch ein Angebot aus Bratislava für ihn vorgelegen, aber Canepa entscheidet sich gegen einen Verkauf: «Vielleicht schiesst er noch ein wichtiges Goal für uns.» Dieser Erfolg in Bern ist für Jurendic als Zeichen so wichtig wie das 4:2 gegen Basel drei Wochen zuvor. Das Zeichen heisst: «Wir sind da!»
Und dann also dieser 16. April. Dem FCZ gelingt keine spektakuläre Leistung, die ist auch nicht nötig. Viel wichtiger ist, dass er die von Breitenreiter bestärkten Erwartungen erfüllt und YB zum dritten Mal in Folge besiegt. Die zwei Chancen von Ceesay reichen für das 2:1.
15 Tage später ist der FCZ Meister.
https://www.tagesanzeiger.ch/einfach-al ... 3137270506
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