Gute Idee. Dann stelle ich den gleich hier rein:
Absurd oder modern? Der Modus spaltet12 statt 10 Teams, Qualifikation, Champions- und Relegationsgruppe, Playoff – die Swiss Football League schlägt einschneidende Veränderungen ab 2023/24 vor. Die Kommentare fallen deutlich aus.Thomas Schifferle
Publiziert: 10.04.2022, 11:06
Chilla ist in Form, als ihr Ancillo Canepa in seinem Büro einen Fussball zuwirft. Sie fängt ihn mit der Schnauze und möchte immer weitermachen. Er möchte über das Thema der Woche im Schweizer Fussball reden und schickt deshalb seine Schäferhündin hinaus. Sie aber gibt nicht auf und kommt immer wieder herein. Ihre Hartnäckigkeit bleibt unbelohnt.
Canepa, seit 2006 Präsident des FC Zürich, hat seine Gedanken zum Thema auf einer A4-Seite niedergeschrieben. «Argumente neuer Modus-Vorschlag SFL» ist der Titel. 14 Punkte führt er dazu auf. Eine Frage genügt, um ihn in Fahrt zu bringen: Freut er sich auf den neuen Modus? Seine Antwort wird zum Monolog, sie dauert sechseinhalb Minuten. Seine Kernbotschaft heisst: «Den Meister in einem Playoff zu bestimmen, ist absurd. Ein No-go!» Am Ende sagt er: «Bumm. Jetzt haben Sie alles.»
Der Modus ist so etwas wie der Dauerbrenner in unserem Fussball. Allein in den letzten fünf Jahren gab es gefühlt fünf Anläufe, um daran etwas zu ändern. Vielen ist die Liga zu klein, «bei zehn Clubs beträgt das Abstiegsrisiko 20 Prozent», sagt Canepa, «das ist einmalig im europäischen Fussball und einfach zu hoch».
Aber das Problem ist immer gewesen, einen vernünftigen Modus mit einer vernünftigen Anzahl Spiele zu finden. Ein Modell sah 44 Spiele vor, das war allen zu viel, ein anderes 33, aber da war der Nachteil der ungleichen Anzahl von Heimspielen. Allen gleich war die Einschränkung, dass man keine Rückkehr zu einer Final- und Abstiegsrunde wollte. «Also sagten wir uns: Lassen wir es besser sein, als einen Blödsinn zu machen», erzählt Canepa. Was diese Diskussionen aber immer klarmachten: Nur wer ein strukturelles Problem in einem kleinen Land hat, redet fortwährend über den Modus und sieht in ihm ein Heilmittel.
«Unfair, ungerecht»: Darum ist Canepa gegen ein Playoff
Das Komitee der Swiss Football League hat nun am Dienstag seinen neuesten Entwurf vorgestellt. Der sieht viele Veränderungen vor: Aufstockung ab 2023/24 auf 12 Teams, nach einer Qualifikation mit 22 Spielen eine Teilung der Rangliste in zwei Sechsergruppen, in denen es jeweils 10 Spiele gibt. Am Ende sind es 32 Spiele für alle, aber die Saison ist noch nicht zu Ende, ausser für den Letzten der Relegationsgruppe, der direkt absteigt.
Das Revolutionäre für den Fussball ist das, was danach folgt: das Playoff. Der Erste und der Zweite ermitteln so den Meister. Die Teams auf den Rängen 3 bis 10 machen auf diese Art die Plätze im Europacup aus.
Die Reaktionen darauf reichen vom CC in Zürich bis zum CC im Wallis, von Cillo Canepa bis Christian Constantin, von den Kommentaren in Zeitungen bis zu den komplett gegensätzlichen Kommentaren in Onlineforen. Kurz: Die Meinungen sind klar geteilt.
Beginnen wir am Schanzengraben hinter dem Paradeplatz, wo Canepa sein Büro hat. Er ist für die Aufstockung, weil er in einer grösseren Liga mehr Planungssicherheit erkennt. «Wir haben das einmal doch bei uns gesehen», sagt er, «wir hatten nur zwei, drei Punkte Rückstand auf einen Europacupplatz, gleichzeitig aber auch nur zwei, drei Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Planungssicherheit gleich null. Ein Abstieg hat fundamentale wirtschaftliche Folgen.» Der FCZ erlebte das 2016. Nur dank des Cupsiegs und der Teilnahme an der Europa League, die allein 4,6 Millionen an Uefa-Prämien einbrachte, kam er «mit einem blauen Auge davon», erinnert sich Canepa.
Mehr Planungssicherheit, weniger Existenzdruck, grössere Chancen für Junge, zum Einsatz zu kommen – diese Vorteile erkennt Canepa in einer 12er-Liga. Wenn da jetzt bloss nicht dieses Playoff wäre. «Ein Modus muss klar, unkompliziert und für alle nachvollziehbar sein», sagt er, «ein Playoff ist sportlich unfair und ungerecht!» Dass künstlich Spannung erzeugt wird, ist für ihn «weder innovativ noch intelligent, sondern weltfremd». Auch die Young Boys, die Dominatoren der letzten vier Saisons, sprechen sich dagegen aus.
Für Canepa muss der Club Meister sein, der am Ende einer Saison auch am meisten Punkte hat. Da ist er Traditionalist. In einem Meister-Playoff – ob das nun in zwei oder drei Spielen entschieden wird, ist im Liga-Vorschlag nicht bestimmt – fürchtet er die grossen emotionalen Ausschläge. Er erinnert sich an den 13. Mai 2006, den Sieg des FCZ in Basel und die folgenden Gewaltausbrüche in der Muttenzerkurve. Das ist für ihn das abschreckende Beispiel und wirft bei ihm die Frage auf, ob es für solche Finalspiele überhaupt eine Bewilligung der Sicherheitsbehörden gäbe.
Nahe liegt nun der Vergleich mit dem Eishockey, das in der Schweiz das Playoff seit 1986 kennt. Canepa hält wenig davon. Eishockey sei mehr oder weniger eine geschlossene Gesellschaft, sagt er, die Qualifikationsrunden seien zum Einschlafen, und vor allem: Die finanziellen Auswirkungen im Erfolgsfall seien im Fussball ganz andere als im Eishockey. Er denkt an die möglichen Einnahmen aus Europacup-Teilnahmen oder Spielertransfers.
Was jetzt neu sein soll, gab es schon einmal
Telefon ins Wallis, zu Christian Constantin. Der Besitzer des FC Sion ruft in seinem Gedächtnis die Saison 1967/68 ab, als GC, der FCZ und Lugano in einer Dreierrunde den Titel ausmachten. Oder das Jahr 1971, als Basel und GC nach 26 Runden punktgleich waren und darum ein Entscheidungsspiel austrugen. Damit will er sagen: Was jetzt neu sein soll, hat es alles schon einmal gegeben.
Constantin ist für alles: für die Aufstockung, fürs Playoff. Im Gegensatz zum Ligavorschlag ist er sogar für die Punkteteilung nach der Qualifikation. Er sagt: «Man muss kreativ sein und modern. Entscheidungsspiele bringen die grossen Emotionen. Wer gegen Emotionen ist, muss mit dem Fussball aufhören, der muss auch mit dem Cup aufhören.» Constantin denkt dabei an die Generation von Jungen, die mit Netflix und Amazon aufwachsen. Darum glaubt er, nur etwas Aussergewöhnliches kann bei ihnen den Reiz wecken, zum Fussball zu kommen.
In den Zeitungen sind die Kommentare à la Constantin. CH-Media: «Genialer Wurf.» Blick: «Nicht fairer, aber attraktiver.» Tamedia: «Playoff ist einen Versuch wert.» Canepa hat das alles auch mitbekommen. Als Antwort darauf verweist er auf die Reaktionen von Fussballinteressierten, die er selbst per Mail erhalten oder in Leserbriefspalten gesehen hat. Diese Reaktionen sind durchwegs negativ, bei Tagesanzeiger.ch zum Beispiel sind es 55 von 56. Der Tenor ist eindeutig: Ein Playoff entwertet die normale Meisterschaft. Die Kommentare auf Twitter fasst der Kommunikationschef der Liga, Philippe Guggisberg, in einem Wort zusammen: «Verheerend.»
Hüppi bittet um Verständnis und Coolness
Telefon nach St. Gallen, zu Matthias Hüppi. Der Präsident des FC St. Gallen sitzt seit drei Jahren im Komitee der Liga. Er, der seinen Club so emotional begleitet, sagt: «Man muss das in aller Coolness anschauen.» Er bittet um einen konstruktiven Dialog, um das Verständnis für alle Ansichten und findet es darum nicht gut, wenn Meinungen schon jetzt zu Markte getragen würden. Das würde der Sache nicht gerecht.
Mit seinen Fans hat er eine Diskussion schon aufgegleist, weil er hören will, wie sie denken. Er möchte eine Meisterschaft, die nicht langweilig ist. Was er sagt, ohne sich im Detail festzulegen: Eine Meisterschaft dürfe nicht langweilig sein; es wäre doch auch eine Bestätigung, sich in einem Playoff zum Meister zu machen; und statt «mitten im Niemandsland» zu spielen, hätte man immer noch die Chance auf einen Platz im Europacup.
Am 20. Mai stimmt die Generalversammlung der Swiss Football League über den Modus ab. Für eine Neuerung braucht es 14 Stimmen.
https://www.tagesanzeiger.ch/absurd-ode ... 0155531294
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