Guter Artikel von Thomas Schifferle im Tagi:
https://www.tagesanzeiger.ch/ach-was-war-die-zehnerliga-schoen-428102188836Ach, was war die Zehnerliga schön!
Nach zwanzig Jahren hat ein Modus ausgedient, der perfekt war für die Schweizer Super League – jetzt muss er Träumereien von Clubpräsidenten Platz machen.
Es waren wunderbare letzte Bilder einer langen Saison. 31’500 Zuschauer besetzten in Bern das Stadion, 26’600 in Basel, 18’400 in St. Gallen, 17’600 in Zürich, 15’800 in Luzern – 109’078 waren es genau, 21’800 im Schnitt. Das Wetter spielte mit, überall ging es noch um sportliche Entscheide. Die Super League erlebte einen Boom-Pfingstmontag nach einer Boom-Saison. An vielen Orten gab es etwas zu feiern, einen Meistertitel, einen Platz im Europacup, einen wundersamen Nichtabstieg oder den Abschied eines grossen Spielers. Die Emotionen lebten.
Nur etwas wurde nicht gefeiert, weil das auch nicht zu feiern ist: Mit diesem Wochenende hat die Zehnerliga ausgedient. In den vergangenen zwanzig Jahren gab sie die wirtschaftlichen und sportlichen Verhältnisse des Schweizer Fussballs perfekt wieder. Ihr Ende ist nur eines: zu bedauern.
Unter allen Umständen, auf Teufel komm raus, mussten die 20 Clubs der Swiss Football League im Mai vergangenen Jahres eine Aufstockung der Super League beschliessen, von 10 auf 12 Teams. Sie taten es, weil sie von Planungssicherheit träumen und von weniger Druck, sie taten es, weil sie glauben, es gebe genug Clubs im Land mit dem Potenzial für eine Stärkung der Liga. 19:1 lautete damals das Stimmenverhältnis. Nur der FC St. Gallen sprach sich dagegen aus. Auch wenn das nichts brachte, verdiente er dafür ein Lob.
Und was wurde aus der Mottenkiste geholt? Der schottische Modus, was auch sonst!
Die Vereinsvertreter hatten schon über Jahre einen anderen Modus auf ihrer Tagesordnung gehabt. Sie verzichteten auf eine Aufstockung, weil sie keine vernünftige oder faire Formel für eine Zwölferliga fanden. Sie engagierten für gutes Geld die niederländische Firma Hypercube, die ihnen diverse Modelle von 10 bis 18 Teams vorlegte und sie doch nicht weiterbrachte. Vor drei Jahren redeten sie über das schottische Modell und verwarfen es wieder. Die Fussballfunktionäre festigten nur ihren Ruf, wankelmütig zu sein. Überraschen soll das nicht. Heute umarmen sie einen Trainer und stellen ihn morgen vor die Tür. Oder dann wollen sie, trotzig wie Kleinkinder, die Barrage, dann wieder nicht, um sie schliesslich doch zu reaktivieren.
Vor einem Jahr also, am 20. Mai genau, rangen sie sich mit 16:4 Stimmen noch zur Einführung vom Playoff durch, weil sie gegen das Schottenmodell waren. Die Stimmung unter den Fans war gereizt, sie stiegen auf die Barrikaden, weil sie ein Playoff ablehnen. Der Zürcher Ancillo Canepa ging bei den Präsidenten vornweg. Ein halbes Jahr später gab es eine erneute Abstimmung – und die diversen K.-o.-Spiele wurden versenkt. Acht Clubs hatten inzwischen ihre Meinung geändert, gerade jene mit einer starken Fanbasis, wie in Basel, St. Gallen oder selbst Winterthur. Und was wurde darum aus der Mottenkiste geholt? Der schottische Modus, was auch sonst!
Künftig gibt es drei Runden à elf Spiele, danach eine Zweiteilung der Liga mit je sechs Teams, die noch fünf Runden austragen. Im ersten Teil der Meisterschaft gibt es eine ungleiche Anzahl von Heimspielen, im zweiten gleich auch noch. Fair ist anders. Hauptsache, es ist anders, was nicht anders sein sollte.
Die Zehnerliga war ein Erfolgsmodell. Die Nationalmannschaft profitierte und verpasste seit 2003 nur eine Endrunde, nicht einmal England, Italien oder Holland weisen eine bessere Bilanz auf, von Österreich oder Schottland ganz zu schweigen. Die Zuschauerzahlen stiegen jetzt auf Rekordhöhe, um 300’000 auf 2,370 Millionen oder im Schnitt um fast 2000 auf 13’172. Über Aufsteiger wie Yverdon oder allenfalls Stade Lausanne-Ouchy freut sich ab Sommer kein Kassier, das tut höchstens der FC Lugano, damit er in der Zuschauertabelle nicht ganz allein so abgeschlagen ist.
Kein Modus macht ein Team besser oder verhindert Fehler in der Clubführung.
Wenn die Präsidenten von mehr Sicherheit in der Planung träumen und von weniger Druck für die Spieler in der Ausbildung, dürfen sie das gern tun. Bloss hat das nichts mit der Realität zu tun. Denn die Realität heisst: Ohne Druck kommt kein Spieler weiter, und ein Modus macht weder eine Mannschaft automatisch besser, noch bewahrt er die Verantwortlichen davor, so zu fuhrwerken, wie das im Wallis wieder einmal Christian Constantin tut.
Auch der FCZ ist ein gutes Beispiel. Der Gewinn der Meisterschaft hatte so wenig mit dem Modus zu tun wie diese Saison der Absturz auf Rang 8. Einmal wurde er für gute Arbeit belohnt, dann für schlechte bestraft. So einfach ist das.
Als vor einem Jahr die Aufstockung beschlossen wurde, sagte Liga-CEO Claudius Schäfer: «Wir werden keinen Modus finden, bei dem alle ‹Wow!› sagen. Wir haben einfach den gesucht, der am besten zu uns passt. Und wenn wir in drei, vier Jahren sehen: Nein, der taugt nichts, können wir wieder zurückgehen.» Es war etwas flapsig dahergesagt. Aber vielleicht kommen die Clubs eben in drei, vier Jahren zur Besinnung und merken, was sie mit der Zehnerliga aufgegeben haben.
Was mich am neuen Modus am meisten stört: nach 33 Runden wird es wohl beim "Strichkampf" oftmals eine knappe Kiste geben. Zum Beispiel hat das Team auf Platz 7 nur wenige Punkte Abstand auf Platz 5 (was für UECL Quali reichen könnte). Mit dem neuen Modus ist dann aber nach 33 Runden fertig und bei den restlichen 5 Spielen geht es beim Team auf Platz 7 um nichts mehr. Zum Vergleich: diese Saison hatten die Teams auf den Plätzen 7 und 8 (FCZ und Niederhasli) bis zum Schluss Chancen auf UECL-Quali. Diese Spannung wird es nicht mehr geben.
Der Modus sorgt vielleicht für Planungssicherheit. Jedoch auch im negativen Sinn: nämlich, dass man 5 Spiele vor Ende nicht mehr mit Europa planen kann. Und Spannung wird gerade bei den Teams auf den Plätzen 7 - 8 nicht mehr aufkommen, wenn der Abstand zu Platz 11-12 zu gross ist. Der Modus wird ziemlich sicher zu einem Zuschauerrückgang führen.