Ein grosser linker Fuss und (wieder) bittere Tränen in GenfBeim 2:1-Sieg erzählt Mirlind Kryeziu von Kindheitserinnerungen, derweil ein kürzlich volljährig gewordener junger Mann mit der ganzen Härte des Fussballgeschäfts konfrontiert wird. Mirlind Kryeziu – der Mann mit dem WummsMirlind Kryeziu hat einen feinen linken Fuss. An dieser Stelle wird im Jargon gerne vom Füsschen gesprochen, dieses aber ist in diesem Fall gänzlich unangebracht, weil dieser feine linke Fuss einerseits ziemlich gross ist und andererseits Kryeziu von der «enormen Kraft» spricht, die in diesem Fuss wohnt.
Mit diesem Fuss spielt der Zürcher Innenverteidiger gern den Ball in die Räume, scharf und genau. Inzwischen hat Kryeziu weiter an diesem Fuss gearbeitet und sich oft nach dem Training den Schüssen gewidmet. Er setzt jeweils ein paar Bälle und jagt sie aufs Tor. Er trifft dabei den Ball mit einem Gemisch aus Voll- und Innenrist, um ihm Schnitt und eine wilde Flugbahn mitzugeben. «Wenn er auf das Tor kommt, hat der Goalie meist Mühe», sagt er. Der Ball ist schon einige Male danebengeflogen, gegen Genf aber trifft ihn Kryeziu perfekt. Aus knapp 30 Metern schlägt er im langen Eck ein. Tor! Und was für ein feines!
Es ist nicht seine einzige Tat. Nach den vielen Gegentoren in den vergangenen Partien ist die FCZ-Abwehr unter Beobachtung. Kryeziu erledigt seinen Job tadellos, so viel vorweg. Er haut den Ball weg, wenn nötig, und spielt ihn zwischen die Linien, wenn möglich. Meist hat er es mit dem grossen Grejohn Kyei zu tun. Er bewacht ihn, eng und unnachgiebig, der Franzose kommt zu keiner einzigen nennenswerten Chance. Als Kryeziu das Spielfeld verlässt, trägt er Kyeis Kreditkartennummer samt dreistelliger Geheimzahl in seiner Tasche.
Seine Leistung wird gewürdigt. Als sich die Mannschaft bei den mitgereisten Fans für die Unterstützung bedankt hat, rufen diese Kryeziu noch einmal zu sich. Er macht mit ihnen die Welle und sagt hinterher: «Früher stand ich in der Kurve und habe Namen gerufen. Nun rufen sie mich zu sich. Ein schönes Gefühl.»
Assan Ceesay – die Zehn ist vollAssan Ceesay zeigt an diesem Tag zwei Gesichter. Jenes des toreschiessenden Stürmers, jubelnd und strahlend. Und jenes des sich krümmenden Versehrten, schmerzverzerrt und wütend.
Es läuft die 26. Minute, als Yanick Brecher den Ball abschlägt. Stürmer Blaz Kramer lässt den Ball abprallen, Adrian Guerrero schiebt ihn zwischen die Linien zu Antonio Marchesano, dieser spielt ihn noch einmal weiter in den Raum zu Ceesay. Der Gambier entledigt sich seines Verteidigers und schiesst überlegt durch die Beine von Goalie Frick das 1:0. Es ist ein Angriff aus einem Guss, toll gespielt, im Training eingeübt. Einzige Kritik: «Noch zu wenig gesehen im Spiel», sagt Trainer André Breitenreiter. Für Ceesay reicht es aber immerhin zu seinem zehnten Saisontreffer.
Der 27-Jährige wird in diesem Spiel auch zum Opfer der Genfer. Kampf und Kraft sollen sie aus dem Tief von vier Niederlagen in Folge holen, das ist in jedem Zweikampf spürbar. Sie gehen rücksichtslos zur Sache, und es trifft dabei oft Ceesay. Der Stürmer krümmt sich dann vor Schmerzen am Boden, meist zu Recht, wobei er in der B-Note Abzüge bekommt wegen immer gleicher Theatralik und Übertreten des Zeitlimits beim Sich-am-Boden-Winden.
Wilfried Gnonto – die volle Härte des ErwachsenwerdensVergangene Woche ist er 18 Jahre alt geworden, und bereits ein paar Tage später erfährt er die volle Härte des Erwachsenwerdens. Gnonto kommt in der 46. Minute für Blaz Kramer ins Spiel, ihm gelingt wenig, in der 83. Minute wechselt ihn Breitenreiter wieder aus. «Das war nicht leistungsbedingt», sagt der Trainer. Gnonto habe früh Gelb gesehen und sei rotgefährdet gewesen. Lieber kein Risiko eingehen.
Breitenreiter will ihm dies bei der Auswechslung erklären, so richtig funktioniert das nicht. Nach dem Abpfiff weint der 18-Jährige. Die Mitspieler trösten ihn, sie ziehen ihn zu den jubelnden Fans. Gnonto aber will nicht tanzen und singen. Er klatscht ein, zwei Mal und macht dann einen Abgang.
Postskriptum: Genf will dem sensiblen Mann offenbar nicht liegen. Bereits im vergangenen Dezember flossen Gnontos Tränen im Stade de Genève. In der Nachspielzeit traf er damals nur den Pfosten, worauf Servette kurz darauf noch das Siegtor gelang.
Die kleinen Helden des SiegsViele Chancen muss er nicht entschärfen, doch einmal, da braucht es ihn und seine Reaktion. Genf spielt seinen einzigen gelungenen Angriff der Partie. Imeri flankt den Ball scharf nach innen, Stevanovic bringt ihn mit dem Kopf und ordentlich Wucht aufs Tor. Brecher schnellt nach oben und touchiert den Ball leicht. Diese Berührung ist von Bedeutung: Der Ball prallt an die Lattenunterkante und von da zu Boden. Viel Ball ist über der Linie, ein Stückchen aber eben nicht. Kein Tor, melden die Torlinientechnologen aus Volketswil. Brechers Tat ist eine Weichenstellung in diesem Spiel.
Einem Spiel, in dem auch Blerim Dzemaili auffällt. Er kommt zu den meisten Abschlüssen beim FCZ, nicht zum ersten Mal wird dabei klar: Dzemaili ist kein Stürmer, seine Stärken liegen anderswo. Zum Beispiel bei Tugenden wie Kampf und Wille, gleich zweimal legt er sich in Genfer Distanzschüsse, zweimal blockt er den Ball, jedes Mal zeigt er: Ich kenne keine Rücksicht auf Verluste. Ich bin noch da.
Die RückkehrerSeit Mai hat Aiyegun Tosin nicht mehr gespielt, eine Fussverletzung hielt ihn vom Fussballspielen ab. Nun kehrt er auf den Platz zurück, das kommt einigermassen überraschend: Noch im Sommer war man beim FCZ überaus skeptisch, ob daraus im Jahr 2021 noch etwas wird.
In seinen sieben Minuten Spielzeit legt er einmal perfekt den Ball für Ceesay in den Raum, allein zieht dieser auf Frick los – und vergibt. Findet Tosin zu seiner Schnelligkeit zurück, ist er für Breitenreiter eine weitere Waffe.
Blaz Kramer darf sogar von Anfang an auf den Platz. Seit dem dritten Spieltag fehlte er verletzt. Kramer ist motiviert, das sieht man, im ersten Luftduell holt er sich die Gelbe Karte. Er ist zudem Teil des formvollendeten Angriffs zum Führungstreffer. Nach der Pause bleibt er geplättet in der Kabine.
Kramers Kurzauftritt demonstriert zweierlei: Erstens bringt er dem FCZ eine neue Physis in den Angriff. Zweitens muss Antonio Marchesano eine Position weiter hinten als gewöhnlich ran. Zumindest gegen Servette behagt das dem Tessiner nur wenig. Sein Einfluss ist sehr marginal. Mit einer Ausnahme: sein Pass in den Lauf von Ceesay zum 1:0.
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