Warum Blerim Dzemaili den FCZ besser macht
Tagi von heute, Florian Raz
Beim 3:2 des FC Zürich in St. Gallen steigen Männer in die Hosen, die bislang kaum eine Rolle gespielt haben. Und einer zeigt, was für einen Einfluss er hat.
Mirlind Kryeziu – die Freude am Befreiungsschlag
Es ist nicht so, dass sich sein Einsatz abgezeichnet hätte. Null Sekunden ist Mirlind Kryeziu bis zu diesem Abend in St. Gallen in dieser Saison auf dem Feld gestanden. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Und Massimo Rizzo setzt nach dem 0:1-Debakel gegen Vaduz auf den 24-jährigen Innenverteidiger, weil er noch immer eine Abwehr sucht, die auch ohne Lasse Sobiech funktioniert.
Es ist auch nicht so, dass Kryezius Einsatz gegen St. Gallen von Beginn weg ein durchschlagender Erfolg wäre. In der ersten Halbzeit hat er mit Partner Nathan mehr Abstimmungsprobleme als eine Kaukasusrepublik. Stellvertretend dafür der St. Galler Führungstreffer, der durch einen Steilpass zwischen Kryeziu und Nathan hindurch entsteht.
Aber Kryeziu gelingt wie der ganzen Mannschaft eine Steigerung. Natürlich wird aus ihm auch in Hälfte zwei kein filigraner Techniker. Er ist eher der Typ Spieler, der den Ball mit einer gewissen Genugtuung gegen die Glasscheibe im zweiten VIP-Stock drischt. Aber in einem tiefer stehenden Block wird er plötzlich zum unangenehmen Duellanten.
Blerim Dzemaili – etwas Vorfreude bleibt
Es gibt einen FCZ ohne Blerim Dzemaili. Der verliert gegen Vaduz 0:1. Und einen mit Blerim Dzemaili. Der gewinnt gegen Basel und St. Gallen. Erstaunlich, wie prägend ein Spieler nach ein paar Tagen gemeinsamer Vorbereitung bereits sein kann. Einer zudem, der zuvor währen einem ganzen Jahr kein einziges Spiel absolviert hat.
Dzemaili ist einer, der seine Nebenleute besser macht. Spieler wie Salim Khelifi – oder auch den sonst schon starken Antonio Marchesano. Fast wirkt er so, als könne er Spieler erden, die sonst ob ihrer feinen Technik manchmal den Hang zum Luftibus haben. Und ja, selbst manchmal eher um Orientierung ringende Stürmer wie Assan Ceesay zwingt er mit seinen Pässen in die richtigen Bahnen. Etwa mit seinem Steilzuspiel vor dem 1:2.
Mit Dzemaili ist der FCZ schlicht eine erwachsenere Mannschaft.
Box to Box steht bei ihm nicht für eine Einkaufsorgie bei Zalando, sondern für sein natürliches Habitat. Er mag nicht immer im Vollsprint unterwegs sein. Das würde sein Körper derzeit gar nicht hergeben. Aber er ist praktisch überall zwischen den Strafräumen anzutreffen und damit offensiver unterwegs als die anderen FCZ-Zentrumsspieler. So sorgt er für Überraschungsmomente wie beim 3:2, zu dem er den Assist gibt. Sowieso hat er bei jedem der drei Zürcher Tore seine Füsse im Spiel.
Nur das mit dem ersten Tor in seinem zweiten Engagement beim FCZ will noch nicht klappen. Zu viel Brechstange, zu wenig Gefühl braucht er bei seiner Grosschance in der 33. Minute. Ist ja aber auch schön, wenn man sich gewisse Dinge für etwas später aufspart. Vorfreude und so …
Antonio Marchesano – viel besser mit Wingman
Der Tessiner ist einfach besser, wenn er einen Wingman hat. Einen Mitspieler, mit dem er sich die Verantwortung teilen kann. Das war im Herbst so, als neben ihm am Flügel Benjamin Kololli zauberte. Und das ist jetzt so, da hinter ihm Blerim Dzemaili die Zügel in der Hand hält.
Antonio Marchesano muss sich dann nicht um die ganze Last des Spielaufbaus alleine kümmern, unter der er manchmal zu ersticken droht. Stattdessen schleicht er sich in jene Zonen des Spielfelds, in denen die entscheidenden Dinge geschehen. So, wie vor Dzemailis Grosschance in der 33. Minute. Oder vor Salim Khelifis 3:2.
Und dann sind ja noch seine beiden Tore an diesem Abend. Ein verwandelter Elfmeter und ein gern angenommenes Geschenk des St. Galler Goalies Lawrence Ati Zigi. Womit Marchesano als aktueller Zürcher Topskorer bei sechs Toren steht. So viele hat er in seiner Zürcher Zeit seit Sommer 2016 noch nie erzielt.
Salim Khelifi – plötzlich wieder aufgetaucht
Noch so einer, der in der Vorrunde kaum eine Rolle gespielt hat. Und der nun in St. Gallen plötzlich in der Startaufstellung auftaucht. Aber irgendwie passt das zur Karriere von Salim Khelifi. Immer wieder taucht der Flügelspieler ab, verschwindet fast vollständig von der Bildfläche – und kommt doch immer wieder hoch.
An diesem Abend nutzt er die seltene Gelegenheit, die ihm Trainer Massimo Rizzo bietet. Und das nicht nur, weil ihm ein feiner Schuss ins hohe Eck zum 3:2-Siegtreffer gelingt.
Khelifi wirkt geradliniger, eingebundener ins Zürcher Spiel als das Konkurrent Wilfried Gnonto am Mittwoch gegen Vaduz war. Und er zeigt, warum sich der FCZ von ihm einmal grosse Dinge versprach. Wendig, unberechenbar – aber auch in der Lage, den Ball zu halten, wenn die eigene Mannschaft unter Druck gerät.
Assan Ceesay – der Mann mit dem grossen Wenn
Natürlich ist da wieder so ein Bild. Assan Ceesay läuft mit dem Ball alleine auf den gegnerischen Torhüter zu. Er zielt, er streichelt den Ball am Goalie vorbei – und der Ball rollt um Zentimeter auf der falschen Seite des Torpfostens vorbei. In St. Gallen müsste der Gambier irgendwann einfach das 4:2 für den FCZ erzielen.
Weil er es nicht tut, wird er sich weiterhin ein enges Duell mit Blaz Kramer um den einen Platz im Zürcher Sturmzentrum liefern. Dabei beweist Ceesay in der Ostschweiz, dass er sehr vieles mitbringt, was einen Stossstürmer auszeichnet. Er ist ständig in Bewegung. Er sucht, wenn er von einem Spieler wie Dzemaili angeleitet wird, im richtigen Moment die Tiefe. Und er kann auch seine Mitspieler in Szene setzen.
All das beweist er bei seinem Lauf, der zum Elfmeter zum 1:2 führt. Und bei seinem feinen Pass auf Marchesano, der den Siegtreffer auslöst. Was, wenn er nun auch noch anfangen würde, seine Chancen zu nutzen? Aber eben, das mit dem Toreschiessen, das will ihm einfach nicht gelingen. Und so bleibt er der Mann mit dem grossen Wenn.