Die blutigen Spuren von Roter Stern BelgradDie Fans des berüchtigten Clubs verherrlichen serbische Terroristen, die in Kosovo einen Krieg provozieren wollten. Der Gegner am Mittwochabend: die Berner Young Boys.
Enver Robelli
Publiziert heute um 11:53 UhrWenn serbische Politiker Kriegsspiele betreiben, dann schliessen auch die Fussballhooligans schnell die Reihen, um mit Drohgebärden die nationalistische Stimmung anzuheizen. Kaum waren kürzlich in Kosovo drei serbische Extremisten nach einem tödlichen Angriff auf die dortige Polizei erschossen worden, marschierten meist schwarz gekleidete Fans von Roter Stern durch Belgrad. Sie zündeten Kerzen vor der Sveti-Sava-Kathedrale an und verherrlichten die Männer, die «für das Vaterland» gefallen seien. Das Stadtderby zwischen Roter Stern und Partizan wurde verschoben, weil erst einmal Staatstrauer angesagt war.
Die «Delije», Ultras von Roter Stern, erwähnten in einer schriftlichen Erklärung namentlich Stefan Nedeljkovic, der als «Freund auf der Tribüne» bezeichnet wurde. Als Nedeljkovic am Sonntag in einem bekannten Kurort in Serbien beerdigt wurde, standen die Fussballfans Spalier und hielten Fackeln in die Höhe. Auf dem Friedhof erschien kurz auch der Mafiapate Milan Radoicic, der sich zum Überfall auf die Polizeikräfte in Kosovo bekannt hat. Lange hatte ihn die serbische Justiz in Ruhe gelassen. Am Dienstag gab das Innenministerium aber bekannt, Radoicic in Belgrad verhaftet zu haben. Am Mittwoch wurde er auf freiem Fuss gesetzt. Der Extremist ist ein Vertrauensmann von Staatspräsident Aleksandar Vucic.
Der mächtigste Politiker Serbiens ist schon seit seiner frühen Jugend Anhänger von Roter Stern. Dazu gehört zwangsläufig eine tiefe Abneigung gegen Partizan. Zu Beginn der 90er-Jahre war Vucic aktiv in der Ultraszene von Roter Stern. Hier rekrutierte der Schwerverbrecher Zeljko Raznatovic, Spitzname «Arkan», mithilfe des serbischen Geheimdienstes viele Paramilitärs, die von Kroatien über Bosnien-Herzegowina bis Kosovo eine blutige Spur hinterliessen. Vor allem Plünderungszüge machten Arkan und seine uniformierten Hooligans reich.
Im Mai 1990 war der junge Vucic beim Auswärtsspiel gegen Dinamo Zagreb dabei. Die Strassenschlachten in der kroatischen Hauptstadt und die anschliessenden Ausschreitungen im Stadion Maksimir waren Vorboten der jugoslawischen Zerfallskriege, die massgeblich von der Belgrader Führung ausgelöst wurden.
Handfeste Beweise, dass auch Vucic gekämpft hat, gibt es nicht. Als glühender Anhänger des Ultranationalisten und Kriegsverbrechers Vojislav Seselj besuchte Vucic aber serbische Soldaten, die Bosniens Hauptstadt Sarajevo belagerten und Tausende Zivilisten ermordeten. Gleichzeitig arbeitete er als Reporter für einen Propagandasender der bosnischen Serben. Man tut ihm nicht unrecht, wenn man sein damaliges Wirken als Kriegshetze bezeichnet.
Erpressung, Mord und DrogenhandelAls Vucic vor zehn Jahren seine Macht zu festigen begann, distanzierte er sich wortreich und theatralisch von seiner Vergangenheit. In manchen westlichen Hauptstädten schenkte man den Beteuerungen sogar Glauben. Doch Vucic pflegte weiterhin enge Kontakte zu dubiosen Kreisen, seine «Fortschrittspartei» SNS rekrutierte laut Belgrader Medien Schläger aus Fussballstadien, die Oppositionelle attackierten, zudem wurden Unterweltkönige vorgeschickt, um die unliebsamen Fans von Partizan mundtot zu machen.
Seit Jahren beschimpfen sie Vucic in Sprechchören als «Schwuchtel» und fordern seinen Rücktritt. Der mittlerweile inhaftierte Mafioso Veljko Belivuk erzählt offen, dass er mit seiner Bande im Auftrag des Staatschefs gehandelt habe. Die Justiz wirft dem Hooligan-Führer vor, hinter mehreren bestialischen Morden zu stehen. 2021 soll Vucic ein Geburtstagsständchen für Belivuk gesungen haben. Ihm werden Entführungen, Erpressung, Mord und Drogenhandel vorgeworfen.
Im Juli 2022 empfing Zenit St. Petersburg den serbischen Meister – für Moskau ein grosser Propagandaerfolg.Gewalt, Pyroorgien und rassistische Parolen prägen die Fankultur in Serbien. Der Geschäftsführer von Roter Stern Belgrad sagte in einem Interview mit der französischen Zeitung «Le Monde», der grösste serbische Verein sei «nicht nur eine Fussballmannschaft, sondern eine Ideologie, eine Philosophie und ein nationales Symbol. Roter Stern ist der Hüter der serbischen Identität und des orthodoxen Glaubens.»
Dazu gehört auch die Nähe des Clubs zu Russland. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde der russische Fussball in Europa isoliert. Doch Anfang Juli 2022 empfing Zenit St. Petersburg in Sotschi den serbischen Meister – für Moskau ein grosser Propagandaerfolg. Die beiden Mannschaften haben mit dem russischen Gaskonzern Gazprom auch den gleichen Hauptsponsor. Während des Duells zwischen Roter Stern und Partizan im Frühjahr 2022 wehten russische Flaggen mit dem Grossbuchstaben Z, ein Symbol für den Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine. Die Fans von Roter Stern fordern oft die Rückkehr der serbischen Armee nach Kosovo.
Warnschüsse in BernHeute Mittwoch um 21 Uhr spielen die Berner Young Boys in der Champions League gegen Roter Stern, in Serbien bekannt als Crvena zvezda, in Belgrad. Möglicherweise werden auch einige rabiate Fans im Stadion sein, die am Wochenende an der Beerdigung des in Kosovo getöteten Terroristen teilnahmen.
In Bern sind die serbischen Fans für ihr nicht gerade vorbildliches Verhalten bekannt. 2019 trafen die beiden Mannschaften in der Qualifikation für die Champions League aufeinander, wobei sich Roter Stern knapp durchsetzte. Das Hinspiel in Bern wurde von massiven Schlägereien überschattet. Mehrere Personen wurden tätlich angegriffen. Die Polizei musste sogar Warnschüsse abgeben. Ein Lokal wurde mit Bierdosen beworfen; wie die Nachrichtenagentur SDA berichtete, hatten sich die Fans an einer LGBT-Fahne an dem Haus gestört.
Vor dem Rückspiel gegen YB in Serbiens Metropole liess Roter Stern wenige Tage später einen T-55-Panzer vor dem Stadion aufstellen. Der europäische Fussballverband (Uefa) teilte damals etwas naiv mit: «Der Panzer vor dem Stadion ist kein Problem, solange nicht damit geschossen wird.»
Wer die Gewalt glorifiziert, ebnet den Weg für unfassbare Massenschlägereien. 2017 kam es zu einer regelrechten Schlacht zwischen den Ultras der Erzrivalen Roter Stern und Partizan. Das Duell ging als die Belgrader Blutnacht in die jüngste Geschichte Serbiens ein.
2009 prügelten Anhänger von Partizan brutal auf einen französischen Fussballfan ein, der wenige Tage später starb. Im darauffolgenden Jahr randalierten serbische Hooligans beim EM-Qualifikationsspiel in Italien. Die Partie wurde erst verschoben, dann abgebrochen. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagte Italiens damaliger Nationaltrainer Cesare Prandelli.
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