Beitragvon alpo » 01.06.13 @ 16:06
Aus der NZZ
Als Urs Meier im Januar sein Amt als Cheftrainer des FCZ ohne den Zusatz «interimistisch» antrat, war er mit seinen 51 Jahren zwar kein Jungfuchs mehr, aber auch keine prominente Grösse, wie sie wohl mancher für einen Verein dieses Zuschnitts gerne gesehen hätte. Vor allem aber hatte der FCZ turbulente Zeiten hinter sich, die ihn dem Abstiegsplatz 10 weit näher gebracht hatten als einem Europacup-Rang. Heute fährt Meier mit seiner Mannschaft zum letzten Spiel der Saison nach Sitten. Die Vorgabe, die sie dort hat, mag für Titellisten unbedeutend sein, ist aber erstaunlich hoch: Es geht, wie es Meier formuliert, darum, «die beste Rückrundenmannschaft zu werden, auch wenn es dafür keinen Pokal gibt».
Das bleibt also noch übrig für einen, der schon längst erreicht hat, was ihm aufgetragen war: «Zuerst der Ligaerhalt, dann Platz 5, dann Platz 4, weil damit in der Europa League eine Runde weniger zu bestreiten ist, und schliesslich beste Mannschaft der Rückrunde – das waren nach und nach die Ziele, die ich formulierte», sagt Meier. Mit einem Sieg im Wallis ist der FCZ auch dann bestes Team des Frühjahrs, wenn der FCB seine Meisterfeier mit einem Erfolg gegen St. Gallen begeht. Nicht erreicht hat Meier dann nur eines: den Cup-Final, den er wegen der vierten Niederlage im vierten Derby gegen GC verpasste.
Aber der Leistungsausweis seines ersten halben Jahres als Chef in der Elite überzeugt dennoch. Es verdient Respekt, wie er eine Mannschaft, die im Herbst völlig ungeordnet aufgetreten war, relativ schnell zu einer leistungsbereiten und solidarischen Einheit formte. Schliesslich war sie nominell gar schwächer als vorher, nach dem leihweisen Abgang des Innenverteidigers Teixeira oder der schweren Verletzung Kukelis. Aber Meier fand offensichtlich den Zugang zu den Spielern, nicht im Stil des grossen Zampanos, des Blenders, sondern des Arbeiters, der wusste, «dass er das Vertrauen der Mannschaft gewinnen muss. Ich hab ihr nicht das Gefühl gegeben, ich sei der Hauptakteur. Am Ende entscheidet ja immer die Mannschaft über den Erfolg.» Er habe auch «spüren wollen, was sie spürt – und sie gab mir zu erkennen: Sie will Tore schiessen.»
Wichtig war der Start, mit einem 2:0 gegen Lausanne. Beruhigend war die Fortsetzung mit 16 Punkten aus sechs Spielen, bis das Zwischentief kam mit vier Niederlagen in Folge gegen die drei Tabellenersten, darunter jene im Cup-Halbfinal. Da habe er gewusst, dass er die Anforderungen im Trainingsbetrieb «etwas zurücknehmen» müsse, der Mannschaft wieder Frische verleihen. Das Ergebnis: ein 4:0 gegen Servette, mit dem der Klassenerhalt gesichert war, was Meier «den zweiten Knackpunkt» nennt. Damit ging der FCZ in eine Endphase der Saison über, die sich zu einer Serie mit sieben Siegen, einem Unentschieden und keiner Niederlage auswuchs. Danach ist er eben Leader der Rückrundenrangliste, zieren 41 Tore in 17 Spielen die Statistik. Ein Wert, der in Meiers Worten «die offensichtliche Spielfreude» der Mannschaft zeigt.
Damit einher ging, dass aus einem, «der wenig Kredit hatte», einer wurde, dem mit «spürbar mehr Achtung als vor einem halben Jahr» begegnet wird. Das freut ihn, gesund selbstbewusst aber war er schon vorher. «Ich wusste ja, was ich in zwanzig Jahren als Trainer leistete.» Nach dem Zwischentief mit einer zweiten starken Serie in der Tabelle wieder hochgekommen zu sein, lässt ihn sagen: «Ich hoffe schon, dass man es nicht als Eintagsfliege sieht.» Wäre es anders gewesen, «wäre meine Karriere als Super-League-Trainer fertig gewesen».
Die Ansprüche an ihn werden in der neuen Saison höher sein, obwohl die finanzielle Lage des FCZ kaum grössere Sprünge erlaubt. «Es ist sicher weniger möglich als auch schon», sagt Meier nur. Er muss ja damit rechnen, dass noch andere gehen. Er denkt, dass es am ehesten Josip Drmic ist. Immerhin, einen ersten «Wunschspieler» hat er seit gestern: Der Kameruner Franck Etoundi kommt als Stürmer für drei Jahre aus St. Gallen.