Die Trainer Frage

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Zhyrus
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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon Zhyrus » 05.08.19 @ 23:56

Haben wir einen neuen Sündenbock gefunden?

Tami, Kololli war doch selber restlos bedient - deshalb auch die Reaktion auf Mahis Aufmunterungsversuche. Ich glaube auch nicht, dass man aufgrund von Transfergelüsten seine Kollegen Khelifi und Marchesano, die man sogar an seine Hochzeit einlud, und den Rest der Mannschaft absichtlich im Stich lässt. Kololli mag ein übersteigertes Ego haben, das ihm selber zuweilen im Weg steht, aber ich glaube nicht, dass er aus Argwohn nicht sein Bestes gab als er gegen Lugano zweimal kläglich aus dem Spiel und in Sion vom Punkt scheiterte. Bei ihm manifestiert sich doch dieselbe Verkrampfung und mentale Blockade wie bei sehr Vielen, die zur Zeit unser Leibchen tragen, und, genau das dürfte der Grund gewesen sein, dass man Khelifi, Marchesano und Kololli erlaubte in den Kosovo zu reisen: Kopf durchlüften und durchstarten. Bilanz durchzogen: Marchesano gelang der einzige FCZ-Assist dieser Saison, Kololli traf meistens die falsche Entscheidung.

Wir hatten noch 20 min in Überzahl um das 1:2 zu schiessen oder wenigstens ein 1:1 zu holen. Wir kassierten stattdessen 2 Gegentore und da waren noch ganz Andere nicht bei der Sache, die weder an der Hochzeit waren, noch angeblich Transfers hinterher träumen, oder als arrogant, launisch, divenhaft und beleidigt gelten.

Gönd alli zum Psüchologen oder in Kosovo chäftig eine gmeinsam go suufe! Vielleicht klappt es ja so gegen Xamax!


yellow
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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon yellow » 06.08.19 @ 8:24

Zhyrus hat geschrieben:Haben wir einen neuen Sündenbock gefunden?

Tami, Kololli war doch selber restlos bedient - deshalb auch die Reaktion auf Mahis Aufmunterungsversuche. Ich glaube auch nicht, dass man aufgrund von Transfergelüsten seine Kollegen Khelifi und Marchesano, die man sogar an seine Hochzeit einlud, und den Rest der Mannschaft absichtlich im Stich lässt. Kololli mag ein übersteigertes Ego haben, das ihm selber zuweilen im Weg steht, aber ich glaube nicht, dass er aus Argwohn nicht sein Bestes gab als er gegen Lugano zweimal kläglich aus dem Spiel und in Sion vom Punkt scheiterte. Bei ihm manifestiert sich doch dieselbe Verkrampfung und mentale Blockade wie bei sehr Vielen, die zur Zeit unser Leibchen tragen, und, genau das dürfte der Grund gewesen sein, dass man Khelifi, Marchesano und Kololli erlaubte in den Kosovo zu reisen: Kopf durchlüften und durchstarten. Bilanz durchzogen: Marchesano gelang der einzige FCZ-Assist dieser Saison, Kololli traf meistens die falsche Entscheidung.

Wir hatten noch 20 min in Überzahl um das 1:2 zu schiessen oder wenigstens ein 1:1 zu holen. Wir kassierten stattdessen 2 Gegentore und da waren noch ganz Andere nicht bei der Sache, die weder an der Hochzeit waren, noch angeblich Transfers hinterher träumen, oder als arrogant, launisch, divenhaft und beleidigt gelten.

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Es geht nicht darum, einen Sündenbock zu suchen und zu finden. Dass die Posts von Spitzkicker und mir bei dir diesen Eindruck erweckt haben, kann ich aber irgendwie verstehen.
Allerdings musst du zugeben, das Spitzkickers Vergleich von Kololli mit Kasami recht aussagekräftig ist. Und in unserer momentanen Situation brauchen wir Leute, die ihre eigenen Befindlichkeiten hinter den Interessen der Mannschaft anstellen. Genau das zeichnet einen Führungsspieler aus: Es läuft mir nicht richtig gut, also fighte ich halt noch mehr.
Fehler macht jeder Spieler. Wichtig ist einfach, wie man darauf reagiert. In diesem Sinne hoffe ich auf eine überzeugende Reaktion unserer drei unglücklichen Ks vom letzten Samstag - sofern sie denn auch wieder berücksichtigt werden.
Urs Fischer«Ich staune immer wieder, wie viele Leute sich äussern und das Gefühl haben, dass sie Bescheid wissen»

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Tschik Cajkovski
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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon Tschik Cajkovski » 06.08.19 @ 8:42

Zhyrus hat geschrieben:Haben wir einen neuen Sündenbock gefunden?

Tami, Kololli war doch selber restlos bedient - deshalb auch die Reaktion auf Mahis Aufmunterungsversuche. Ich glaube auch nicht, dass man aufgrund von Transfergelüsten seine Kollegen Khelifi und Marchesano, die man sogar an seine Hochzeit einlud, und den Rest der Mannschaft absichtlich im Stich lässt. Kololli mag ein übersteigertes Ego haben, das ihm selber zuweilen im Weg steht, aber ich glaube nicht, dass er aus Argwohn nicht sein Bestes gab als er gegen Lugano zweimal kläglich aus dem Spiel und in Sion vom Punkt scheiterte. Bei ihm manifestiert sich doch dieselbe Verkrampfung und mentale Blockade wie bei sehr Vielen, die zur Zeit unser Leibchen tragen, und, genau das dürfte der Grund gewesen sein, dass man Khelifi, Marchesano und Kololli erlaubte in den Kosovo zu reisen: Kopf durchlüften und durchstarten. Bilanz durchzogen: Marchesano gelang der einzige FCZ-Assist dieser Saison, Kololli traf meistens die falsche Entscheidung.

Wir hatten noch 20 min in Überzahl um das 1:2 zu schiessen oder wenigstens ein 1:1 zu holen. Wir kassierten stattdessen 2 Gegentore und da waren noch ganz Andere nicht bei der Sache, die weder an der Hochzeit waren, noch angeblich Transfers hinterher träumen, oder als arrogant, launisch, divenhaft und beleidigt gelten.

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in der NZZaS vom 21.7. war ein guter Artikel bzw Interview mit einem Sportpsychologen (betreute u.a. YB, SCB). Wir haben ja schon oft hier im Forum geschrieben, ob der FCZ hier etwas unternimmt (ich weiss nicht, ob je mit einem Psychologen zusammengearbeitet wurde, fände es aber wünschenswert):

https://epaper.nzz.ch/#article/8/NZZ%20 ... /247543318

hier das Interview:

«Wenn sich der Kopf einschaltet, ist es vorbei»
Warum sind wir im Sport am besten, wenn wir nichts denken? Wie bleiben wir in entscheidenden Momenten ruhig? Und woher kommt der grosse Ehrgeiz von Spitzensportlern? Sprechstunde beim Sportpsychologen Jörg Wetzel. Interview: Samuel Tanner 
Herr Wetzel, ich würde gerne mit der Psychologie des vergangenen Wimbledon-Finals beginnen. Novak Djokovic bezwang Roger Federer im letzten Satz eines dramatischen Spiels. Wurde dieses Spiel im Kopf gewonnen?

Die grössere mentale Leistung erbrachte sicher Djokovic. Wie er noch einmal zurückkam, nachdem Federer zwei Matchbälle gehabt hatte, das war toll. Tennis ist eine psychisch sehr anspruchsvolle Sportart. Die innere Auseinandersetzung ist immens. Ein Spiel geht lange, und man ist allein, niemand hilft. Djokovic hatte zudem das Publikum gegen sich.

Er sagte nach dem Spiel: «Wenn die Leute ‹Roger› riefen, hörte ich ‹Novak›.» Ist das überhaupt möglich?

Ja, wir sind frei zu denken, was wir wollen. Er hörte vielleicht nicht «Novak», aber er interpretierte es so: Wenn die Leute «Roger» rufen, wollen sie seinen Sieg – fürchten aber, dass er es nicht schafft. Das kann er innerlich in ein Kompliment verwandeln. Er muss eine Denkstrategie haben, das ist harte mentale Arbeit. Sie gehört zur Vorbereitung auf ein solches Spiel.

Federer vergab zwei Matchbälle und glaubte weiterhin an den Sieg. Wie gelingt das?

Ein Sportler sollte jederzeit bei seiner Aufgabe bleiben. Er darf nicht resultatorientiert denken, er muss jederzeit aufgabenorientiert sein: Was muss ich gerade jetzt tun? Wie stelle ich mich darauf ein? Wie kann ich mich kurz entspannen?

Ein Sportler sollte immer die totale Gegenwart anstreben.

Genau. Und um das zu erreichen, sollte er in einem Wettkampf laufend verarbeiten, was geschieht. Tennisspieler sind sehr gute Verarbeiter, sie sind ja pausenlos mit eigenen Fehlern konfrontiert. Sie müssen ihre emotionalen Abfallprodukte irgendwie entsorgen: anschauen, aufnehmen, wegwerfen. Sonst stauen sich die negativen Emotionen, und sie werfen den Schläger zu Boden. Ein grosses Thema in der Branche heisst: Achtsamkeit, mindfulness.

Wie erreiche ich diesen Zustand?

Eine ganz einfache Übung. Schauen Sie Ihren Daumennagel an. Sie schauen ihn an, berühren ihn, merken, wie er sich anfühlt, ertasten Sie da Wölbungen oder nicht? Und denken Sie jetzt nicht: Was ist das für eine komische Übung! Bleiben Sie beim Daumen, so genau haben Sie den noch gar nie wahrgenommen! Das ist eine sogenannte informelle Achtsamkeitsübung, so lernen Sie sich auf etwas Bestimmtes zu fokussieren. Hinzu kommen Atemübungen, Meditation. Das passiert in der Vorbereitung. Ein Marathonläufer trainiert Ausdauer, um sie im Wettkampf ausschöpfen zu können. Genauso arbeiten Athleten über Monate im Achtsamkeitsbereich. So gehen sie cooler in einen Wettkampf. Das macht sehr viel aus.

Wenn ich im Wimbledon-Final die zwei Matchbälle vergeben habe, schaue ich dann meinen Daumennagel an?

Es gibt keine Betty-Bossi-Trickli für eine solche Situation. Aber wenn der Daumen für mich ein Trigger für Ruhe und Gelassenheit ist, dann sollte ich ihn nutzen. Ich erarbeite mit einem Sportler verschiedene Übungen und schaue, worauf er anspricht. Vielleicht hilft ihm das Zupfen am Leibchen, um zu sich zu kommen. Was hilft, integrieren wir in den Wettkampf.

Roger Federer sagte einmal: «Der stärkste Gegner ist oft der eigene Kopf.» Was können Sie als Sportpsychologe konkret dagegen tun?

Viele Sportarten laufen im Idealfall intuitiv, automatisch ab. Wenn sich der Kopf einschaltet, ist es vorbei. Ein Skifahrer fädelt genau dann ein. Aber in anderen Sportarten, wie im Tennis, kann ich mir fünf schwache Minuten leisten, in denen ich zu denken beginne. Das gilt es zu antizipieren. Die Stichwörter heissen: Gedankenset vorbereiten, visualisieren, reframen, also negative Gedanken umdeuten.

Der Idealzustand des Sportlers ist aber, wenn er nichts denkt?

Ja.

Wieso?

Man spricht vom Flow: Wenn alles automatisch läuft – und nicht kontrolliert, über den Kopf gesteuert. Der Flow wird begünstigt durch drei Dinge. 1. Im Moment sein. 2. Sich nur auf die Aufgabe fokussieren – also nicht denken: «Oh, wenn ich nachher das nächste Break schaffe, könnte ich gewinnen.» Das gehört nicht zur Aufgabe.

Geht das überhaupt?

Ja, das kann man trainieren. Und dann 3. Meinen optimalen Leistungszustand erreichen. Ich muss wissen, wo der bei mir liegt. John McEnroe kam in Fahrt, indem er das Publikum gegen sich aufbrachte und damit auch seinen Gegner verunsicherte. Das ist vielleicht nicht gentlemanlike, aber es brachte ihn in seinen optimalen Leistungszustand. Diese drei Punkte führen am ehesten zum Flow. Dann ist mir mein Denken nicht bewusst. Wenn ich aber ins Bewusstsein gerate, brauche ich Strategien, um langsam wieder in die Automation zu kommen.

Nehmen wir noch einmal das Federer-Beispiel. Angenommen, er ist im Flow, erspielt sich zwei Matchbälle – und plötzlich meldet sich das Bewusstsein.

Dann wird es gefährlich.

Welche Strategien vermitteln Sie Sportlern für diese Momente?

Es gibt Verarbeitungsmodelle. In der ersten Phase habe ich eine emotionale Reaktion, die ich zulasse: Ich stampfe etwa auf den Boden. Dann kommt die Distanzierungsphase, eine kurze Pause. Es folgt die Analyse: Was ist passiert? Wie muss ich weitergehen? Und dann kommt die Fokussierung auf die nächste Aufgabe. In gewissen Sportarten habe ich manchmal mehrere Minuten, im Eishockey zum Beispiel, im Tennis sind es zehn Sekunden bis zum nächsten Ball. Ich erarbeite mit den Athleten, was sie in den vier Phasen tun können. Zuerst ein Fluch, dann weglaufen, kurz wegsehen – haben Sie Djokovic gesehen? Er schaute immer weg, in die Ecke seines Trainers, seiner Frau, das ist die Distanzierungsphase. Dann kommt die Analyse: «Ah, ich muss näher ans Netz.» Und dann folgt der Fokus darauf. Das erarbeite ich mit Tennisspielern, Schwingern, Eishockeyspielern und weiteren Athleten.

Das ist alles?

Nein, nein. In solchen Situationen kommen immer die gleichen negativen Gedanken: «Ich wieder...», «Ich bin so ein Tubel». Dafür braucht ein Sportler ein Gedankenset. Das heisst: Der Sportler schreibt auf, was er in engen Situationen denkt, in denen er eigentlich nichts denken sollte. So kann er die Gedanken veräussern, abgeben. Dann diskutieren wir das. Es ist ja nicht nur eine Deutscharbeit, es ist Coaching.

Was bedeutet das konkret? Gehen wir davon aus, ich versage immer bei Matchbällen.

Dann frage ich: Wieso ist der Matchball wichtiger als andere Punkte? Aha, du willst gewinnen. Wieso willst du gewinnen? Aha, du stehst gerne im Mittelpunkt. Wieso eigentlich? Und dann, irgendwann, vielleicht in der fünften, sechsten Stunde, kommt: «Um dem Vater zu gefallen.» Solche Geschichten kommen! Deshalb bin ich auch psychotherapeutisch unterwegs. Ich finde es spannend herauszufinden, was den Sportler wirklich bewegt.

Sie konfrontieren die Sportler mit ihren Ängsten.

Ja, und mit ihrer Herkunft.

Jeder Sportler hat seine eigene Geschichte – ich nehme an, Sie sehen dennoch ein Muster: Was beschäftigt Sportler stark?

Angst vor dem Versagen. Dann aber auch: Angst vor Erfolg. Kurz vor dem Sieg den Sack zuzumachen. Und schliesslich heissen die Dauerthemen: Selbstvertrauen, Selbstwert.

Sind viele Spitzensportler genau deshalb so gut, weil sie aus einem tiefen Selbstwertgefühl einen grossen Ehrgeiz ziehen können?

Aus philosophischer und psychotherapeutischer Sicht würde ich sagen: Vieles kommt aus der Not und aus Defiziten heraus. Nicht selten sind schwierige kulturelle oder familiäre Bedingungen die Triebfedern, um Aussergewöhnliches leisten zu wollen. Ich habe keine Studie dazu gemacht, aber ich sehe das aus meiner Erfahrung. Das sind grosse Ressourcen – sie führen dazu, dass wir in Sport, Wirtschaft, Politik derart leistungsorientierte Leute haben.

Was zeichnet mental starke Sportler aus: Sind sie alle ähnlich gestrickt?

Es sind die sogenannten Resilienzfaktoren, das ist auch in der Wirtschaft der Trendbegriff. Resilient sind Leute, die sehr zielorientiert sind. Mit Zwischenzielen, mit Zielhierarchien, sehr positiv eingestellte Leute, Stehaufmännchen. Leute, die bereit sind, die Komfortzone zu verlassen. Erfolgreich sind primär nicht jene, die gewinnen wollen. Erfolgreich ist, wer bereit ist, sich auf das Gewinnen vorzubereiten – das gilt im Sport wie in der Wirtschaft.

Masochisten sind gute Sportler?

Der Masochist wäre die pathologische Version des Engagierten, der auch Freude am Sport hat. Das ist das Geniale bei Federer. Er ist so gut, weil er in der Sache aufgeht. Sie müssen sich vorstellen: Sie sind Läufer und merken, wie Sie durch die Landschaft schweben. Es läuft. Das ist so schön! Leute, die mental stark sind, haben oft nicht nur ein Leistungsmotiv, sondern auch ein ästhetisches Motiv. Das motiviert sie nachhaltig.

Schweizer gelten als ruhig, bescheiden, ihnen geht es gut, sie müssen nicht alles riskieren, Niederlagen sind weniger existenziell. Ist das ein Problem?

Das ist ein Handicap, absolut. Wir haben keinen sozialen Aufstieg durch den Spitzensport, wir müssen uns rechtfertigen. «Was machst du beruflich?» – «Profisport.» – «Und was machst du nebendran?» So tönt es. Es geht uns gut. Deshalb haben wir keine existenziellen Motivationstriebfedern. Wir müssen umso mehr aufgehen in der Sache, Sport ist bei uns Selbstverwirklichung. Wir können jederzeit aufhören. Deshalb sind intrinsische Motive, Freude an der Leistung oder an der Ästhetik, für uns umso wichtiger.

Haben Schweizer Sportler andere Probleme als die Sportler anderer Nationen?

Schweizer sind oft sehr bescheiden. Wenn ich mit Spitzenleuten zu tun habe, auch in der Wirtschaft, geht es oft darum: Sie wollen nicht auffallen. Das funktioniert im Sport aber nicht. Ich spreche von Kulturstandards, die überall auf der Welt verschieden sind. Deshalb können Sie mit einem amerikanischen Buch über das Denken wenig anfangen. Da steht überall «Hurra» und «Ich bin der Grösste». Was in Amerika als hohes Selbstwertgefühl durchgeht, ist bei uns schon Grössenwahn.

Fehlendes Selbstvertrauen ist in der Schweiz ein grösseres Thema als andernorts?

Ich denke schon. Ich betreue einen Schwinger, der langsam aufkommt. Er weiss: Wenn er nächstes Mal gewinnt, rückt er in den Fokus – und davor fürchtet er sich. Er überlegt sich: «Wenn ich hier wieder gewinne, stehe ich brutal im Fokus.» Deshalb verliert er. Das thematisieren wir jetzt.

Gibt es von Natur aus Siegertypen und Verlierertypen?

Nein, es gibt nur verschiedene Persönlichkeiten. Der grösste Teil unseres Menschseins ist erworben. Wenn Ihnen 25 Jahre lang gesagt wird: «Lass es sein, dein Bruder kann das besser.» Dann werden Sie kaum ein Siegertyp. Wenn Sie aber realistisch bestärkt werden: «Toll, wir sind so stolz auf dich, was du berührst, wird zu Gold.» Dann werden Sie eher zum Siegertyp.

Das bedeutet: Die Familie ist einer der grössten Faktoren im Spitzensport.

Absolut, in dieses Thema gehe ich deshalb oft rein. Damit der Sportler sich und sein Denken besser begreift. Wenn Sie nicht in die Vergangenheit schauen, verstehen Sie Ihr Denken weniger gut und können es kaum lenken. Dann sind Sie nur Passagier.

Sie wirkten als Sportpsychologe für die Young Boys, die als ewige Verlierer galten. Wie kann ein Sportpsychologe das drehen?

Jeder Verein ist eine Geschichte für sich. Aber es beginnt bestimmt nicht in den Köpfen der Spieler, sondern indem man die richtigen Spieler zusammenbringt, Spieler, die bereit sind, den Sieg vorzubereiten, nicht nur den Sieg zu feiern. Das sind langfristige Prozesse. Eine Mannschaft spielt immer so, wie der Verein organisiert ist. Thun: einfach, bodenständig. So spielen sie. Früher in Basel: international ausgerichtet, hohes Selbstvertrauen. So spielten sie.

Sie arbeiten auch mit Wirtschaftsführern. Inwiefern fühlen sich diese von Spitzensportlern inspiriert?

Der Spitzensport bietet Geschichten. Mit solchen Transfers in die Wirtschaft arbeite ich gerne. Die Gemeinsamkeiten sind gross: Es geht um Leistung, darum, sich gegen andere durchzusetzen. Ich beziehe Sportler in Kadertage mit ein, ihre Beispiele bleiben.

Tom Lüthi, den Sie betreuen, gilt als zu nett. Was können Sie dagegen tun?

Tom kann seine Vergangenheit nicht leugnen. Er ist im Emmental aufgewachsen, nicht in der Bronx von New York, wo er sich durchsetzen musste. Wir blicken in seine Persönlichkeit und geben Gegensteuer: Ich will gewinnen und alles dafür tun. Okay, aber was heisst das, wenn ich in einer Kurve bin und mein Konkurrent kommt nach vorne? Haben Sie gesehen, wie er zuletzt reagiert hat?

Er rempelte einen anderen Fahrer weg.

Genau.

Aber wie wird ein durchschnittlich harmoniebedürftiger Mensch aggressiver?

Indem man das thematisiert: Wie gelingt es mir, noch schneller zu fahren? Was haben andere, was ich nicht habe? Mit der Zeit gibt es die Einsicht des Athleten, Aha-Erlebnisse. Dann frage ich: Was heisst das für die Zukunft? Zudem hilft Provokation, das ist eine riesige Ressource. Ich lehre die Sportler, mit Selbstprovokationen zu arbeiten. Sie sollen mit sich reden: «Ist es mir egal, hinterherzufahren? Wehre ich mich heute oder wehre ich mich nicht?» Den Boxer Arnold Gjergjaj verabschiedete ich einmal hier in diesem Raum und sagte: «Du willst gar nicht gewinnen.» Ich liess ihn so gehen. Das löste einen grossen Prozess aus.

Ein Curling-Team haben Sie von einer Diät überzeugt. Wieso das?

Da war jeder im Team übergewichtig. Dann muss ich nicht über positives Denken reden, sondern hinschauen und sagen: Wie sieht das aus, wenn ihr daherkommt? Selbstwertgefühl hat mit dem Körper zu tun. Ich glaube nicht, dass ich damals den Bogen überspannt habe. Das ganze Team hat achtzig Kilo abgenommen. Das war ein zentraler Faktor für den späteren Erfolg.

Fabian Cancellara erzählte einmal, wie ihn am Tag vor dem Zeitfahren an den Olympischen Spielen 2016 grosse Zweifel befallen hätten. Nach einem Gespräch mit Ihnen habe er aber super geschlafen. Was ist passiert?

Das war der riesige Druck, alle erwarteten Gold. Familie, Trainer, die Delegationsleitung. Die Medaille war schon gebucht. Aber es war nicht heile Welt bei ihm. Wir konnten die Situation retten, indem ich sehr verständnisvoll zuhörte, sehr geduldig im sogenannten Problem-Talk blieb. Das machen viele Trainer nicht, sie sagen sofort: «Nein, du bist super, du packst das!» Sie ertragen die Probleme nicht. Anschliessend war es kurz still, dann besprachen wir, was zu tun war. Wir setzten kleine, portionierte Ziele, zusätzlich gab ich ihm Absicherungen: «Du kannst mich die ganze Nacht anrufen, wenn etwas ist.» Und dann bauten wir Denkstrukturen auf: «Was meinst du, was passiert, wenn du das denkst – oder wenn du etwas anderes denkst?»

Mentale Arbeit bedeutet also, ungeliebte Stimmen im eigenen Kopf auszuschalten?

Wir alle haben verschiedene Stimmen oder eher Persönlichkeiten in uns. Vereinfacht gesagt: Sie sind Buschauffeur und haben in Ihrem Bus einen, der zweifelt, einen, der an Sie glaubt, einen der sagt, Sie seien auf dem falschen Weg – und dann müssen Sie überlegen, wer den Bus fahren soll. Das Ziel ist, dass diese verschiedenen Persönlichkeiten sich verstehen, dass der Zweifler im richtigen Moment zweifelt, aber nicht im falschen. Die Lösung ist, dass ich im Vorfeld eines Wettkampfes möglichst alle Persönlichkeiten in mir kennenlerne und weiss, wie ich ihnen begegnen soll.

Jörg Wetzel
Der 51-Jährige arbeitet als Psychologe mit Leistungsträgern aus Sport und Wirtschaft. Er betreute oder betreut Spitzensportler wie Tom Lüthi oder Fabian Cancellara und Mannschaften wie die Berner Young Boys oder den SC Bern. Seit dem Jahr 2006 ist Jörg Wetzel zudem Psychologe des Schweizer Olympiateams und begleitet die Delegationen an Olympia. Wetzel war selber Spitzensportler und sechsfacher Schweizer Meister im militärischen Fünfkampf. Von ihm erschien im Orell-Füssli-Verlag «Gold – Mental stark zur Bestleistung».
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Jens
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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon Jens » 06.08.19 @ 9:21

.
Zuletzt geändert von Jens am 20.08.19 @ 18:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon schwizermeischterfcz » 06.08.19 @ 9:28

Babu65 hat geschrieben:
NZZaS vom 21.7. hat geschrieben:

Eine Mannschaft spielt immer so, wie der Verein organisiert ist. Thun: einfach, bodenständig. So spielen sie. Früher in Basel: international ausgerichtet, hohes Selbstvertrauen. So spielten sie.


FCZ: Amateurhaft, Chaotisch. So spielen sie.


Herrlich :-))))
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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon Shorunmu » 06.08.19 @ 9:31

yellow hat geschrieben:
Zhyrus hat geschrieben:Haben wir einen neuen Sündenbock gefunden?

Tami, Kololli war doch selber restlos bedient - deshalb auch die Reaktion auf Mahis Aufmunterungsversuche. Ich glaube auch nicht, dass man aufgrund von Transfergelüsten seine Kollegen Khelifi und Marchesano, die man sogar an seine Hochzeit einlud, und den Rest der Mannschaft absichtlich im Stich lässt. Kololli mag ein übersteigertes Ego haben, das ihm selber zuweilen im Weg steht, aber ich glaube nicht, dass er aus Argwohn nicht sein Bestes gab als er gegen Lugano zweimal kläglich aus dem Spiel und in Sion vom Punkt scheiterte. Bei ihm manifestiert sich doch dieselbe Verkrampfung und mentale Blockade wie bei sehr Vielen, die zur Zeit unser Leibchen tragen, und, genau das dürfte der Grund gewesen sein, dass man Khelifi, Marchesano und Kololli erlaubte in den Kosovo zu reisen: Kopf durchlüften und durchstarten. Bilanz durchzogen: Marchesano gelang der einzige FCZ-Assist dieser Saison, Kololli traf meistens die falsche Entscheidung.

Wir hatten noch 20 min in Überzahl um das 1:2 zu schiessen oder wenigstens ein 1:1 zu holen. Wir kassierten stattdessen 2 Gegentore und da waren noch ganz Andere nicht bei der Sache, die weder an der Hochzeit waren, noch angeblich Transfers hinterher träumen, oder als arrogant, launisch, divenhaft und beleidigt gelten.

Gönd alli zum Psüchologen oder in Kosovo chäftig eine gmeinsam go suufe! Vielleicht klappt es ja so gegen Xamax!


Es geht nicht darum, einen Sündenbock zu suchen und zu finden. Dass die Posts von Spitzkicker und mir bei dir diesen Eindruck erweckt haben, kann ich aber irgendwie verstehen.
Allerdings musst du zugeben, das Spitzkickers Vergleich von Kololli mit Kasami recht aussagekräftig ist. Und in unserer momentanen Situation brauchen wir Leute, die ihre eigenen Befindlichkeiten hinter den Interessen der Mannschaft anstellen. Genau das zeichnet einen Führungsspieler aus: Es läuft mir nicht richtig gut, also fighte ich halt noch mehr.
Fehler macht jeder Spieler. Wichtig ist einfach, wie man darauf reagiert. In diesem Sinne hoffe ich auf eine überzeugende Reaktion unserer drei unglücklichen Ks vom letzten Samstag - sofern sie denn auch wieder berücksichtigt werden.


Kololli ist weder Führungsspieler noch ein Figter...
gelbeseite hat geschrieben:Wem unfertiger Wein schmeckt (mit allem Respekt, aber pfui) soll sonst mal das Poulet 20min zu früh aus dem Ofen nehmen oder die Kartoffeln 15 Minuten zu früh aus dem Wasser. Etwa das selbe Erlebnis und nicht mal teurer als das fertige Produkt.

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Re: Die Trainer Frage

Beitragvon Tschik Cajkovski » 06.08.19 @ 9:35

ich fand diese antwort noch wichtig:

Das war der riesige Druck, alle erwarteten Gold. Familie, Trainer, die Delegationsleitung. Die Medaille war schon gebucht. Aber es war nicht heile Welt bei ihm. Wir konnten die Situation retten, indem ich sehr verständnisvoll zuhörte, sehr geduldig im sogenannten Problem-Talk blieb. Das machen viele Trainer nicht, sie sagen sofort: «Nein, du bist super, du packst das!» Sie ertragen die Probleme nicht. Anschliessend war es kurz still, dann besprachen wir, was zu tun war. Wir setzten kleine, portionierte Ziele, zusätzlich gab ich ihm Absicherungen: «Du kannst mich die ganze Nacht anrufen, wenn etwas ist.» Und dann bauten wir Denkstrukturen auf: «Was meinst du, was passiert, wenn du das denkst – oder wenn du etwas anderes denkst?»

nicht im bösen, sicherlich im guten sehe ich hier wie magnin seine spieler versucht aufzubauen indem er genau dies sagt: du bist gut, du kannst das etc... aber genau in solchen momenten braucht es andere fähigkeiten bzw. gespräche. es läuft alles im kopf ab. man sieht ja wie verunsichert unsere mannschaft sofort ist; da braucht es meiner meinung nach experten, die mit den spielern diese gespräche führen können um diese blockade / verängstigungen abzubauen.
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